APA/APA / Burgtheater/susanne hassler-smith

Familienstück: Animierende Animation im Akademietheater

Mitunter wähnt man sich mehr im Kino als im Theater. Bei "Mehr als alles auf der Welt" ist das Zusammenspiel von Animationsfilm und Bühnenspiel perfekt. Die 2005 von Suzanne Andrade und Paul Barritt gegründete britische Theatergruppe "1927", bereits bei den Salzburger Festspielen und in St. Pölten zu Gast, hat mit dieser Burgtheater-Koproduktion, die am Samstag im Akademietheater uraufgeführt wurde, wohl einen Hit gelandet. Einen Hit, den das Theater gut brauchen kann.

"Eine Graphic Novel auf der Bühne für alle von 8 bis 108" wird die etwas mehr als zweistündige (inklusive einer Pause) Kreation genannt, die thematisch durchaus mehr bietet als bunte, flotte Unterhaltung und in ihrer nicht ganz einfachen Verschränkung von Fantasie und Realität den Jüngsten etwas Kopfzerbrechen machen könnte. Denn der Auftrag, den der freundliche Familienvater Eddie (Markus Meyer) von seinem Boss nach Büroschluss übernimmt, bringt ihn geradewegs ins Gefängnis, ohne, dass je aufgelöst wird, welchen Vergehens er sich dabei schuldig gemacht hat.

Die Briefe, die er während seiner Abwesenheit der 13-jährigen Tochter Kim (Isabella Knöll) und seinem kleinen Sohn Davey (eine toll mit den leibhaftigen Mitspielern interagierende Animation mit der Stimme von Gregor Benner) schreibt, sollen suggerieren, dass er auf geheimer Mission ist und aufregende Abenteuer zu bestehen hat. Vor einigen Jahren sei sie auf Briefe gestoßen, die sie als Kind von ihrem eigenen Vater erhalten hat, als dieser im Gefängnis saß, hat die Autorin und Regisseurin Suzanne Andrade, die das Stück gemeinsam mit Esme Appleton inszenierte, im APA-Interview erzählt.

Weil es auch eine Auseinandersetzung mit dem britischen Justizsystem sein soll, gibt es eine fiese Sozialarbeiterin (Stefanie Dvorak), die der Mutter (Alexandra Henkel) einreden möchte, man müsse Davey als Kind eines Kriminellen in ein Heim stecken, um ihn zu einem braven Bürger zu erziehen. Da bleibt sogar dem von ihrer gemeinen Großmutter (Meyer) betreuten Nachbarskind (Andrea Wenzl) die Spucke weg.

Im Zentrum steht aber die Sehnsucht nach Liebe und familiärem Zusammenhalt. Die macht auch dem sprechenden Zirkuslöwen, den der Vater in einem Eisenbahnwaggon kennenlernt, und den beiden Piraten im Bauch eines Blauwals zu schaffen: "Sind wir auch Irre mit Messer und Säbel, brauchen wir alle auch mal unsere Mama", geben sie zu und sehnen sich nach ihren Kindern und Enkeln. "Mehr als alles auf der Welt" ist also in jeder Hinsicht ein Familienstück, und die hinterlistige Sozialarbeiterin mit ihren trockenen Keksen kann sehen, wo sie bleibt. Viel Jubel bei der Premiere. Und am Ende verbeugt sich sogar der "bloß" gezeichnete Davey und holt sich seinen Applaus ab.

(S E R V I C E - "Mehr als alles auf der Welt" von Suzanne Andrade, Regie: Suzanne Andrade, Co-Regie: Esme Appleton, Bühne, Animation und Video: Paul Barritt, Kostüme: Sarah Munro, Musik und Sounddesign: Laurence Owen. Mit Stefanie Dvorak, Alexandra Henkel, Isabella Knöll, Markus Meyer, Andrea Wenzl und der Stimme von Gregor Benner. Uraufführung, Akademietheater. Nächste Vorstellungen: 12., 14. und 30. Oktober. Infos und Karten unter www.burgtheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Mitunter wähnt man sich mehr im Kino als im Theater.
  • Bei "Mehr als alles auf der Welt" ist das Zusammenspiel von Animationsfilm und Bühnenspiel perfekt.