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Monstermäßig menschlich: "Ungeheuer" von Lena Johanna Hödl

Unsere Welt ist voller Ungeheuer; sie lauern in uns, umgeben uns und machen Angst. Die als Poetry-Slamerin, Autorin und Kabarettistin bekannte Lena Johanna Hödl hat ihre Erzählungen darüber in einem bei Haymon erschienenen Band gesammelt. In "Ungeheuer" blättert sich ein abgründiger Kosmos auf, dem die in Wien lebende Steirerin mit hartem Witz, zarter Poesie und ruppigem Feminismus begegnet. Ein unschönes, kritisches Buch, das einen trotzdem zum Lachen bringt.

Das in seinen Textsorten sehr vielfältige Buch ist in "Das Innere" und "Das Äußere" geteilt. Der erste Teil befasst sich möglicherweise mit dem "Inneren" der Autorin, jedenfalls spricht sich das Ich darin mit ihrem Vornamen an. Dieses geht hart mit sich ins Gericht: Selbsthass, Ekel, Wut und die Ablehnung des eigenen Körpers machen sich breit, sowie ein schlechtes Gewissen, weil man schon mehr hätte erreicht haben müssen im Leben. Hätte man früher gelebt, wäre das Leben besser gewesen? Wer ist in Zeiten von Social Media eigentlich real? Vielleicht ist wirklich "ein Schulterzucken der Schlüssel zum Überleben im Postkapitalismus".

Dem folgt das "Äußere", in dem das Ungeheuerliche, Übergriffige in alltäglichen Situationen und im medialen Diskurs Thema ist. So eröffnet sich in Form eines Interviews mit der Poetry-Slamerin und Slam-Diversitätsbeauftragten Shafia Khawaja medialer Rassismus und Sexismus. Der Reporter will unter anderem wissen, "warum man uns weiße Menschen ständig mit neuen Beschwerden nervt". Sie spreche jetzt eben für alle nicht weißen Leute, erklärt der Interviewer. Im bitterbösen Transkript eines True Crime-Podcasts wird diese Art der Gewaltberichterstattung als Entertainment entlarvt, das Feminismus- und Antirassismus-Mäntelchen des Geschäftsmodells zerrissen.

Unter die Haut gehen die Erzählungen "Das verwunschene Kind", das eine schwierige Eltern-Kind-Beziehung offenbart, und "Perseiden", in der ein Mann beim Sternschnuppen-Beobachten seiner Online-Bekanntschaft beteuert, er werde sie nicht vergewaltigen, es dann aber doch tut. Dass man "bestimmten Menschen nicht verzeihen kann", ihnen keine Bühne geben sollte, illustriert die Autorin anhand einer "Geschichtsstunde", in der Churchill bei Frucade und Blechkuchen in großväterlichem Verständnis 1945 Hitler tröstet. Und in einem Brief aus Paris lässt ein Erfolgsautor das "Frl. Hödl" wissen, dass in den Feuilletons für Frauen kein Platz ist ("halten Sie die Fresse"), er rät zu Aerobic und Mutterschaft. Viele dieser Geschichten bleiben beim Leser hängen, wirken nach, klären auf und nagen an Gewohntem und Eingefahrenem - so wie es gute Literatur eben tun muss.

(S E R V I C E - Lena Johanna Hödl: "Ungeheuer". Erzählungen. Haymon Verlag. 136 Seiten. 22,90 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Unsere Welt ist voller Ungeheuer; sie lauern in uns, umgeben uns und machen Angst.
  • Die als Poetry-Slamerin, Autorin und Kabarettistin bekannte Lena Johanna Hödl hat ihre Erzählungen darüber in einem bei Haymon erschienenen Band gesammelt.
  • In "Ungeheuer" blättert sich ein abgründiger Kosmos auf, dem die in Wien lebende Steirerin mit hartem Witz, zarter Poesie und ruppigem Feminismus begegnet.