Jungverleger setzen im Kultur-Lockdown auf Social Media
Vor dem Erdgeschoß-Büro in Wien-Wieden hängt noch das Firmenschild eines Geschenkartikel-Großhandels. "Wir haben noch keine Zeit gefunden, das Schild abzumontieren", lacht Daniel Uzelac. Zusammen mit seinem älteren Bruder Nikolai leitet er den Verlag, der sich als Familienbetrieb mit ungewöhnlichem Vorleben herausstellt. Zunächst in der IT-Branche tätig, wechselte man vor vierzehn Jahren in die Medienberatung und vertrat dabei "Personen des öffentlichen Lebens in medialen Belangen", wie es auf der Homepage heißt. Prominenteste Kundin: Natascha Kampusch. Dabei wurden nicht nur Medienkontakte gemanagt und Artikel lanciert, sondern auch Buchprojekte eingefädelt. "Es war immer wieder schade, wenn ein Verlag ein Projekt anders gesehen hat als wir, und so haben wir überlegt, auch das Verlegen selbst in die Hand zu nehmen. Viele haben uns davon abgeraten. Wir haben es trotzdem riskiert."
Dabei bewährte sich, dass Nikolai ein abgeschlossenes Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft vorzuweisen hat und somit gleich zum Cheflektor avancierte. Dennoch geben die beiden Brüder zu, seither alle Höhen und Tiefen durchlaufen zu haben. Während die Kollegenschaft und der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels durchaus mit Tipps zur Seite standen, zeigen sie sich von der mangelnden Unterstützung durch die Wirtschaftskammer enttäuscht. So mussten sie selbst leidvoll herausfinden, dass im Verlagsgeschäft erfahrene Vertreter und eine funktionierende Auslieferung die Schlüssel zum Erfolg sind. Durch einen ehemaligen Mitarbeiter und viel guten Zuredens, mit dem man letztlich den Mohr Morawa Buchvertrieb überzeugen konnte, konnte man diese Hürden nehmen. Doch dann kam Corona.
Zwar wurden viele Lesungstermine storniert und auch die "Buch Wien", von der man sich viel erhofft hatte, abgesagt, doch in der Krise war die IT-Erfahrung der Familie, die nebenher noch einen Online-Buchhandel für serbischsprachige Bücher betreibt, Gold wert. Lesungen und Interviews wurden im Verlagsbüro aufgenommen und als Video online gestellt, Buch-Trailer über Facebook, Twitter und Instagram verbreitet und verstärkt mit Influencern kooperiert. "Wir nutzen alle Möglichkeiten des digitalen Marketings", sagt Nikolai Uzelac. So konnten alle acht Titel des diesjährigen Programms erfolgreich beworben werden. Auch jener des Wiener Kriminalbeamten Fritz Kumhofer, der in "Es war nicht wie im Fernsehen" aus seinen 40 Jahren bei der "Kieberei" erzählt. Obwohl die geplanten Lesungen auf unbestimmte Zeit verschoben werden mussten, seien die 1.000 Stück der Erstauflage bald verkauft und der Nachdruck bereits in Planung, berichten die Verleger stolz.
Auch der Autor, der zufällig gerade im Büro vorbeischaut, ist zufrieden. "Ich kann nur Rosen streuen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es anderswo besser wäre, eher im Gegenteil", sagt Kumhofer, der bei der Personen- und Sachfahndung des Schengenraums arbeitet und die persönliche Betreuung im Dachbuch Verlag sehr schätzen gelernt hat: "Der familiäre Betrieb ist sehr angenehm." Noch etwas anderes schätzt er: Der Dachbuch Verlag ist ein Publikumsverlag. Bei der Suche nach einem Verlag für sein Manuskript, für das er seine Erlebnisse der Autorin und Dramaturgin Lies Kato erzählt hat ("Schriftlich beherrsche ich nur den Jargon von Polizeiprotokollen. Glauben Sie mir: Das will niemand lesen!"), hat er nämlich auch "Autorenverlage" kennengelernt, bei denen die Autoren erhebliche Summen für Druckkosten beizusteuern haben. Das gäbe es bei ihnen nicht, beteuern die Verleger, die bisher zwei Druckkostenförderungen der öffentlichen Hand und eine Förderung für den Online-Shop erhalten haben. Von den Corona-Unterstützungsmaßnahmen haben sie noch nicht profitiert. "Es war uns zu kompliziert, herauszufinden, wo wir vielleicht hineinpassen. Praktisch überall gab es einen Ausschließungsgrund. Das akribisch zu durchforsten - dazu fehlt uns, offen gestanden, die Zeit", sagt Daniel Uzelac.
Dafür kommt nun nach der Zeit des Ausprobierens (Nikolai: "Wir haben versucht zu schauen, was geht.") die Zeit des Spezialisierens. Der Erfolg der authentischen und mit etwas Augenzwinkern erzählten Kriminalgeschichten Kumhofers, von denen es wohl eine Fortsetzung geben dürfte, hat die Verleger bestärkt, in den künftigen Herbstprogrammen ganz auf Spannung, Krimi und True-Crime zu setzen. Jeweils im Frühling möchte man dagegen nur Kochbücher publizieren, bekanntermaßen eines der nach wie vor boomenden Segmente des umkämpften Buchmarktes. Soeben ist der Frühjahrskatalog aus der Druckerei gekommen: Die zwei Titel der kommenden Saison stammen von der Lifestylebloggerin Susanna Wurz und der Foodfotografin und -bloggerin Michaela Titz. Der Dachbuch Verlag bleibt auch in seiner neuen Ausrichtung sehr Social-Media-affin.
Corona hat also das Dach des Dachbuchverlags nicht zum Einsturz gebracht. Nikolai und Daniel Uzelac blicken mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft. Und wird es das Thema Corona auch in einen Titel ihres Verlags schaffen? "Tatsächlich sind wir mit einem Autor darüber im Gespräch. Aber mal schauen, ob daraus etwas wird, das wir wirklich verlegen wollen. Denn davon wird es am Markt bald mehr als genug geben..."
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - https://dachbuch.at/)
Zusammenfassung
- Der 2017 gegründete Wiener Kleinverlag sucht spürbar noch nach seiner Identität.
- Doch dann kam Corona.
- Auch der Autor, der zufällig gerade im Büro vorbeischaut, ist zufrieden.