APA/WOLFGANG HAUPTMANN

Keramik-Kunst im Wiener Architekturjuwel "Retti"

Ein kleines Kerzengeschäft in der Wiener City war Mitte der 60er-Jahre Hans Holleins erster Auftrag und Beginn seiner Karriere. Das Schlüsselwerk eines der bedeutendsten Architekten Österreichs wurde kürzlich restauriert. Nun ist dort heimische Keramikkunst zu sehen. Die Galerie "Ceramic Art Space" wird passender Weise von Barbara Neubauer betrieben, der ehemaligen Präsidentin des Bundesdenkmalamtes. "Hier schlagen zwei Herzen in meiner Brust", sagt sie.

Zum einen sei das die Keramik der Gegenwart, der Neubauer zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen will, zum anderen das Objekt. "Da bin ich immer noch Denkmalpflegerin", schmunzelt die gebürtige Steirerin beim APA-Lokalaugenschein. Als sie in Pension ging, habe sie sich als Kunsthistorikerin ein Thema gesucht, erzählt sie. "Ich habe mich schon immer für Keramik interessiert, war dann in London auf der Keramikmesse und dachte: Ok, das ist alles super, was die da haben, aber was haben wir in Österreich? An jeder Ecke gibt es Tableware, aber Keramikkunst liegt in diesem Land leider unter der Wahrnehmungsgrenze."

Von ihrem Sohn ließ sich Neubauer einen Instagram-Account anlegen. "Und ich bin durch die Stadt und die Museen gegangen und habe geschaut, was es an Gegenwartskeramik gibt." Nachsatz: "Es gibt was, aber sehr wenig." Nach Internetrecherchen und Kontaktaufnahmen mit heimischen Künstlerinnen und Künstlern begann Neubauer deren Werke zu posten. Durch Zufall ergab sich ein Kontakt zum Eigentümer des ehemaligen Geschäftes des Tiroler Kerzenhändlers Marius Retti. Das "Retti" am Kohlmarkt 10 neben dem Demel stand lange leer. "Ich kenne das Objekt seit meiner Zeit beim Bundesdenkmalamt und weiß, wie schwierig es zu nutzen ist. Ich habe immer gedacht, man kann hier nur Kunst verkaufen", so Neubauer.

Ein Besuch im "Ceramic Art Space" lohnt doppelt. Denn die Galerie gleicht einer Art Minimuseum. Vorhanden ist laut Neubauer "alles, was Keramikkunst zu bieten hat - in der Materialbearbeitung und im Ausdruck". Fast 70 Prozent der vertretenen Künstler sind weiblich, wie etwa Alice Kammerlander. "Sie macht Body-Language", schwärmt Neubauer. "Sie kehrt immer das Innere nach außen. In der Auslage steht ihr Objekt 'Breeze', mit dem sie Lungenbläschen zeigt. Sie arbeitet sich sehr am Körper ab." Von den Männern sei etwa Gerold Tusch erwähnt: "Er zerlegt barocke Ornamentik und baut sie neu zusammen."

Und schließlich begeistert die Räumlichkeit: "Es kommen Architekten von China, Japan und Südamerika, stehen mit glänzenden Augen hier drinnen und fotografieren den Ventilator", erzählt Neubauer. Bis auf ein paar wenige Schubladen ist alles original und fein restauriert. Als Geschäftsfrau sei sie allerdings mit Herausforderungen konfrontiert: "Ich kann nur Kleinteiliges verkaufen, wenn ich was Großes reinstelle, haut das den Raum zusammen. Ich brauche natürlich Frequenz, aber wenn vier Leute reinkommen, ist der Raum voll." Es ist schwierig von der Architektur her, der Eingang eng. Aber Neubauer nimmt die Aufgabe an: "Man hat gegenüber dem Kulturerbe eine Verantwortung. Ich sage immer: Ein gutes Denkmal ist ein genutztes Denkmal."

ribbon Zusammenfassung
  • Ein kleines Kerzengeschäft in der Wiener City war Mitte der 60er-Jahre Hans Holleins erster Auftrag und Beginn seiner Karriere.
  • Das Schlüsselwerk eines der bedeutendsten Architekten Österreichs wurde kürzlich restauriert.
  • Das "Retti" am Kohlmarkt 10 neben dem Demel stand lange leer.
  • Vorhanden ist laut Neubauer "alles, was Keramikkunst zu bieten hat - in der Materialbearbeitung und im Ausdruck".
  • "Sie macht Body-Language", schwärmt Neubauer.