"Lars Eidinger - Sein oder nicht sein": Ganz großes Theater
Der deutsche Kameramann und Dokumentarfilmer ("Dries" und "Martin Margiela"), der bereits Künstlerporträts u.a. über William Eggleston, Juergen Teller, August Sander, Walker Evans, Anton Corbijn oder Dries Van Noten gestaltet hat, stellt die Proben bei den Salzburger Festspielen ins Zentrum seines 90-minütigen Films. Die Jedermann-Rolle sei für ihn eine große Ehre und Herausforderung, sagt Schauspielstar Eidinger, und man beneidet Regisseur Michael Sturminger in dem oben geschilderten Moment nicht. Auch in den Gesichtern seiner Mitspieler ist es ganz groß zu lesen: ein toller Schauspieler - aber auch eine große Diva!
Eidinger ist ein internationaler Star. Den Weg dorthin hat Maren Ades' Beziehungsdrama "Alle anderen" (2009) geebnet, in dem er an der Seite von Birgit Minichmayr agierte und von dem Eidinger auch heute noch schwärmt. In einer exaltierten Szene beim englischsprachigen Dreh von Olivier Assayas' eigenem "Irma Vep"-Remake sieht man ihn buchstäblich die Sau rauslassen. Juliette Binoche und Isabelle Huppert bekommen leuchtende Augen, wenn sie von der Neugier, der Spielfreude und der Unbedingtheit des deutschen Kollegen schwärmen. Und seine "Buhlschaft" Verena Altenberger bringt es auf den Punkt: Mit ihm zu spielen bedeute, ständig überrascht zu werden und auf neue Herausforderungen reagieren zu müssen. Das gebe der Arbeit eine Frische und Unmittelbarkeit, für die sie dankbar sei.
Holzemer zeigt Eidinger auch als Hamlet und beim darüber Sinnieren, wie die berühmte Phrase von sein oder nicht sein zu sprechen sei, ohne dass ihr tiefsinniger Gehalt verloren gehe, oder in seiner vielleicht berühmtesten Rolle als Richard III. an der Berliner Schaubühne. Genau dort habe er nach der Schauspielschule unbedingt engagiert werden wollen, denn das Theater, an dem Peter Stein einst ein hoch karätiges Ensemble versammelt hatte, sei damals durch die Neuübernahme durch Thomas Ostermeier das heißeste Eisen im Theaterfeuer gewesen. Das ist ihm auch gelungen. Eidinger wurde Schaubühnen-Star.
Der bloß acht Jahre ältere Intendant erzählt im Interview schmunzelnd von einer intensiven Probe, bei der er von Eidinger als "Papa" angesprochen worden sei. Der Star braucht auch Vaterfiguren, und der frühere Leiter der Schauspielschule Ernst Busch wird ganz wehmütig, wenn er sich an jene Szene erinnert, mit der Eidinger mit Bravour seinen Abschluss geschafft hatte: Franz Moor, still überlegend, wie er den Tod seines Vaters beschleunigen könnte, und dabei ein Bonbon lutschend. Damals schon: Ganz großes Theater!
Holzemers Porträt zeigt: Es ist immer faszinierend, Lars Eidinger bei seiner Arbeit zuzusehen, aber es ist auch faszinierend, ihn über seine Arbeit sprechen zu hören. Er ist eins damit. Er wundere sich immer, wenn Kollegen sagten, sie schlüpften in Rollen und würden dabei zu anderen. Er funktioniere da ganz anders, sagt Eidinger: "Ich werde auf der Bühne ich selbst."
Auf der Probe in Salzburg hat er sich nach einem rauschenden Abgang und einer Unterbrechung dann vor versammelter Mannschaft entschuldigt. Und es wäre nicht er selbst, wenn nicht auch das wie eine kleine, wohl kalkulierte Szene wirken würde...
Zusammenfassung
- Ein kleiner, sorgsam gestalteter und langsam gesteigerter Wutausbruch während einer "Jedermann"-Probe ist die Schlüsselszene des Porträtfilms "Lars Eidinger - Sein oder nicht sein" von Reiner Holzemer.
- Der bloß acht Jahre ältere Intendant erzählt im Interview schmunzelnd von einer intensiven Probe, bei der er von Eidinger als "Papa" angesprochen worden sei.
- Er funktioniere da ganz anders, sagt Eidinger: "Ich werde auf der Bühne ich selbst."