APA/APA (AFP/GETTY)/MIKE COPPOLA

Prog-Rocker Yes voller Tatendrang

Über 50 Jahre nach ihrem Debütalbum ist für Yes kein Ende abzusehen. Im Gegenteil. Nicht mal zwei Jahre nach dem hervorragenden "The Quest" veröffentlicht die einflussreiche Progressive-Rock-Band um Gitarrist Steve Howe schon das nächste Studioalbum: "Mirror To The Sky" ist ihr 23. Und obwohl sich die Besetzung von Yes so oft verändert hat, klingt es unverkennbar nach der ikonischen Gruppe, die für Geniestreiche wie "And You And I" oder "I've Seen All Good People" steht.

"Die Band hat eine Geschichte, die alle kennen, und die Mitglieder der Gruppe sind stolz, Teil dieser Geschichte zu sein", sagt Bandleader Steve Howe (76) gut gelaunt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. "Es gibt keine einzelne wichtige Zutat", sagt er auf die Frage nach einem Rezept für den unverwechselbaren Yes-Sound. "Jeder in der Band hat irgendwas eingebracht, und jetzt bringen wir neue Dinge in die Band ein", sagt er. "Was Anderes können wir gar nicht." Dass Sänger Jon Davison fast wie Ur-Frontmann Jon Anderson klingt, ist sicherlich ein Vorteil.

Die Arbeit an "Mirror To The Sky" begann direkt, nachdem die Band "The Quest" fertiggestellt hatte. Bei den Briten, die aus versicherungstechnischen Gründen ihre diesjährige Europatournee absagen mussten und die Fans auf 2024 vertrösten, herrscht seit einigen Jahren Tatendrang. Das aktuelle Album bezeichnet Howe als besonders wichtig, weil seine Band mit "The Quest" neuen Schwung bekommen habe. Es war das erste Album, auf dem Howe - wie auch jetzt - als alleiniger Produzent verantwortlich zeichnete.

Ein Yes-Album entwickelt sich organisch. Für den Prog-Veteranen Howe stehen nicht einzelne Songs im Fokus, sondern das Gesamtwerk. "Ich sehe immer das Album", sagt er. "Es muss also eine Form geben, eine Kurve. Es muss Kontinuität haben - mit Höhen und Tiefen. Die müssen zur richtigen Zeit kommen, um es interessant zu machen. Man will nicht erst alle Tiefen und dann alle Höhen."

"Mirror To The Sky" beginnt mit dem psychedelisch angehauchten Uptempo-Song "Cut From The Stars", der noch relativ gradlinig ist. "All Connected" und "Luminosity" hingegen zeigen über jeweils neun Minuten die volle progressive Bandbreite der Briten. Der epische Titelsong mit orchestralen Passagen hat die stattliche Länge von fast 15 Minuten. Qualitativ knüpfen Yes mit ihrer neuen LP direkt an den Vorgänger an.

Von der Besetzung, die vor unglaublichen 54 Jahren das erste Album "Yes" einspielte, ist inzwischen niemand mehr dabei. Selbst Howe, der die Band in den 80er-Jahren und Anfang der 90er zwischenzeitlich verließ, war damals noch nicht dabei. Er kam 1970 dazu. Vor einem Jahr starb der langjährige Yes-Schlagzeuger Alan White, der seit 1973 und dem Album "Tales From Topographic Oceans" zur Band gehörte.

Whites Nachfolger ist Jay Schellen, von dem sich White zuvor schon aus gesundheitlichen Gründen vertreten ließ. Zuletzt teilten sich die beiden den Schlagzeug-Job bei Yes-Konzerten. "Wir waren bereits daran gewöhnt, dass Jay und Alan sich abgewechselt haben", erzählt Howe. "Und es war dann immer mehr so, dass Alan nur noch am Ende die Zugaben gespielt hat. Jay war immer großartig und hat uns in dieser schweren Zeit sehr geholfen." Nun ist Schellen festes Mitglied.

Beim auf Progressive Rock spezialisierten deutschen Label InsideOut Music haben Yes, die von Keyboard-Ikone Geoff Downes und Bassist Billy Sherwood komplettiert werden, laut Howe eine Heimat gefunden, die ihrer Kreativität und ihrer Produktivität zuträglich ist. "Wir sind Songwriter und wir schreiben Musik", erklärt Steve Howe seine Motivation, mit 76 so aktiv wie eh und je zu sein. Damit, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre das 24. Yes-Album folgt, ist allerdings nicht unbedingt zu rechnen. "Ich kann nichts vorhersagen, wir haben keine Kristallkugel", scherzt Steve Howe. "Aber wir werden die Dinge weiter vorantreiben und sehen, wohin das führt. Wir sind nicht in Eile."

(Das Gespräch führte Philip Dethlefs/dpa)

(S E R V I C E - www.yesworld.com)

ribbon Zusammenfassung
  • Über 50 Jahre nach ihrem Debütalbum ist für Yes kein Ende abzusehen.
  • Das aktuelle Album bezeichnet Howe als besonders wichtig, weil seine Band mit "The Quest" neuen Schwung bekommen habe.
  • Für den Prog-Veteranen Howe stehen nicht einzelne Songs im Fokus, sondern das Gesamtwerk.
  • Vor einem Jahr starb der langjährige Yes-Schlagzeuger Alan White, der seit 1973 und dem Album "Tales From Topographic Oceans" zur Band gehörte.