Brigitte Bierlein, erste Kanzlerin und "Pionierin"
Die damalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs wechselte 2019 als Chefin einer Experten-Regierung ins Kanzleramt. Dort herrschte nach dem Ibiza-Skandal Chaos, die Regierung Kurz I implodierte.. Besonnen, ruhig und konsequent führte sie das Land bis zur nächsten Wahl.
Dies war der letzte Schritt einer doch sehr erfolgreichen Karriere, die sich zum allergrößten Teil in der Justiz abspielte. Bierlein gilt hierzulande als "Pionierin". Nicht nur war sie erste Regierungschefin, auch am VfGH war die Wienerin die erste Frau, die es ganz an die Spitze schaffte. Sie selbst attestierte sich dereinst einen "gewissen Ehrgeiz".
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Liebe zur Kunst
Bierlein, Tochter eines Beamten und einer Künstlerin, verschrieb ihre Karriere der Justiz. Dabei hatte sie dereinst sogar überlegt, sich an der Kunstakademie einzuschreiben, ehe dann gemäß Rat der Mutter doch das Interesse am Recht Vorrang gewann.
Die Kunst blieb Begleiterin der stets modische Akzente setzenden Juristin. Sie galt als Lieberhaberin des Theaters und der Malerei, gehörte auch dem Aufsichtsrat der Bundestheater-Holding an.
Steile Karriere in der Justiz
In nur vier Jahren hatte Bierlein das Jus-Studium absolviert, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen Leiterin.
In der Justiz war Bierlein schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihrer fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte - und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt.
Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten. Vor dem Wechsel in das Höchstgericht war sie nicht weniger als zwölf Jahre Generalanwältin in der Generalprokuratur, davor in Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft Wien tätig.
Nie Parteimitglied, Beifall von allen Seiten
Politisch wurde Bierlein, der als Staatsanwältin eine gewisse Tendenz zu Law&Order zugeschrieben wurde, eher dem konservativen Sektor zugeordnet. Parteimitglied war sie jedoch nie.
Als Van der Bellen sie zur Bundeskanzlerin ernannte, kam dann auch Beifall von allen Seiten. Das gute halbe Jahr, das sie die Regierungsgeschäfte schnörkellos führte, war dann auch von Skandalen verschont.
Für ihre Verdienste für die Republik erhielt Bierlein 2021 das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande ausgezeichnet. "Das Vertrauen, das Sie in mich gesetzt haben, bleibt für mich die größte Ehre meines Lebens", sagte sie zu Van der Bellen mit Blick auf ihre Ernennung zur Kanzlerin 2019.
Leben im Dienste der Republik
Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, sie hätte es sich nicht vorstellen können, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen, sagte Bierlein in Interviews. Ihr langjähriger Lebensgefährte, der Richter Ernest Maurer, verstarb 2021.
In ihrer Freizeit besuchte Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen, sowie - wenn es die Zeit zuließ - Oper und Theater. Auch sammelte sie Kunst, hatte etwa einen (Josef) Mikl zuhause hängen.
Nur am Rande mit Kultur zu tun hatte, dass sie zur Leiterin der Sonderkommission zum Skandal in der Wiener Ballett-Akademie bestellt wurde. Bierlein war auch in der Unabhängigen Opferschutzkommission gegen Missbrauch und Gewalt aktiv.
Bundeskanzler Nehammer würdigte, dass Bierlein in einer schwierigen Phase Verantwortung aus Liebe zu ihrer Heimat übernommen habe: "Unser Land ist ihr zu großem Dank verpflichtet."
Video: Ex-Kanzlerin Bierlein beim Opernball 2024
Zusammenfassung
- Mit dem Tod von Brigitte Bierlein verliert Österreich seine erste Bundeskanzlerin. Auch auf einem weiteren wichtigen Posten war sie die erste Frau.
- 2018 wurde sie die erste Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs.
- Bierlein, Tochter eines Beamten und einer Künstlerin, verschrieb ihre Karriere der Justiz.
- Für die "größte Ehre ihres Lebens" erhielt sie das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande.