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"Wiener Prozess": Keine Verurteilung der FPÖ bei Festwochen

Die FPÖ ist in der Festwochen-Produktion "Wiener Prozesse" am Sonntagabend freigesprochen worden. Obwohl alle "Geschworenen" in dem von Milo Rau inszenierten Dokutheaterstück davon ausgingen, dass die FPÖ demokratiegefährdend oder eine Gefahr für die innere Sicherheit sei, sprachen sie sich mit deutlicher Mehrheit dennoch gegen eine Verurteilung der FPÖ aus. "Ankläger" Alfred Noll kündigte im Anschluss einen Appell an das "Jüngste Gericht" an.

Die "Geschworenen", die die von den Festwochen ausgerufene "Freie Republik Wien" vertreten sollen, hatten drei von der "Vorsitzenden" Barbara Helige formulierte Fragen zu beantworten gehabt. Fünf von sieben "Geschworenen" bejahten die Frage, dass ein demokratischer Rechtsstaat auch Parteien fördern müsse, die antidemokratische Ziele verfolgten. Gleichzeitig erachteten alle, dass ein der FPÖ zuzurechnendes Verhalten von Parteifunktionären demokratiegefährdend oder eine Gefahr für die innere Sicherheit sei. Fünf "Republiksvertreter" befanden schließlich auch, dass der FPÖ ein Anspruch auf staatliche Förderung zustünde und sie somit nicht zu verurteilen sei. Die von der"Anklage" geforderte Streichung von Subventionen wäre eine Sanktionsmöglichkeit, die im österreichischen Recht gegen demokratiegefährdende Parteien denkbar wäre.

Man nehme dieses Urteil natürlich zur Kenntnis, kommentierte "Ankläger" Alfred Noll. "Die Anklage kündigt an, an das 'Jüngste Gericht' zu appellieren, fürchtet aber, dass es angesichts der bejahenden Antwort auf die zweite Frage (zum demokratiegefährdenden Charakter der FPÖ, Anm.) zu spät sein wird, dass wir uns an den Früchten dieser Entscheidung des 'Jüngsten Gerichts' noch erfreuen können", sagte er.

Zuvor hatten sich "Anklage" und "Verteidigung" am frühen Abend ein letztes Mal in Plädoyers an die "Geschworenen" und auch an das Publikum gewandt. Das Verfahren handle von einer Partei, die die republikanische Demokratie zerstören wolle, sagte "Anklägerin" Veronika Sengmüller und referierte Aussagen von "Zeugen" der letzten Tage. Dürfe es das geben, dass ein Parteivorsitzender mit Steuergeld durch die Lande ziehe und alle anderen Parteien als "Einheitsliste Volksverräter" bezeichne, fragte ihr Kollege Noll. Die Republik Österreich habe das Versprechen abgegeben, nicht nur alle faschistischen Parteien aufzulösen, sondern auch alle Gruppen, die das Land in Richtung Faschismus führten, die die demokratische Teilhabe von Teilen der Bevölkerung zu verringern sowie sich gegen die Ziele der Vereinten Nationalen stellten, betonte er. Bei der FPÖ träfe dies "in ganz, ganz herausragendem Maße" zu, plädierte er für eine "Verurteilung".

"Verteidiger" Marcus Pretzell wollte indes kein Wort zum Prozessverlauf verlieren. Dies sei ihm egal, begründete er, weil die FPÖ diesen Prozess ohnehin bereits gewonnen habe. Sollte die FPÖ freigesprochen werden, nehme man diesen "Freifahrtschein" der Wiener Festwochen gerne mit nach Hause. Sollte die FPÖ indes verurteilt werden, wäre dies auch eine Verurteilung vieler Wähler in Österreich. "Sie verurteilen 30 Prozent der Wähler, indem Sie erklären, dass diese Wähler nicht in der Lage sind zu begreifen, was sie da tun. Und dass sie zu dumm sind", sagte Pretzell in seinem Plädoyer. Und eine derartige Wählerbeschimpfung sei eine richtige Gewinnerstrategie, Wähler würden dies an einem Wahlabend wie am Sonntag sowie auch in den nächsten Monaten bis zu den Nationalratswahlen in Österreich lieben.

Auch am dritten Tag des zweiten der "Wiener Prozesse" war die Liste der nicht erschienenen "Zeuginnen" und "Zeugen", die von Richterin Barbara Helige verlesen wurde, illuster: Ohne Angaben von Gründen waren der ehemalige FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und die ehemalige Außenministerin Karin Kneissl ferngeblieben, Wochenendaktivitäten mit ihren Söhnen zogen Johann Gudenus und der Journalist Michael Nikbakhsh dem Theaterbesuch vor, der Journalist Ashwien Sankholkar entschuldigte sich mit familiären Verpflichtungen, erkrankt meldete sich der ehemalige Grazer FP-Abgeordnete Alexis Pascuttini, der daher kurzfristig von der Zeugenliste gestrichen werden musste.

Höhepunkt des Tages war ein Auftritt von Ursula Stenzel gewesen. Die ehemalige Fernsehmoderatorin, Ex-Politikerin von ÖVP und FPÖ sowie nunmehrige freie Journalistin verweigerte zunächst die Gelöbnisformel und begründete dies damit, dass diese eine Theaterinszenierung und kein Prozess sei. "Wir leben in Zeiten von Fake News, der Fake Medien und das hier ist finanziert von den Wiener Festwochen und gedeckt durch eine Kulturstadträtin ein Fakeprozess eines kommunistischen Indentanten", sagte sie. Lieber hätte sie eine gute Inszenierung von "Dantons Tod" gesehen, wo man sehe könne, wohin eine Revolution führe. An ihrer eigenen politischen Karriere bereue sie nichts, "weder, dass ich bei der ÖVP noch bei der FPÖ gewesen bin, die ich als eine bessere rechte Partei gesehen habe". Theatermacher Rau selbst widersprach im Anschluss der Darstellung Stenzels: Zwar sei Vater ein Trotzkist und sein Schwiegervater ein Stalinist, er selbst sei aber ein "linksliberaler Softie", sagte er der APA.

Inhaltlich gab es im "Kreuzverhör" der erschienenen Zeuginnen und Zeugen kaum Neues. Neos-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper äußerte sich zur "Russland-Connection" der FPÖ. Unterhaltsam wurde es kurzfristig im Dialog zwischen Julian Hessenthaler, dem Produzenten des Ibiza-Videos, mit "Verteidiger" Marcus Pretzell, der dem "Analysten" Details zu ähnlichen Aktionen in Deutschland und zu seinen Gesprächen mit Böhmermann entlocken wollte. Die beiden Herren einigten sich nach einem Wortgefecht darauf, das Gespräch bei einem Kaffee im privaten Rahmen fortzusetzen. Inhaltlich war dieses "Kreuzverhör" komplett unergiebig, Höhepunkt war die Hessenthalers Aussage, bis heute auf einen Dankesanruf von Herbert Kickl, der parteiintern von der Affäre profitiert hat.

Ebenso überraschungslos verlief die Befragung des ehemaligen BVT-Chefs Peter Gridling, die letztlich nur Altbekanntes in den "Gerichtssaal" des Dokutheaterprojekts trug. Von der BVT-Affäre, die für Gridling die Motivation hatte, Strukturen zu zerschlagen, Leute einzuschleusen und Einschüchterung zu verbreiten, ging es u.a. zu Egisto Ott. Nach heutigem Kenntnisstand gehe er davon aus, dass dieser "tatsächlich für russische Interessen gearbeitet hat", sagte Gridling.

Politikwissenschafter Anton Shekhovtsov, Direktor des Centre for Democratic Integrity mit Sitz in Wien, meinte u.a. Proponenten der FPÖ würden wohl im heutigen Russland sehr wohl als Ansprechpartner für die Putin-Regierung gesehen, umgekehrt seien in der Vergangenheit aber keineswegs nur FPÖ-Politiker an guten Verbindungen zu Russland interessiert gewesen, sondern auch Mitglieder anderer Parteien - "vor allem jene, die mit Big Business zu tun haben". Es habe Hinweise, aber keine Beweise gegeben, dass FPÖ-Politiker für bestimmte pro-russische Tätigkeiten bezahlt wurden.

"Verteidigerin" Frauke Petry, die bei den Befragungen sonst kaum in Erscheinung trat, befragte am Ende des Verhandlungstages den Journalisten und Kickl-Biografen Robert Treichler zu Herbert Kickl, für Petry "der mögliche nächste Kanzler dieses Landes", und entlockte ihm die Aussage: "Ich glaube, dass Kickl für die Phase, die wir derzeit in Europa erleben, für seine Sache ein sehr geeigneter Mann ist." Aus dem Odeon konnte, wer wollte, dann direkt zur Wahlparty der FPÖ wechseln. Dort feierte man, erstmals in einer bundesweiten Wahl Nummer eins geworden zu sein.

ribbon Zusammenfassung
  • Die FPÖ wurde in der Festwochen-Produktion 'Wiener Prozesse' freigesprochen, obwohl alle Geschworenen sie als demokratiegefährdend oder eine Gefahr für die innere Sicherheit ansahen.
  • Fünf von sieben Geschworenen bejahten, dass ein demokratischer Rechtsstaat auch Parteien fördern müsse, die antidemokratische Ziele verfolgen.
  • Ankläger Alfred Noll kündigte einen Appell an das 'Jüngste Gericht' an, obwohl er befürchtet, dass es zu spät sein könnte.
  • Mehrere prominente Zeugen, darunter Heinz-Christian Strache und Karin Kneissl, erschienen nicht zum Prozess.
  • Die FPÖ feierte, erstmals in einer bundesweiten Wahl Nummer eins geworden zu sein.