"Reigen"-Neuschreibung in Salzburg im Geiste Schnitzlers
Das im Fin de Siècle entstandene Bühnenwerk führte nach der von Schnitzler autorisierten Uraufführung 1920 zu einem der größten Theaterskandale des vorigen Jahrhunderts. Für die Aufführung in Salzburg bildet es den Rahmen, denn die Geschichte wird neu erzählt. Die Festspiele haben zehn Autorinnen und Autoren eingeladen, je eine der zehn Szenen neu zu schreiben, wobei sich diese die Szenen nicht selbst aussuchen konnten. Was blieb also von Schnitzler? "Wir haben viel vom Geist Schnitzlers aufgesaugt, aber wir haben auch andere Aspekte berücksichtigt, es fand auch das Andere Eingang." Auch komme in den neuen zehn Szenen der Humor nicht zu kurz. Und einen Unterschied nannte Ross augenzwinkernd noch: "In Schnitzlers Text finden sich immer dann nur mehrere Punkte, wenn es um gewisse körperliche Begegnungen geht, in den Texten, die ich zurückbekommen habe, sind keine Punkte mehr."
Das Muster eines Reigens, eines Ringelspiels bleibe erhalten, allerdings würde jetzt nicht immer genau ein Paar auf der Bühne stehen, es könnten auch drei, fünf oder alle tanzen, es komme in dem Reigen auch zum Partnerwechsel, sodass sich das Publikum letztlich frage, weshalb etwa dieses Paar in der Mitte oder am Rand stehe. "Das Publikum bekommt die Möglichkeit, ganz individuell zu interpretieren", sagte die in Moskau geborene und in Lettland aufgewachsene "Kulturnomadin", wie sie sich selbst bezeichnet.
"Ursprünglich geplant war der 'Reigen' schon für 2021, doch während des Schreibens hat sich die Welt geändert", sagte Ross. Und eine Szene wurde daher neu geschrieben, nämlich jene des russischen Autors Mikhail Durnenkov, der bei Kriegsausbruch ins Exil nach Finnland geflüchtet ist und schon 2014 wegen seiner Kritik an der Annexion der Krim verfolgt worden war. "Ich habe ihn gefragt, ob das noch sinnvoll ist, was er vor einem Jahr geschrieben hat", so die Regisseurin. Es gehe in der Szene um eine Beziehung zwischen einem älteren Herrn und einer jungen Frau, die sich für eine Affäre in einem Hotelzimmer treffen.
Ross wurde heute auch auf ihre Kritik am - inzwischen beendeten - Sponsoring von Solway für die Salzburger Festspiele angesprochen. Sie und der Schweizer Autor Lukas Bärfuss hatten von den Festspielen eine Reaktion eingefordert. "Wir haben uns die Sponsoren angesehen und gesagt, wo es ein Problem für uns gibt. Und wir haben auf eine Antwort gewartet, und die ist gekommen." Und sie freue sich, als Regisseurin gehört und unterstützt worden zu sein. Auf die Frage, ob sie ohne Reaktion der Festspiele von ihrer Regie-Arbeit zurückgetreten wäre, sagte Ross, sie könne das nicht mit Ja oder Nein beantworten, aber eine Reaktion hätte es auf jeden Fall gegeben. Schauspiel-Chefin Bettina Hering fügte in diesem Zusammenhang an, dass die Festspiele sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Solway reagiert und vom Konzern eine Klarstellung eingefordert hätten, also schon vor der Kritik von Ross und Bärfuss.
Eine Änderung gibt es indes in dem die Produktion begleitenden Programm der Schauspiel-Recherchen: Nachdem nun doch nicht alle der zehn beteiligten Autorinnen und Autoren dabei sein werden, wird die zweite, für 30. Juli, 17 Uhr, geplant gewesene, Veranstaltung, gestrichen. Bei der Schauspiel-Recherche am 29. Juli um 17 Uhr sind nun Mikhail Durnenkov, Hengameh Yaghoobifarah, Leif Randt sowie Sofi Oksanen über ein Videostatement vertreten, bei jener am 30. Juli um 20 Uhr sind Lukas Bärfuss, Lydia Haider, Sharon Dodua Otoo sowie Leïla Slimani per Videostatement dabei. In Kurzlesungen sowie je einer Diskussionsrunde soll zu den Themen der Neuinterpretation Stellung genommen werden, heißt es.
(S E R V I C E - "Reigen" nach Arthur Schnitzler, Neufassung der zehn Dialoge von Lydia Haider, Sofi Oksanen, Leïla Slimani, Sharon Dodua Otoo, Leif Randt, Mikhail Durnenkov, Hengameh Yaghoobifarah, Kata Wéber, Jonas Hassen Khemiri und Lukas Bärfuss. Regie: Yana Ross. Mit Sibylle Canonica, Urs Peter Halter, Tabita Johannes, Michael Neuenschwander, Matthias Neukirch, Lena Schwarz, Yodit Tarikwa, Inga Mashkarina, Valentin Novopolskij, Vladimir Serov. Uraufführung am 28. Juli in der Szene Salzburg, Weitere Vorstellungen: 31.7., 3., 5., 6., 8., 9., 11.8., Salzburger Festspiele, www.salzburgerfestspiele.at)
Zusammenfassung
- Die Tabus, also das, worüber man nicht spricht: Genau das will die Regisseurin Yana Ross im "Reigen" nach Arthur Schnitzler herausarbeiten, der am Donnerstag kommender Woche (28.7.) bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wird.
- Auch komme in den neuen zehn Szenen der Humor nicht zu kurz.
- Ross wurde heute auch auf ihre Kritik am - inzwischen beendeten - Sponsoring von Solway für die Salzburger Festspiele angesprochen.