APA/BURGTHEATER/MATTHIAS HORN

"Melancholisches Stück": "Sommernachtstraum" im Burgtheater

Die neue Burgtheatersaison beginnt am Sonntag mit dem "Sommernachtstraum". Wenige Tage nach der Premiere in Duisburg übersiedelt die Schweizer Ruhrtriennale-Intendantin Barbara Frey ihre Inszenierung ins Haus am Ring. "Vielleicht ist die Verlorenheit der großen Halle nicht ganz so transportierbar", meint die Regisseurin, der Eindruck der vom Landschaftspark Duisburg-Nord inspirierten Bühne von Martin Zehetgruber ändere sich jedoch nicht: Industrielandschaft statt Zauberwald.

Kritiken hoben die melancholische, poetische, düstere Grundstimmung und die große Ruhe hervor, aus der Frey ihre Inszenierung entwickelt. "Das gebremste Tempo hat den unbedingten Vorteil, dass man den Text selten so gut gesprochen und in allen seinen Feinheiten erfasst hören kann wie hier vom Burgtheater-Ensemble", hob der "Kölner Stadtanzeiger" hervor.

"Natürlich ist das ein melancholisches Stück, auch aus dem Geist seiner Zeit heraus", sagt Frey im Gespräch mit der APA. Dass die allgemeine Stimmung unserer heutigen Zeit nicht die Lust zur heiteren Komödie befördere, sei aber ebenso klar wie der Umstand, dass der Wald auch schon damals keine heile Welt symbolisiert habe. "Die Natur, die in diesem Stück beschwört wird, ist schon zu Zeiten von Shakespeare eine beschädigte und ausgebeutete gewesen. Man verliert im Wald komplett die Orientierung, und am Ende weiß man nicht einmal mehr, ob man träumt oder wach ist."

Auch die Tatsache, dass sie Sylvie Rohrer und Markus Scheumann zwar als Theseus und Hippolyta geschlechtergemäß, als Paar Oberon und Titania jedoch mit vertauschten Geschlechterrollen besetzt habe, habe seinen Ursprung bei Shakespeare, der zu berücksichtigen hatte, dass Frauen auf der Bühne damals verboten waren: "Er hat alle seine Stoffe geschlechterfluid geschrieben. Dieses Panerotische ist bereits bei ihm angelegt."

Die berühmten Auftritte der theaterspielenden Handwerker hat Barbara Frey ganz ernst genommen. "Das steht genauso im Text drinnen. Es sind ganz scheue Figuren, die der Kunst gegenüber sehr respektvoll sind. Diese Skrupelhaftigkeit, die sie haben, finde ich etwas sehr Anmutiges. Ihre Warnungen vor dem Auftritt des Löwen sind das, was heute Triggerwarnungen sind."

Wobei die Regisseurin keinen Zweifel daran lässt, was sie von dieser Tendenz hält: "Das ganze menschliche Leben bräuchte eine einzige große Triggerwarnung! Das verläuft ja nicht in sicheren Bahnen. Man müsste bereits in der Schule lernen, eine gewisse Ambiguitätstoleranz herzustellen, lernen, dass Dinge zweischneidig und paradox sind. Es ist nicht immer leicht zu sagen, was gut und was böse ist." Gerade in den Stücken Shakespeares werde dies einem ständig vor Augen geführt. Kunst lebe von Verunsicherung und Überraschung, die Erkenntnis erzeugt. "Wenn man das nicht mehr zulässt, ist Kunst nur noch Dekoration!"

Nach der Wiener Premiere reist Barbara Frey sofort wieder ins Ruhrgebiet. Am 20. September hat in Essen ihre Interpretation von Dostojewskis "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" Premiere, die sie mit Nina Hoss erarbeitet. Drei Tage später endet die dritte und letzte Ruhrtriennale, die sie als Intendantin verantwortet hat. Macht sich schon ein wenig Wehmut breit? "Dafür ist derzeit kein Platz, dazu gibt es noch zu viel Arbeit. Das ändert sich aber bald: Mit Herbstbeginn endet das Festival. Die Wehmut werde ich dann allein mit mir ausmachen."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare, Deutsch von Angela Schanelec, Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens. Regie: Barbara Frey, Bühne: Martin Zehetgruber, Kostüme: Esther Geremus. Musik: Barbara Frey, Josh Sneesby, Mit Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Gunther Eckes, Marie-Luise Stockinger, Langston Uibel, Lili Winderlich, Meike Droste, Oliver Nägele, Sabine Haupt und Dorothee Hartinger. Koproduktion mit der Ruhrtriennale, Burgtheater: Premiere: 3. September, 19 Uhr, Nächste Vorstellungen am 6., 9., 18. und 23. September. www.burgtheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Wenige Tage nach der Premiere in Duisburg übersiedelt die Schweizer Ruhrtriennale-Intendantin Barbara Frey ihre Inszenierung ins Haus am Ring.
  • "Natürlich ist das ein melancholisches Stück, auch aus dem Geist seiner Zeit heraus", sagt Frey im Gespräch mit der APA.
  • "Wenn man das nicht mehr zulässt, ist Kunst nur noch Dekoration!"
  • Nach der Wiener Premiere reist Barbara Frey sofort wieder ins Ruhrgebiet.
  • (Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)