APA/Monika Löff

Schüler forschen im Wirtshauslabor an Lokalen der Zukunft

Am 17. Jänner eröffnet im früheren Bahnhofsrestaurant "Chlumetzky" in Bad Ischl das "Genusslabor", in Gmunden wird heuer jeweils an einem Wochenende im Monat im einstigen "Rosenkranz-Gasthaus" aufgetischt. Beides sind Projekte der "Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl - Salzkammergut 2024" (SKG 2024), die unter dem Oberbegriff "Wirtshauslabor" mit innovativen Ideen jene Kultur wiederbeleben wollen. In beiden Laboren entwickelten und servieren Schüler ihr Restaurant von morgen.

Zum ersten Mal wurde mit dem Salzkammergut einer inneralpine Region zur Europäischen Kulturhauptstadt auserkoren. Für SKG 2024-Intendantin Elisabeth Schweeger geht es darum, den ländlichen Raum als "Zukunftsraum" und als "Möglichkeitsraum" zu begreifen. Nur so würden jungen Leuten Perspektiven geboten zu bleiben und "nicht davonzulaufen", wie sie in einem APA-Interview Mitte Dezember erklärte.

Das "Genusslabor" mit 30 bis 50 Öffnungstagen ist ein Anlauf zum Bleiben. Koch und Gastronom Christoph "Krauli" Held, der in seinem "Siriuskogl" in Bad Ischl unkonventionell kocht und dafür heuer eine Gault-Millau-Haube erhielt, übernahm nach der siebenten Anfrage die Betreuung. Mittlerweile sei er "heilfroh, dass ich es gemacht habe, es ist mein Lieblingsprojekt", so der 38-jährige Umtriebige.

Vor mehr als einem Jahr erhielten die Schüler von ihm ein weißes Blatt Papier mit dem Auftrag: "Wie soll ein Wirtshaus in zehn Jahren aussehen." Seitdem waren die Schüler neben dem regulären Unterricht damit beschäftigt, etwas auf die Beine zu stellen, "mit allen Voraussetzungen, damit die Gastronomie wieder überlebensfähig ist", so Krauli, der seine Rolle dabei als "Linienrichter" beschreibt, im Gespräch mit der APA. Er schaue, dass er sich so wenig wie möglich einmische. Wenn Fragen auftauchen, gebe er schon eine Expertise ab, aber es sei "ganz, ganz wichtig, dass die Jugendlichen selber ihren Weg gehen".

Kollege Jochen Neustifter von "Jo's Restaurant und Partyservice" in Vorchdorf sieht seine Rolle eher als Teamspieler. Er und 32 "schwer motivierte" Schüler von zwei HLW-Klassen in Vöcklabruck hauchen dem seit Jahrzehnten geschlossenen "Gasthaus zum Rosenkranz" in Gmunden neues Leben ein. In den Schulstunden wurde über das Jahr kalkuliert, es wurden Logos und Internet-Auftritte entwickelt, nach Weihnachten beginne man mit der inhaltlichen Umsetzung. Jedes offene Wochenende stehe unter einem bestimmten Thema, das zeitlich auch zur Region passe. Anfangen werde man am Liebstatt-Wochenende mit einem Candle-Light-Dinner Anfang März, über Maibock, Mostschank im Juni und Herbstbratl, umreißt er die Schwerpunkte in den verschiedenen Monaten.

Gasthausentwicklung sei für ihn schon immer ein Thema gewesen, weshalb ihn das Arbeiten mit dem Nachwuchs interessiere. In einem Punkt habe er den Eindruck, dass die Jungen durchaus konservativ sind. Sie definieren das Wirtshaus als einen Ort, an dem man zusammen sitzt, als Treffpunkt.

Auf der anderen Seite seien Themen wie Nachhaltigkeit für die Jugendlichen eine Selbstverständlichkeit, merkten sowohl Neustifter als auch Krauli schnell. "Denen muss man nicht mehr erklären, was wichtig ist. Regional, saisonal und plastikfrei, darüber hat es keine großen Diskussionen gegeben." Die 18 Schüler aus der Tourismusschule Bad Ischl hätten verstanden, wo anzusetzen ist, wo die Zukunft ist, beschreibt Krauli sein Gefühl. Gleichzeitig seien sie so unbefangen, er findet es "spannend", wie sie den Bogen zwischen Tradition und Moderne spannen. Das zeige sich an der Speisekarte, auf der etwa für die Eröffnungstage eine Rindssuppe mit Frittaten "zerrissen" und "eingeschmissen" stehe. Als Hauptgang wartet Pink Pasta mit gerösteten Kürbiskernen, Kräuter und Spinat. Wer es fleischiger will, der bekomme ein "Sau-Guade" Backerl, ein Schweinebäckchen mit Pastinakenpüree, Speckbohnen an Rotweinjus. Als Dessert wird u.a. eine Creme Brulle "a la Genusslabor" serviert.

Grundsätzlich dürfe in einem Labor aber auch einmal etwas schiefgehen, das liege in der Natur von Experimenten, gibt er zu Bedenken. Erfolgsgeschichten würden auch Rückschläge beinhalten, man müsse an Sachen tüfteln. Eine "Allergie" habe der Gastronom aus Bad Ischl gegen das Wort Businessplan, was man brauche sei "Hausverstand", der in der Branche verloren gegangen sei.

Denn die Branche sei "am Nullpunkt" und dies habe sie eigentlich zu 90 Prozent selbst verschuldet, geht der Wirt mit seinem Berufsstand hart ins Gericht: "Wir haben jahrelang Ausbeutung betrieben - der Kellnernettolohn liegt bei 1.450 Euro für 40 Wochenstunden. Und wir haben großteils einen nicht qualitativen Job geliefert." Als Beispiel führt Krauli seine Region an. "Wir haben leider vor Jahren schon auf Massentourismus umgestellt", schildert er. Jede Woche würden große Mengen Convenience-Produkte ins Salzkammergut geliefert, weiß er, dass er sich mit dieser Ansage "keine Freunde macht".

Vor 16 Jahren als er sich mit knapp 22 Jahren selbstständig gemacht habe, waren in der Tourismusschule Bad Ischl 1.400 Schüler und jetzt seien es 260, von denen die Hälfte ins Ausland gehe, weil der Nachwuchs etwas lernen wolle. Und die andere Hälfte "stopft die ganzen Personallöcher", werde im Sommer in den Praktika "ausgebeutet", müsste täglich "zwischen zwölf und 14 Stunden" arbeiten. Wenn diese Jugendlichen dann in die Schule zurückkommen, würden sie sagen, "ich bleibe sicher nicht in der Gastroszene", berichtet er von seinen Erlebnissen. Im Salzkammergut wären inzwischen ein Drittel der Gastronomiebetriebe geschlossen.

Auch wenn Krauli etwas "radikal" formuliere, spricht Neustifter ebenfalls von einer eingefahrenen Situation. Nach Corona habe sich gezeigt, dass sich die klassische Gastronomie wie Familienbetriebe sehr schwer tue. Konkret nennt er die seitdem geforderte Flexibilität, das Thema Wirtshaussterben sei jedenfalls "brandaktuell". Und das Salzkammergut sei jetzt nicht gerade das Paradebeispiel dafür, sich Neuem zu öffnen. Dies zeige sich jetzt auch wieder beim Thema SKG 2024. "Da tun wir zwar so, dass wir weltoffen sind, wenn es aber ans Eingemachte geht, dann ist so manchem die Lederhose und das Dirndl am liebsten."

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  • Am 17. Jänner eröffnet im früheren Bahnhofsrestaurant "Chlumetzky" in Bad Ischl das "Genusslabor", in Gmunden wird heuer jeweils an einem Wochenende im Monat im einstigen "Rosenkranz-Gasthaus" aufgetischt. Beides sind Projekte der "Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl - Salzkammergut 2024" (SKG 2024), die unter dem Oberbegriff "Wirtshauslabor" mit innovativen Ideen jene Kultur wiederbeleben wollen. In beiden Laboren entwickelten und servieren Schüler ihr Restaurant von morgen.