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Gelungene Theaterdystopie in Tiroler Landeshauptstadt

Das immersive Theaterprojekt "Relikte aus der Zukunft" hat am Samstag in Innsbruck seine etwas andere Uraufführung gefeiert. Applaus oder gar Stehovationen blieben bei dem "immersiven Theaterprojekt" nämlich aus. Es lotste, obwohl in der experimentellen Theaterbühne "K2" im "Haus der Musik" verortet, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mittels MP3-Files und Kopfhörer durch der Innsbrucker Innenstadt. Diese erlebten kollektiv emotional-empathische Stadtüberschreibungen.

Diese speisten sich vor allem aus der Überlagerung von zwangsläufig erfahrener Realität und dargebotener Fiktion. Der reale Charakter der Tiroler Landeshauptstadt, schließlich waren am Samstagabend naturgemäß viele Menschen in den Gastgärten zugegen, und die parallel dazu erzählte Geschichte boten Reibeflächen, sorgten dadurch für surreale Momente und erweiterten und verfeinerten das Erleben des Stadtraumes.

Als Vehikel dafür diente die Narration eines "Archivs für die Zukunft", geleitet von der fiktiven Figur Nada Gruber, in dem es darum ging, erhaltenswerte Gerüche, Geräusche, Gedanken, Gegenstände oder Erinnerungen für die Nachwelt zu archivieren und damit zu belegen, was die Menschheit einst im Innersten ausmachte. Im Hintergrund davon stand ein dystopisches Szenario: Die Menschheit würde, weil die Klimakrise bereits zu weit fortgeschritten sei, spätestens in den nächsten 70 Jahren unweigerlich aussterben.

Mit diesem düsteren Gedanken im Hinterkopf schritt man, begleitet von der Stimme der Sprecherin Petra Alexandra Pippan, vornehmlich durch die Innsbrucker Altstadt. Zunehmend gesellten sich zur Haupterzählerin auch andere Stimmen: Es waren reale Kurzerzählungen von Menschen, die für das Theaterprojekt nach für sie erhaltenswerten Gedanken, Erinnerungen oder Gegenständen befragt worden waren.

Es kam, wie es eigentlich kommen musste: Das Theaterprojekt von Ehmann warf einen zuletzt zurück auf einen selbst. Auf den meist passiven Besuch von realen und imaginären Orten folgte die unweigerliche Selbstbefragung: Was würde man selbst archivieren wollen, was war einem selbst überhaupt so wichtig? Mit diesen Fragen schwer unterfüttert, ging es mit zur Verfügung gestellter melancholischer Musik zum Landestheater und dort hin zur Probebühne.

In dieser erwarteten einen allerlei Gegenstände und handfeste Erinnerung. Immer noch mit Kopfhörer und MP3-Player ausgestattet, schritt man die Fläche ab. Wahlweise nahm man auch auf einem der Stühle Platz und hörte sich dort die Erzählungen der Befragten an, die die Geschichte etwa hinter Plüschschweinen, Puderdosen, Vinyl-Platten oder ähnlichem ausbreiteten.

Es werde kein klassisches Ende des Theaterabends geben, sagte einem schließlich der anwesende Regisseur mit leiser Stimme. Man könne gerne noch verweilen, aber natürlich auch bereits gehen. Applauslos, still und vereinzelt folgten immer mehr und mehr Teilnehmer diesem Leitfaden und verließen die Probebühne - womöglich mit der Erkenntnis, gerade einen überaus außergewöhnlichen "Theaterabend" erlebt zu haben.

(S E R V I C E - "Relikte aus der Zukunft" von Philipp J. Ehmann. Regie und Stückentwicklung: Philipp J. Ehmann. Dramaturgie und Stückentwicklung: Laura Nöbauer. Ton: Gunter Eßig. Requisiten: Philipp Baumgartner. Mit: Petra Alexandra Pippan (Nada Gruber). Weitere Vorstellungen: 7., 11., 14., 16., 18., 21. und 22. Juni. https://www.landestheater.at/)

ribbon Zusammenfassung
  • Das immersive Theaterprojekt "Relikte aus der Zukunft" hat am Samstag in Innsbruck seine etwas andere Uraufführung gefeiert. Applaus oder gar Stehovationen blieben bei dem "immersiven Theaterprojekt" nämlich aus. Es lotste, obwohl in der experimentellen Theaterbühne "K2" im "Haus der Musik" verortet, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mittels MP3-Files und Kopfhörer durch der Innsbrucker Innenstadt. Diese erlebten kollektiv emotional-empathische Stadtüberschreibungen.