Dosenwanderung: Filmmuseum bezieht neuen Depotstandort
Die je vier Kilogramm schweren Dosen (und rund 5.000 Kassetten) summieren sich auf 38.000 Filmtitel. Hinzu kommen noch Schriften, Plakate, Vor- und Nachlässe. "Es werden wohl an die 500.000 Objekte sein", meint Filmmuseumsdirektor Michael Loebenstein beim Lokalaugenschein mit der APA. Entsprechend gewaltig ist das Vorhaben, für das alleine 85 Lkw-Fuhren zwischen dem alten und neuen Standort nötig sind. "Es ist in der Geschichte des Filmmuseums mit Sicherheit das größte Veränderungsprojekt", zeigte sich Loebenstein überzeugt.
Das Gebäude wurde im Dezember vom Besitzer, der Bundestheater-Tochter ART for ART, übernommen und seither bezogen. Sieben Kilometer fahrbarer Regale dienen künftig als Heimat für die Filmdosen, die bei frischen sechs Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit zwischen 35 und 40 Prozent gelagert werden. Und im Kern der Anlage findet sich gleichsam als Raum im Raum ein Negativlager, bei dem es mit minus sechs Grad Celsius noch frischer zugeht. Dies ist den wertvollen Künstleroriginalen oder den fragilen Farbnegativen vorbehalten.
"Kompletter Systemwechsel"
Beim reinen Wechsel des Depotstandortes belässt man es im Filmmuseum allerdings nicht. "Es ist ein kompletter Systemwechsel", stellte Loebenstein klar. So wurde die Sammlung in den vergangenen zweieinhalb Jahren von den klassischen Metalldosen auf profaneres, aber rostresistentes Plastikexemplare umgestellt, diese komplett mit Barcodes versehen und ein Wechsel des Archivsystems eingeläutet. "Wenn wir schon einmal die gesamte Sammlung in die Hand nehmen müssen, tauschen wir doch gleich die Dosen aus, barcodieren sie und nehmen sie in eine neue Datenbank auf", beschrieb der Filmmuseumschef den Ansatz, der nach fünf Jahren Vorarbeit nun im Neueinzug kulminiert.
Dabei bietet die neue, 1.500 Quadratmeter umfassende Anlage in einem schlicht-eleganten Ziegelbau, in dem sich künftig auch das Foto Arsenal befindet, überdies Raum für Laboratorien, Werkstätten und nicht zuletzt Büros. "Wir haben insgesamt 40 Prozent mehr Kapazität", so Loebenstein. So hat man nun auch Platz für Forschende oder Bildungszusammenhänge. "Man kann das hier alles ideal an einem Ort machen - in der Heiligenstädter Straße hatten wir nicht einmal einen Besprechungsraum." Und einen Puffer hat man auch eingeplant. "Wir gehen bei diesem Lager von zumindest drei Jahrzehnten Nutzungsdauer aus", machte Loebenstein deutlich, dass man gekommen ist, um zu bleiben.
Kooperation mit den Nachbarn
Ein breiter Publikumsverkehr ist hingegen nicht vorgesehen im neuen LAB. Dafür will man allerdings die zentrale Lage im sich entwickelnden Kulturquartier nutzen, das sich aus Foto Arsenal Wien mit seinen Ausstellungsräumen, dem Heeresgeschichtlichen Museum mit einem Vortragssaal samt Filmprojektionsmöglichkeit, dem ImPulsTanz als Nutzer des Areals im Sommer oder dem Blickle Kino im Belvedere 21 zusammensetzt. "Es gibt genügend Synergien in der Umgebung, sodass wir sagen konnten, wir konzentrieren uns ganz auf die technische Bearbeitung und die Forschungsplätze." Es gelte künftig, das Potenzial von Netzwerken zu nutzen.
Auswirkungen der politischen Entwicklung auf den Standort sieht Loebenstein indes nicht. Etwas über 400.000 Euro beträgt der Mehraufwand für das Filmmuseum, das sich am Standort für zumindest 18 Jahre als Mieter verpflichtet hat. "Damit ist die Politik auch ein Commitment eingegangen, dass man diesen Mehraufwand trägt." Und schließlich seien die entsprechenden Beschlüsse einst ohne Gegenstimmen getroffen worden.
Derzeit Verleihstopp
Im Laufe des Sommers hoffe er, das LAB im absoluten Vollbetrieb zu haben, unterstrich Loebenstein. Aktuell ist jedenfalls ein Nutzungs- und Verleihstopp bis Herbst verhängt, um auf Nummer sicher zu gehen, dass man bis dahin die Kinderkrankheiten ausgebügelt hat. Die großen anstehenden Retrospektiven wie "Planet Hongkong" oder "Dreams" am unverändert weiter bestehenden Standort in der Inneren Stadt werden deshalb komplett aus den eigenen Beständen bestritten.
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - https://filmmuseum.at/sammlungen/filmmuseum_lab)
Zusammenfassung
- Das Österreichische Filmmuseum zieht mit 85.000 Filmdosen und 5.000 Kassetten in das neue Filmmuseum LAB um, was 85 Lkw-Fuhren erfordert.
- Die neue Anlage bietet 1.500 Quadratmeter Fläche mit sieben Kilometer Regalen und 40% mehr Kapazität, um die Sammlung bei optimalen Bedingungen zu lagern.
- Ein Verleihstopp bis Herbst soll den reibungslosen Betrieb sicherstellen, während ein Systemwechsel auf rostresistente Plastikdosen mit Barcodes erfolgt.