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"La Gola": Wiener Kunsthalle mutiert kurzzeitig zum Kino

Zwei Personen im Briefwechsel: Gianni berichtet von einem mehrgängigen Menü, Rossana vom fortschreitenden Verfall der Mutter. Beide schildern wortgewaltig und detailliert. Es bewegen sich nur Augen, ein wenig die Haare, einmal erhellt ein Blitz das Bild. Das ist das Szenario des Films "La Gola" von Diego Marcon, der in einer Ausstellung in der Kunsthalle Wien gezeigt wird. Die beiden Akteure sind hyperrealistische Mannequins, ihre Augen wurden per CGI in 35mm-Film integriert.

Kunsthallen-Direktorin Michelle Cotton sprach am Donnerstag bei einem Pressetermin von einem "immersiven Setting" der Schau, die am Freitag öffnet. Der italienische Künstler habe die Idee gehabt, "unseren weißen Raum rot zu malen". Das Erdgeschoß der Kunsthalle verwandelte er in ein Theater bzw. einen Kinosaal - mit einer kleinen Insel mit Sitzen in der Mitte. "Die ikonischen Kinosessel wurden zu einem Objekt in dem ansonsten leeren Raum", erläuterte Marcon. Auch das Publikum wird im Gegensatz zu einem Kinobesuch Teil des Settings.

Die Schilderung von Küche und Krankheit in "La Gola" - die Erzählungen laufen parallel, die beiden Protagonisten immer in Close-Ups - wird von einer Orgelkomposition begleitet, aufgenommen in einer Kathedrale in Bergamo. Marcon nutzt Sprache und Musik, um dramatische Spannung zu erzeugen. Es beginnt mit einer Ouvertüre und endet in einem Crescendo - sowohl die Töne, als auch den Inhalt des Geschilderten betreffend. "Die Musik strukturiert den Film und die emotionale Temperatur", betonte der Künstler. Ich wollte ein Melodram mit einer klassischen linearen Struktur, mit einem Anfang und einem Ende."

Für die Umsetzung seiner Vision setzt Marcon auf unterschiedliche cineastische Codes. Er arbeite mit Filmbildern, an Sprache, Archetypen und Genres des Kinos sei er interessiert, "aber nicht am Kino selbst, nicht am Storytelling". Sein Werk greift auf filmisches Vokabular aus Genres wie Musical, Melodram, Horror und Slapstick-Komödie zurück. Durch Puppen, Robotik, Prothesen und CGI ergibt sich eine unheimliche Bildwelt, die viele Fragen offen lässt.

"La Gola" läuft mit Untertiteln, gesprochen wird Italienisch, sehr viel übrigens. "Als ich den Film fertiggestellt hatte, war ich etwas besorgt, nicht Italienisch sprechende Zuschauer könnten abschreckt werden", so Marcon. Er habe eine Bekannte gefragt, was sie darüber denke. "Sie sagte, dass sie an einem bestimmten Punkt gar nicht mehr dem folgte, was die Figuren eigentlich sagen. Das ist ein wichtiger Punkt, wurde mir klar. Sie sprechen, des Sprechens Willen. So wird der Film, wenn man schon über Genres spricht, wie ein Porno, weil es um die Begierde geht, zu sprechen."

"La Gola" sei "ein Beispiel für die Art von Ausstellungsgestaltung, für die die Kunsthalle steht", sagte Cotton. "Neue Arbeiten in Auftrag geben, manchmal in Partnerschaft mit anderen Institutionen, dem Publikum in Wien die Möglichkeit geben, Werke und Künstler zu sehen, die davor noch nicht in Österreich zu sehen waren."

(S E R V I C E - "Diego Marcon. La Gola" in der Kunsthalle Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1, 1070 Wien, 4.10.24-2.2.25, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr; zur Ausstellung erschien eine Publikation und eine limitierte Schallplatte mit dem Soundtrack, am 19.11. widmet das Stadtkino Marcon eine Retrospektive; www.kunsthallewien.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Film 'La Gola' von Diego Marcon wird in der Kunsthalle Wien gezeigt und verwandelt das Erdgeschoss in einen Kinosaal mit ikonischen Kinosesseln als einziges Objekt im Raum.
  • Die Ausstellung läuft vom 4. Oktober 2024 bis zum 2. Februar 2025 und wird von einer Orgelkomposition begleitet, die in einer Kathedrale in Bergamo aufgenommen wurde.
  • Am 19. November widmet das Stadtkino Marcon eine Retrospektive, und es sind eine Publikation sowie eine limitierte Schallplatte mit dem Soundtrack erschienen.