Punklegende Iggy Pop ließ das Wiener Konzerthaus erzittern
Nach einem atmosphärisch dicht angelegten Intro, das vorwiegend von Gitarristin Sarah Lipstate bestritten wurde, dauerte es beim anschließenden "Five Foot One" keine zwei Minuten, um die Besucher von ihren Sitzen zu reißen. Ein bestuhltes Konzert von Iggy Pop? Kann man versuchen, wird aber nicht klappen - weder mit Fans der ersten Stunde (sprich: der Stooges), noch mit den jüngeren Gesichtern in der Fangemeinde. Folglich drängten sich die Körper dicht vor der Bühne, auf der wiederum ein anderer Körper zu seinen Verrenkungen ansetzte.
Man kennt es mittlerweile: Iggy Pop hält nicht viel von Oberbekleidung, weshalb sein locker sitzendes Sakko früh abgelegt wurde. Stört ja auch nur, so ein Stofffetzen, wenn sich das ihn umgebende Septett durch Kracher wie "Gimme Danger" oder "Death Trip" spielt, während der Meister selbst den Mikrofonständer durch die Luft schmeißt, mit einer ungekannten Selbstverständlichkeit auf den Konzerthaus-Boden rotzt oder zu einem "Fuck Yeah!" ansetzt. Und von diesen Nebensächlichkeiten mal abgesehen, war Pop ungemein gut bei Stimme.
Was schon ein klein wenig verwundert, führt man sich die Karriere des als James Newell Osterberg geborenen Sängers vor Augen. Als Kind von Traurigkeit war er schließlich nicht bekannt, was letztlich auch ein Blick auf seine heutige Erscheinung nahelegt. Trotzdem: Diese Energie und Spielfreude müssen ihm jüngere Kollegen erst mal nachmachen. Mit Klassikern wie "Lust for Life" und "Passenger", die im ersten Drittel direkt hintereinander geboten wurden, ist es aber auch ein Leichtes, das Publikum auf seine Seite zu ziehen.
Aber auch das jüngst erschienene Material sollte keineswegs verschmäht werden. Immerhin ist "Free" auch ein Mitgrund für die aktuell so topbesetzte Liveband von Iggy Pop, bei der allen voran Songschreiber und Trompeter Leron Thomas die Zügel in der Hand hat. Somit treffen Punkattitüde auf jazzige Freigeistigkeit. Aber wer Pop kennt, den dürfte so eine Mischung nicht verwundern. Auch ein Song wie "Mass Production", der nicht weniger als 45 Jahre am Buckel hat, führt Wut und Anspruch gekonnt zusammen.
Die "Leute of Wien", wie Pop die jubelnde Masse einmal ansprach, hatten jedenfalls viel zu verarbeiten in diesen atemlosen 90 Minuten, die zu einem einzigen Triumphzug wurden. Hypnotische Grooves in "James Bond", souliger Gesang und giftiges Gekreische in "I'm Sick of You" oder das stets verrückte "Fun House" waren Garanten dafür, dass so ziemlich jede Seite des "Godfather of Punk" zur Geltung kam. Für all das ließ er sich - zu recht - ausgiebig bejubeln. So heftig gezittert haben die Mauern des Konzerthauses sicher schon länger nicht mehr.
(S E R V I C E - https://iggypop.com)
Zusammenfassung
- Selbst wenn das jüngste Album der US-amerikanischen Musiklegende, das 2019 erschienene "Free", auch mit ruhigeren Tönen aufwartet, so lebt der heuer 75 Jahre alt gewordene Sänger den Punkrock noch immer mit jeder Faser.
- Freitagabend konnte man sich im Wiener Konzerthaus davon überzeugen, spielte Pop doch einen Gig, der keine Fanwünsche offen ließ.
- Somit treffen Punkattitüde auf jazzige Freigeistigkeit.