APA/APA/Wienbibliothek/Albert Hilscher

Wienbibliothek erinnert an die "Zerstörung der Demokratie"

Am morgigen Dienstag vor genau 90 Jahren, am 23. Mai 1933, legte die Regierung unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß den Verfassungsgerichtshof lahm. Dies war einer der vielen Schritte hin zum Austrofaschismus. Ausgehend von der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 bis zu den Februarkämpfen 1934 beleuchtet eine Schau in der Wienbibliothek die "Zerstörung der Demokratie" in Österreich, die - so die Kernbotschaft - einem geradezu minutiös geplantem Drehbuch folgte.

Es gebe nach wie vor das geläufige Bild, dass die österreichische Demokratie aufgrund unüberwindbarer Gegensätze geendet habe, erklärte Co-Kurator Werner Michael Schwarz am Montag in einem Pressegespräch. "Es wird oft übersehen, dass sie ganz bewusst und gezielt zerstört wurde." Die einzelnen Akte dieser Zertrümmerung innerhalb von lediglich zehn Monaten will die gemeinsam mit dem Wien Museum konzipierte und räumlich sehr überschaubare Ausstellung, zu der auch eine über 300-seitige Publikation mit gut 50 Beiträgen erschienen ist, mittels eines chronologischen Stationen-Parcours aufzeigen.

So kam es nach der Auflösung des Parlaments schrittweise zur Aushebelung oder Abschaffung wesentlicher Einrichtungen eines demokratischen Rechtsstaats. Der Bogen reicht von der Wiedereinführung der Zensur und Einschränkungen des Versammlungsrechts über das Verbot von Parteien und Wahlen, der bereits erwähnten Lahmlegung des VfGH und Angriffen auf den Sozialstaat und das "Rote Wien" bis zur Wiedereinführung der Todesstrafe, Verhaftungswellen von Oppositionellen und schließlich Waffengewalt im Februar 1934.

Neben all den "juristischen und politischen Tricks" (Schwarz) rückt die mit zahlreichen Dokumenten, Fotos, Plakat-Faksimiles und Zeitungsausrissen unterfütterte Ausstellung auch die zentralen Proponenten dieses "Playbook des Austrofaschismus" ins Zentrum. Denn schließlich wolle man nicht nur zeigen, wie die Demokratie zerstört wurde, sondern auch durch wen. Ergänzt wird die Chronologie mit Positionen und Schicksalen von Betroffenen.

Was in der Ausstellung - wohl aufgrund des Platzmangels - zu kurz kommt, kann man im Begleitband nachlesen. Mitherausgeber Alfred Pfoser ging beim Pressetermin etwa auf die Rahmenbedingungen in der Ersten Republik ein. Österreich war einerseits in einer ökonomischen Krise, wodurch sich die Frage gestellt habe: "Auf wessen Kosten saniere ich?". Andererseits habe den Christlich-Sozialen sowohl durch das Erstarken der Sozialdemokratie als auch der Nationalsozialisten ein Machtverlust gedroht: "Die Regierung Dollfuß war die letzte Chance, die Machtstellung zu erhalten." Aufgezeigt wird außerdem, wie sehr es dem Regime gelungen sei, die Kultur - ein "Atout" des grundsätzlich kleinen und finanziell schwachen Österreichs - auf Linie zu bringen.

Ganz so linear verlief der Weg in einen autoritären Staat faschistischen Zuschnitts freilich nicht. Denn vor dem Hintergrund der Zuspitzung gab es laut Co-Kurator Bernhard Hachleitner auch innerhalb der Regierung Zweifel an der Richtigkeit der Entwicklungen. Hier hätte es durchaus noch einen Wendepunkt geben können.

Die Ausstellung will freilich auch ein Lehrstück mit Aktualitätsbezug sein. "Wir erleben derzeit in Europa, auch in Österreich einzelne Akte, die auf eine Zerstörung der Demokratie hinweisen", warnte Anita Eichinger, Direktorin der Wienbibliothek. Eine Lehre, die man aus der Schau mitnehmen kann: Die Zersetzung der Demokratie beginnt nicht mit großen Paukenschlägen oder gar Waffen, sondern mit scheibchenweise durchgesetzten bürokratischen Verordnungen, die recht harmlos daherkommen, aber in Summe fatale Wirkung haben können.

(S E R V I C E - "Die Zerstörung der Demokratie - Österreich, März 1933 bis Februar 1934" in der Wienbibliothek im Rathaus, Ausstellungskabinett; Ab Dienstag und bis 16. Februar 2024, Eintritt frei; Ausstellungskatalog 328 S., 35 Euro; www.wienbibliothek.at)

ribbon Zusammenfassung
  • "Wir erleben derzeit in Europa, auch in Österreich einzelne Akte, die auf eine Zerstörung der Demokratie hinweisen", warnte Anita Eichinger, Direktorin der Wienbibliothek.