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Gedenkort für Ilse Aichinger auf Schwedenbrücke enthüllt

Im Jahr 1942 musste Ilse Aichinger auf der Schwedenbrücke zusehen, wie drei ihrer Verwandten, darunter ihre Großmutter, auf einem LKW in Richtung Maly Trostinez deportiert wurden. Genau an jener Stelle findet sich seit heute, Mittwoch, ein Gedenkort für die 2016 verstorbene Schriftstellerin. Anlass für die Enthüllung war Aichingers 100. Geburtstag am 1. November. Gestaltet wurde der das Brückengeländer säumende metallene Schriftzug von Schwiegertochter Elisabeth Eich.

Und so können Passanten nun auf dem Weg von der Leopoldstadt in die Innere Stadt jenes Gedicht lesen, das Aichinger später unter dem Titel "Winterantwort" verfasste und das sich mit dem Tod der Großmutter befasst. "Die Welt ist aus dem Stoff, / der Betrachtung verlangt", heißt es zu Beginn des Gedichts. In Anwesenheit zahlreicher Familienmitglieder der Schriftstellerin sowie der Bühnenbildnerin Eich fragte sich Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) in ihrer Rede, ob Aichinger selbst es gutgeheißen hätte, mit einem Denkmal verewigt zu werden. "Sie wollte sich im Leben und im Schreiben zum Verschwinden bringen", so Mayer. Die Art und Weise, wie dieser "Gedenkort" nun aber realisiert worden sei, hätte Aichinger laut Mayer gefallen können. "Das Gedicht kehrt nun an jenen Ort zurück, den sie darin beredet verschweigt."

Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) freute sich im Anschluss, "dass sich von nun an die zahlreichen Passantinnen und Passanten, die täglich die Schwedenbrücke frequentieren, mit dem Gedicht von Ilse Aichinger und der Geschichte dieser Stadt konfrontiert sehen". Gerade in Zeiten von kurzen, sinnentleerten Worten auf Social Media sei es ein wichtiges Zeichen der Erinnerungskultur, Aichingers gewichtige Worte im öffentlichen Raum zu verankern. Unterstützt wurde das Vorhaben, das laut Walter Famler, Präsident des Kunstvereins, vor einigen Jahren in der Alten Schmiede im Dialog mit Aichingers Kindern entstanden ist, auch von der S.Fischer Stiftung Berlin.

Kurz vor der Enthüllung trug der Autor Josef Winkler, der die Etablierung des Gedenkorts auch als Präsident des Kunstsenats unterstützte, Aichingers Gedicht "Winterantwort" vor, bevor zahlreiche Wegbegleiter und Literaturfreunde sich - über die Brücke spazierend - selbst ein Bild machen konnten.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Jahr 1942 musste Ilse Aichinger auf der Schwedenbrücke zusehen, wie drei ihrer Verwandten, darunter ihre Großmutter, auf einem LKW in Richtung Maly Trostinez deportiert wurden.
  • Genau an jener Stelle findet sich seit heute, Mittwoch, ein Gedenkort für die 2016 verstorbene Schriftstellerin.
  • Anlass für die Enthüllung war Aichingers 100. Geburtstag am 1. November.
  • "Sie wollte sich im Leben und im Schreiben zum Verschwinden bringen", so Mayer.