"Iokaste" in Graz zeigt Krieg privat und offiziell
"Niemand hatte je eine Wahl" schleudert Iokaste ihren Söhnen entgegen, die einander unversöhnlich gegenüberstehen und durch einen Krieg die ganze Stadt Theben ins Verderben stürzen werden. Das Geschehen wird aus Iokastes Perspektive erzählt, über die man bei den griechischen Vorlagen nur wenig erfährt. Sie war die Frau von Laios und die Mutter von Ödipus, den sie ohne zu zögern aussetzen ließ, damit sich die düstere Prophezeiung des Orakels - Vater töten und Mutter ehelichen - nicht erfüllen sollte. Nützte letztlich nichts, denn sie heiratete ihn und setzte mit eben diesem Sohn vier Kinder in die Welt.
Die beiden Söhne-Brüder des Ödipus, Eteokles und Polyneikes, stehen einander nun im Kampf um die Vorherrschaft der Stadt als Todfeinde gegenüber, die Töchter Antigone und Ismene erwartet auch nichts Gutes. Keiner gibt nach, und doch sehen sie die Schuld woanders: "Die Mutter dieses Krieges bist du", wirft Eteokles Iokaste vor.
Schimmelpfennig hat in seinem Drama diese privaten Auseinandersetzungen mit modernen Kriegsszenarien verwoben, die immer wieder einfließen. Während die Mutter noch vergeblich darum ringt, dass ihre Söhne doch eine friedliche Lösung finden, hört man von Raketen, Scharfschützen und zerstörten Schulgebäuden. Damals wie heute stehen Macht und Geld im Mittelpunkt, selbst wer eine Wahl hätte, wählt nicht den Frieden, macht die Inszenierung von Anna Bader in eindringlich-stringenter Weise klar. Obwohl alle ständig reden, suchen sie nicht wirklich Konfliktlösungen, sondern beharren stur auf ihren Positionen, wodurch letztlich der Kampf unvermeidlich wird. Am Ende stehen Tod und Verderben - und eine einsame alte Frau, die über ein Trümmerfeld geht.
Starke Ensembleleistung in konzentrierter Inszenierung
Das Ensemble lieferte konzentrierte Leistungen: Karola Niederhuber schwankte als Iokaste zwischen mütterlicher Zuneigung und Resignation vor dem Schicksal, Robert Maximilian Rausch stellte als Eteokles seine Verpflichtung, die Stadt zu schützen über alles, und Mario Lopatta kämpfte als bleicher Racheengel Polyneikes um sein Recht. Luisa Schwab zeichnete eine kraftvolle Antigone, die schon ahnen lässt, dass diese Geschichte nicht zu Ende ist, während Anna Klimovitskaya eine sanfte Ismene gibt. Kommentierend und unterstreichend wirkt Dominik Puhl als Menoikeus. Eine knapp erzählte Geschichte, die gerade in ihrer Klarheit überzeugt.
(Von Karin Zehetleitner/APA)
(S E R V I C E - "Iokaste" von Roland Schimmelpfennig / Aischylos / Euripides im Grazer Schauspielhaus. Regie: Anne Bader, Bühne & Kostüme: Hannah von Eiff. Mit: Karola Niederhuber (Iokaste), Mario Lopatta (Polyneikes), Robert Maximilian Rausch (Eteokles), Dominik Puhl (Menoikeus), Anna Klimovitskaya (Ismene), Luisa Schwab (Antigone). https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com )
Zusammenfassung
- Roland Schimmelpfennigs Drama 'Iokaste' verknüpft antike und moderne Kriegsszenarien und wurde im Grazer Schauspielhaus uraufgeführt.
- Die Inszenierung von Anne Bader hebt die Unvermeidlichkeit von Konflikten hervor, während Iokaste, gespielt von Karola Niederhuber, zwischen Zuneigung und Resignation schwankt.
- Das Ensemble überzeugte mit starken Leistungen, insbesondere in der Darstellung der komplexen familiären Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Theben.