Polizeigewalt-Prozess: Opfer hat posttraumatische Belastungsstörung
Am Montag findet der Prozess im Fall des mutmaßlichen Prügelpolizisten aus dem Wiener Bezirk Simmering statt. Ein bemerkenswerter Prozess, da in diesem Fall wegen Amtsmissbrauchs verhandelt wird. Das kommt gegen Polizisten sehr selten vor.
Dem 19-jährige Opfer wurde laut Befund eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Die Zeugenaussagen - darunter auch die der Polizeikollegen -, sollen laut Anklageschrift teilweise von den gesicherten Videoaufnahmen abweichen. PULS 24 hat dazu den Akt einsehen können.
Mit dem Kopf gegen den Asphalt
Die Polizei sicherte am 7. Mai 2023 in Wien-Simmering den Tatort eines Mordes und sperrte dafür das Gebiet auf der Simmeringer Hauptstraße. Als ein 19-Jähriger an einem Bankomaten dort Geld beheben wollte, versperrte ihm ein Beamter den Weg. PULS 24 war vor Ort, eine sichtbare Absperrung gab es nicht. Es kam zu einer Diskussion, ein zweiter Polizist stieß hinzu. Schließlich eskalierte die Situation: Der 19-Jährige wurde von der Polizei auf den Boden gedrückt, fixiert und festgenommen.
Ein PULS 24 Video zeigt, wie ein Beamter den Kopf des jungen Mannes dabei mehrmals gegen den Asphalt schlägt, es bildet sich eine Blutlache.
Frau durfte Geld abheben
Das 19-jährige Opfer, ein österreichischer Staatsbürger und HAK-Schüler aus Wien - er will in zwei Jahren maturieren -, war laut Einvernahmeprotokoll zu dem Zeitpunkt weder alkoholisiert noch unter dem Einfluss von Suchtmitteln.
Der Mann gibt an, dass kurz vor ihm eine Frau Geld beim Bankomaten beheben durfte. "Der Polizist hat mir aus welchen Grund auch immer nicht gestattet, Geld vom Bankomaten abzuheben. Das hat mich geärgert. Die Frau hat ca. 5 Minuten vor meiner Festnahme Geld beim Bankomaten abgehoben."
Beschimpfung der Polizei?
In einer schriftlichen Stellungnahme seines Anwalts, die dem Akt beiliegt, heißt es, dass der 19-Jährige nach dem Grund des Verbotes fragte. Vom dortigen Polizisten habe er allerdings nur die Antwort "weil ich es so sage" erhalten.
Der junge Mann ärgerte sich, nannte die Situation "behindert". Der Polizist will das laut Akt auf die Polizei verstanden haben - also die behinderte Polizei - und beabsichtigte deshalb wegen einer mutmaßlichen Anstandsverletzung eine Identitätsfeststellung.
Der 19-Jährige regte sich daraufhin auf, sei er doch unschuldig gewesen. Als er beim Gestikulieren, eine Hand nach hinten führte, soll der Polizist von einem drohenden Angriff ausgegangen sein. Der Beamte reagierte und warf den Mann zu Boden. Weitere Polizisten kamen hinzu - darunter auch der am Montag Angeklagte, der dann die Kopfstöße ausgeführt haben soll.
Posttraumatische Belastungsstörung
Laut dem Akt erlitt der HAK-Schüler nicht nur eine blutende Rissquetschwunde, sondern auch eine Gehirnerschütterung, ein einseitiges Hämatom am rechten Auge und eine Quetschung bzw. Taubheit am rechten Daumenballen.
Weiters wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Bis heute soll es dem jungen Mann psychisch schlecht gehen.
"Habe mich nur verbal gewehrt"
Der angeklagte Polizist gibt an, dass das Opfer "offensichtlich Widerstand leistete". Deswegen habe er den Kopf des 19-Jährigen zu Boden drücken müssen, um ihn zu fixieren. PULS 24 konnte die Einvernahme einsehen.
Der junge Mann sieht das anders, in seiner Einvernahme sagte er: "Ich habe mich dann nur verbal gewehrt. Ich habe dann geschrien, warum das hier alles passiert und dass ich unschuldig sei. Wie kann ich, wenn ich auf dem Boden liege, mich versuchen aus den Handfesseln zu befreien."
Er beklagt: "Der Polizist hat einfach meinen Kopf genommen und gegen den Beton geschlagen, damit ich Ruhe gebe."
Opfer will Verantwortung übernehmen
Der 19-Jährige sei bereit, Verantwortung für seine eigenen Handlungen zu übernehmen. Laut einem Schreiben seines Anwalts würde er sich in Zukunft in einer vergleichbaren Situation einerseits bemühen, das Gespräch mit den einschreitenden Beamten auf eine ruhigere, höflichere und freundlichere Art und Weise zu führen, als das der Fall war.
Weiters würde er sich bemühen, auch seine Körpersprache und Handbewegungen ruhiger und kontrollierter auszuführen, um keinen Raum für Fehlinterpretationen zu lassen.
Zeugenaussagen weichen von Videos ab
Es gibt auch Aussagen fünf unbeteiligter Zeugen - Passanten vor Ort. Die Informationen aus dem Akt liegen PULS 24 vor. Sie wollen zwar einen aufgebrachten 19-Jährigen und die Rangelei gesehen haben, niemand aber, wie es zu der blutenden Wunde am Kopf des Opfers gekommen. Der Schüler habe provozierend, uneinsichtig reagiert und versucht durchzudringen.
Die beteiligten Polizisten wollen ebenfalls alle nicht gesehen haben, wie die Wunde am Kopf des Opfers entstanden sei, wie es in den Zeugenvernehmungen steht.
Doch von der Polizei konnten insgesamt vier Videos, die zumindest teilweise von diesen Aussagen abweichen, sichergestellt werden. Laut Anklageschrift würden sie eindeutig belegen, dass der Angeklagte das Opfer in exzessivem und nicht gerechtfertigtem Ausmaß misshandelte. Dennoch würden die Befragten bei ihren Aussagen bleiben.
Bei einer Verurteilung drohen dem angeklagten Polizisten bis zu fünf Jahre Haft. Bereits ab einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe würde der Beamte automatisch seinen Job verlieren. PULS 24 berichtet am Montag live vom Prozess.
Zusammenfassung
- Vergangenen Mai soll ein Polizist den Kopf eines 19-Jährigen mehrmals gegen den Asphalt geschlagen haben.
- Am Montag steht der Beamte wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht.
- PULS 24 hat den Akt vorab einsehen können.
- Der 19-jährige Schüler leidet demnach bis heute an den Folgen des Vorfalls.
- Beteiligte Polizisten widersprechen unterdes zum Teil den Videoaufnahmen.