Nitsch-Symphonie begeisterte im Wiener Musikverein
Das anlässlich von Nitsch' 85. Geburtstag veranstaltete Konzert bemühte sich im ersten Teil um eine Kontextualisierung seines musikalischen Schaffens: Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter Leitung von Patrick Hahn spielte zunächst Werke von spätromantisch-avantgardistischen Komponisten, die den Aktionisten beeindruckt und beeinflusst hatten, aufgeführt wurden Orchester op. 6 von Anton Webern, Richard Wagner Vorspiele zu "Tristan und Isolde" von sowie Alexander Skrjabins "Le Poème de l'Extase". Nahezu wehmütig erinnerte Musikjournalist Albert Hosp in Erläuterungen an die turbulenten Umstände der Uraufführung der Webern-Stücke, bei der es 1913 im Musikverein zu Ausschreitungen gekommen war.
Im zweiten Teil gab das niederösterreichische Orchester eine von zwei Stunden auf 40 Minuten verkürzte Fassung der 9. Symphonie des Aktionskünstlers, die 2009 im ihm gewidmeten Museum in Mistelbach uraufgeführt worden war. An Proteste à la 1913 war am Dienstag freilich mehr nicht zu denken, obwohl die Symphonie freilich wenig mit klassischen Vorstellungen zu tun hatte und die passagenweise eher an avancierte elektronische Experimentalmusik erinnerte: Nitsch war mehr an Klangeffekten als an Harmonien interessiert, er schuf Klangteppiche, auf die er langsam neue Schichten auftrug. Zum Einsatz kamen am Dienstag aber nicht nur die Mitglieder eines klassischen Orchesters, sondern auch die Musikkapelle Zellerndorf, die auch mit traditioneller Marschmusik durch den Großen Saal schritt und für etwas Volksfeststimmung sorgte. Für Orchester und Kapelle gab es schließlich anhaltenden und begeisterten Applaus.
Ganz einfach fällt die Rezeption von Nitsch' Musik freilich nicht allen. Bei einem Empfang kurz vor dem Konzert hatte die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf die Frage nach ihrer Einstellung zu seiner Musik diplomatisch geantwortet, dass die Einschätzung "Das ist keine Schrammelmusik" zutreffend sei. Gleichzeitig betonte sie, dass es Nitsch mit seiner Musik gelungen sei, zu traditionellen Musikkapellen und zur örtlichen Bevölkerung eine Brücke zu bauen. Keinen Zweifel ließ die in der niederösterreichischen Landesregierung für Kultur zuständig Politikerin dabei an der offiziellen Wertschätzung für Nitsch' Werk. "Mit dem Erklingen seiner Musik im Musikverein erfüllen wir postum ihm einen Herzenswunsch", sagte sie.
Zusammenfassung
- Mit einem Konzert im Wiener Musikverein haben Vertraute und Fans am Dienstagabend des 2022 verstorbenen Aktionskünstlers Hermann Nitsch gedacht.
- Während sich seine bildende Kunst seit Jahrzehnten in führenden internationalen Museen befindet, waren Nitsch' musikalische Kompositionen indes zu Lebzeiten nie in den klassischen Musiktempeln gespielt worden.
- Ganz einfach fällt die Rezeption von Nitsch' Musik freilich nicht allen.