Stadionkonzerte: Abschöpfungsstrategie, Effizienz oder Hype?
"Wenn die Superstars früher etwa in 30 Städten je ein Konzert gegeben haben, treten sie jetzt in 15 Städten zweimal auf. Damit reduzieren sich Fußabdruck und Kosten", erläutert Tatar, Geschäftsführer von Barracuda-Music, ein Tochterunternehmen von CTS Eventim, und Nova-Rock-Intendant im APA-Gespräch. "Mit geringerem Aufwand das Maximum herauszuholen", bezeichnet dagegen Peter Tschmuck, Musikwirtschaftsforscher an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, diese Vorgangsweise.
Speziell Live Nation habe erkannt, "dass noch mehr Geld zu verdienen ist, wenn geblockte Stadionkonzerte angeboten werden", so Tschmuck. "Das ist natürlich mit geringeren Kosten verbunden. Und es ist die Nachfrage da. Nach der Lockdownkatastrophe sind die Fans ausgehungert, deswegen funktioniert diese Abschöpfungsstrategie ganz gut." Für Lieberberg, CEO Live Nation GSA (Germany, Switzerland, Austria, Anm.), ist das "eine absurde Theorie, die völlig an der Realität vorbeigeht. Ohne eine überragende Nachfrage wären derartige Ansetzungen überhaupt nicht möglich." Der 77-Jährige wies außerdem darauf hin, dass nicht nur Live Nation Großkonzerte mit mehreren Terminen in einer Stadt veranstaltet.
Mehrmals in einer Stadt aufzutreten, habe nichts mit einem Trend zu tun, betont Lieberberg. "Es handelt sich hierbei um Ausnahmekünstler, deren reale Popularität sich in mehreren Konzerten an einem Spielort spiegelt. Coldplay ist die erfolgreichste Band der Gegenwart. Für das Wiener Konzert gab es mehr als 600.000 Ticketanfragen, von denen noch nicht einmal 50 Prozent erfüllt werden konnten." Unerfüllt blieb auch der Wunsch nach einem Zusatztermin von Harry Styles, der heuer "nur" einmal im ausverkauften Praterstadion gastierte. "Für Styles war es der erste Open-Air-Zyklus", so Lieberberg, "und der Künstler wollte in möglichst vielen Ländern auftreten. Der Interpret und sein Management entscheiden letztlich über Veranstaltungsorte und Anzahl der Konzerte."
Ein Dauerthema sind die Ticketpreise. "Man muss genau schauen, wo man die Karte erwirbt", rät Tschmuck. "Direkt an der Quelle ist sie halbwegs günstig, aber es gibt mittlerweile einen starken Sekundärmarkt." Früher habe man das Schwarzmarkt genannt, jetzt sei es ein legalisierter Sekundärmarkt, "wo Onlineplattformen Kontingente aufkaufen oder sogar übertragen bekommen", hält der Uniprofessor fest. "Die können dann die Zahlungsbereitschaft der Leute entsprechend ausnutzen." Stress beim Ticketkauf über offizielle Stellen ergebe sich durch diese "künstliche Verknappung" der Kontingente. Live Nation vertreibe all seine Tickets "ausschließlich zum Originalpreis über die offiziellen Ticketanbieter", kontert Lieberberg: "Es werden grundsätzlich keine Eintrittskarten für den Sekundärmarkt bereitgestellt."
Zu Kritik an der Höhe der Kartenpreise sagt Lieberberg: "Wenn man vergleicht, was andere Spitzenereignisse in Sport oder Kultur kosten, ist die Hervorhebung der Ticketpreise für Topkonzerte reine Heuchelei. Außerdem sind die Kosten für die komplexen Konzertanforderungen nach Corona um mehr als 50 Prozent gestiegen, ganz abgesehen von der allgemeinen Inflation." Tschmuck sieht hier auch gar nicht die Veranstalter als grundsätzlich in der Verantwortung: "Letztendlich sind es die Künstlerinnen und Künstler, die auch eine Rolle spielen und einen Einfluss haben. Die könnten durchaus hinterfragen, ob die Tickets so teuer sein müssen. Sie könnten etwa weniger Garantiesummen einfordern."
Tatar, der Swift nach Wien holt, unterstreicht Wiens Rolle als "das Tor zum Osten". "Wir sind die süd-östlichste Station ihrer Tournee." Daher rechnet man von einem entsprechenden Publikumsandrang aus diesem Raum. "Wien ist ein beliebter und attraktiver Spielort. Die österreichische Hauptstadt verbindet Geschichte und Moderne, was viele Künstler fasziniert. Und hat darüber hinaus ein enthusiastisches Publikum", streut Lieberberg Rosen. Tschmuck wiederum wies auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hin: "Früher sind die Stars in Moskau aufgetreten, dieser Markt ist jetzt weggefallen. Man sucht sich einen sicheren Ersatz, Wien scheint davon zu profitieren."
Zusammenfassung
- Speziell Live Nation habe erkannt, "dass noch mehr Geld zu verdienen ist, wenn geblockte Stadionkonzerte angeboten werden", so Tschmuck.
- Der 77-Jährige wies außerdem darauf hin, dass nicht nur Live Nation Großkonzerte mit mehreren Terminen in einer Stadt veranstaltet.
- Mehrmals in einer Stadt aufzutreten, habe nichts mit einem Trend zu tun, betont Lieberberg.
- Tatar, der Swift nach Wien holt, unterstreicht Wiens Rolle als "das Tor zum Osten".