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"Sommer auf drei Rädern"-Regisseur über Komödien und Humor

In seinem Roadmovie "Sommer auf drei Rädern" führt der deutsche Regisseur Marc Schlegel einen Rollstuhlfahrer, eine Drogendealerin und einen schüchternen jungen Mann als Vertreter marginalisierter Gruppen zusammen und schickt sie wortwörtlich auf eine Heldenreise von Stuttgart an den Bodensee. Mit der APA sprach der ehemalige Student der Filmakademie Wien über Findungsphasen, Einsamkeit, die Freiheit des Komödiengenres und den Umgang mit Personen abseits des Mainstreams.

APA: Die Außenseiter im Film pflegen untereinander einen unsanften Umgang. Weshalb haben Sie diesen Ansatz gewählt, um Menschen abseits des Mainstreams zu porträtieren?

Marc Schlegel: Das war vielleicht gar keine bewusste Entscheidung. Viel eher müssen die Figuren aus dramaturgischen Gesichtspunkten aufeinanderclashen. Jede Figur steht für eigene Aspekte von Außenseitertum. Mir war es wichtig, bei dem Film zu zeigen, wie die Underdogs auf dieser Reise über sich hinauswachsen müssen und in gewisser Weise eine Reise zu sich selbst unternehmen. Dem wollte ich so viel Reibung wie möglich entgegensetzen. Diese Reibungen braucht es in der Figurenkonstellation, um die Figuren aus sich herauskommen zu lassen.

APA: Steckt eventuell ein Appell an den Zuseher in diesem Ansatz?

Schlegel: Appell ist ein großes Wort, aber mir war es schon wichtig, Figuren zu haben, mit denen man sich irgendwie identifiziert, auch wenn man nicht absolut im hippen Mainstream steht. Gerade im Alter, in dem unsere Figuren sind - 18, 19 Jahre -, wo man in einer Findungsphase ist, war es mir wichtig zu zeigen: Hey, es kann auch besser werden! Man kann Dinge überwinden und Anschluss finden. Es muss nicht so bleiben.

APA: Warum haben Sie Queerness und Homosexualität ausgespart? War das eine bewusste Entscheidung, diese marginalisierte Gruppe nicht zu porträtieren?

Schlegel: Nein. Es geht auch nicht darum, jede marginalisierte Gruppe abzubilden, das kann ein Roadmovie und Komödienfilm auch gar nicht bewerkstelligen.

APA: Das Thema Einsamkeit ist in ihrer Komödie eindeutig von Bedeutung - so auch in ihrem Kinodebüt "Schmidts Katze". Welche Rolle spielt das Thema Isoliertheit in Ihren Augen in unserer heutigen Gesellschaft?

Schlegel: Ich glaube, Einsamkeit ist ein zunehmendes Problem. Und zwar gar nicht, weil wir weniger Anschluss haben oder weniger kommuniziert wird. Sondern die Qualität der Kommunikation lässt extrem nach, wodurch eine Art der Vereinsamung entsteht, die durch die Coronakrise noch mal einen Motor erfahren hat. Ich will auch gar nicht bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Es ist einfach eine Beobachtung. Wie man als Gesellschaft damit umgeht, dafür habe ich auch keine Lösung.

APA: Das Thema anzusprechen, ist auf jeden Fall ein erster Schritt.

Schlegel: Genau! "Sommer auf drei Rädern" hat eine Message, ist aber gleichzeitig kein Problemfilm. Er ist im Vordergrund eine Komödie, die Spaß machen soll.

APA: Weshalb verwenden Sie das Genre der Komödie gerne für die Auseinandersetzung mit solchen ernsten Themen?

Schlegel: Weil die Komödie die größte Freiheit bietet, Themen zu bearbeiten. Die Komödie muss sich zwar ernst nehmen, aber das Thema nicht in der Ernsthaftigkeit behandeln wie es Dokumentarfilm oder Drama machen müssten. Was in der Komödie auch immer sehr schön ist: Man kann die Figuren in tiefe Täler schicken und mit Fallhöhen arbeiten. Dadurch entsteht Humor.

APA: Sie haben es in diesem Fall gewagt eine heikle Thematik rund um Diskriminierung mit einem humorvollen Zugang darzustellen. Hatten Sie Sorge, die Zusehenden könnten es als Diskriminierung verstehen, wenn Witze auf Kosten der Hauptfiguren gemacht werden?

Schlegel: Nein. Die Figur bei der man dennoch am sensibelsten sein muss, ist die Figur des Philipp, der im Rollstuhl sitzt. Da war unser Zugang, dass wir diese Rolle nicht mit irgendeinem Schauspieler besetzen, der diese Erfahrung noch nie gemacht hat. Wir haben intensiv gecastet. Dass wir Daniel Rodic gefunden haben, war ein großer Glücksfall. Er hat einige Jahre vor dem Film einen sehr schweren Motorradunfall gehabt und war schwerst gehbehindert, saß monatelang im Rollstuhl und war während der Dreharbeiten gerade einmal in der Lage, mit Krücken zu stehen. Dadurch ist das nicht gespielt. Sehr viel von Daniel ist in der Rolle von Philipp mit drin. Uns war es total wichtig, dass er diese Sensibilität für das Thema mitbringt. Daniel war auch unsere Guideline, mit der wir erkannt haben, wann wir unauthentisch werden.

APA: Inwiefern waren marginalisierte Gruppen auch abseits des Casts am Set vertreten?

Schlegel: Der Film ist in einer Debütfilmreihe entstanden, wir hatten deutlich weniger Geld als ein normaler Fernsehfilm. Wir mussten dadurch viel auf ein Team zurückgreifen, mit dem wir befreundet waren und das für weniger Geld mitgemacht hat. Dieser Aspekt stand mehr im Vordergrund bei der Suche nach unserem Team.

APA: Wäre das Thema möglicherweise auch für eine größere Leinwand geeignet gewesen?

Schlegel: Absolut. Wir hätten den Film tatsächlich gerne im Kino ausgewertet. Das war uns leider nicht möglich.

(Das Gespräch führte Selina Teichmann/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • In 'Sommer auf drei Rädern' führt Regisseur Marc Schlegel Außenseiterfiguren zusammen, die auf einer Reise von Stuttgart an den Bodensee über sich hinauswachsen.
  • Schlegel nutzt das Komödiengenre, um Themen wie Einsamkeit und Selbstfindung auf humorvolle Weise zu erkunden, wobei der Humor hilft, die Charaktere herauszufordern.
  • Einsamkeit wird als zunehmendes gesellschaftliches Problem beschrieben, das durch nachlassende Kommunikationsqualität verstärkt wird.
  • Daniel Rodic, der im Film einen Rollstuhlfahrer spielt, bringt persönliche Erfahrung ein, was der Rolle Authentizität verleiht.
  • Obwohl der Film ideal für das Kino gewesen wäre, ließen Budgetbeschränkungen nur eine kleinere Produktion zu.