Dirigent González-Monjas: "Dafür lohnt sich jedes Opfer"
APA: Sie sind 35 Jahre alt und eilen von einem wichtigen Chefposten zum nächsten. Wird Ihnen da nicht selbst schwindelig?
Roberto González-Monjas: Nein. Je länger ich in diesem Geschäft bin, umso mehr gibt es für mich zu entdecken. Es ist natürlich toll, ein gewisses Level zu erreichen, aber das ist nur ein Anfang. Man ist immer nur so relevant wie das letzte Konzert. Insofern ist der Posten als Chefdirigent des Mozarteumorchesters natürlich auch eine riesige Verantwortung. Ich fühle mich klein im Vergleich zu diesem Projekt. Es ist eine Mission, die mein ganzes Leben verändern wird. Dafür lohnt sich jedes Opfer. Mein Leben ist schön. (lacht)
APA: Sie sind momentan Chefdirigent im schweizerischen Winterthur, im schwedischen Falun und ab kommender Saison auch im spanischen Galizien. Nun kommt Salzburg dazu. Tanzen Sie also bald auf vier Hochzeiten?
González-Monjas: Nein, in Falun läuft mein Vertrag nach vier Jahren aus. Aber es stimmt schon - ich werde drei Orchester gleichzeitig leiten. Und ich weiß, das sieht nach viel aus. Zugleich bin nicht der Typ, der jede Saison 20 neue Orchester treffen will. Ich finde das zu stressig. Für die nächsten Jahre werde ich deshalb fast ausschließlich mit meinen drei Orchestern in die Tiefe gehen und nur ganz ausgewählte Gastengagements annehmen. In unserer seltsamen Zeit, in der vieles an der Oberfläche bleibt, ist das für mich auch ein Statement in Richtung mehr Qualität.
APA: Betrifft das auch Ihr zweites Standbein, die Violine? Werden Sie hier weiter zweigleisig fahren?
González-Monjas: Ich dirigiere jetzt schon viel mehr, als ich spiele. Aber die Geige bleibt weiterhin meine Stimme und ein wichtiger Teil meines musikalischen Lebens. Ich werde deshalb oftmals in Konzerten als Dirigent und Solist gleichzeitig auftreten. Das wird vielleicht in den kommenden Jahren auch eine kleine Trademark für das Mozarteumorchester.
APA: Sehen Sie sich als Dirigent eher als Primus inter Pares oder als Alleinherrscher?
González-Monjas: Die Ära der Dirigenten-Diktatoren ist langsam vorbei. Das Prinzip des Primus inter Pares finde ich extrem wichtig. Ich bin jetzt 35 Jahre alt und stehe oft vor Orchestermusikern, die teils länger beschäftigt sind als ich alt bin. Die Musiker des Mozarteumorchesters sind so flexibel, eloquent und erfahren, da wäre es ja blöd von mir, zu sagen: Ich weiß alles, und ihr müsst mir einfach folgen. Musik darf nicht aus Angst entstehen, sondern aus Verständnis.
APA: Erleben wir deshalb momentan die Pultgötterdämmerung?
González-Monjas: Es war auch ein Ausdruck der Zeit, dass diese Figuren so einen Kultstatus hatten. Es gibt natürlich die verschiedensten Dirigententypen, und ich will da auch nicht urteilen. Aber man muss einfach ehrlich in den Spiegel schauen und sich fragen: Wie will ich Musik machen? Für mich ist der Glamour weniger wichtig als der Inhalt. Deswegen habe ich lieber eine nachhaltige, lange Karriere im Auge, anstatt zu früh zu viele Stücke anzugehen, für die die Vorbereitungszeit nicht ausreicht. Und wir müssen die Musik zugänglicher machen.
APA: Wie soll das gelingen?
González-Monjas: Das Mozarteumorchester kümmert sich etwa besonders intensiv um Mozart. Da geht es auch darum, diese Musik zu vermenschlichen und Interpretationen zu liefern, die zurück zu den Zeiten gehen, als er das Publikum entzücken, unterhalten oder schockieren wollte. Wir wollen einfach ein bisschen großzügiger werden und unsere Ideen, unsere Ambitionen und unsere musikalische Visionen mit dem Publikum teilen.
APA: Mozart ist selbstredend der Hausgott des Mozarteumorchesters. Gibt es daneben weitere Komponisten, die sich ins Zentrum stellen möchten?
González-Monjas: Ich bin sehr eklektisch in meiner Repertoireauswahl - ich mache Musik aus allen Epochen und Gattungen. Aber ich möchte das Orchester nun erst einmal kennenlernen, schauen, was die Musiker gerne spielen. Musikalische Beziehungen funktionieren ja auch wie eine Freundschaft, in der man schwierige wie schöne Momente miteinander teilt und daran wächst.
APA: Wie oft werden Sie Ihr neues Orchester in der ersten Saison dirigieren?
González-Monjas: Ich werde zwischen acht und zehn Wochen pro Saison hier sein. Mir ist einfach wichtig, Präsenz zu zeigen. Ein Chefdirigent darf nicht nur einfach ein paar Konzerte dirigieren und dann wieder nach Hause fahren. Es geht darum, in das reiche kulturelle Leben dieser Stadt einzutauchen.
APA: Sie kennen Salzburg ja schon ganz gut, haben Sie doch einen Teil Ihres Studiums hier absolviert...
González-Monjas: Salzburg war damals für mich die erste Erfahrung außerhalb Spaniens, weshalb die Stadt einen sehr großen Einfluss auf mein Leben hatte. Ich hege einfach eine ganz große Liebe zu Salzburg. Insofern ist es wirklich ein Traum, dass ich nun diesen Job bekommen habe!
APA: Wie gehen Sie denn an Ihre Karriereplanung heran? Haben Sie eine Vorstellung davon, wo sie in zehn Jahren sein werden?
González-Monjas: Überhaupt nicht. Als ich Student war, war ich ungeduldig, aber die Zeit ist wirklich vorbei. Als Dirigent braucht man Geduld, Zeit und muss offen bleiben für das, was kommt. Das Schöne an der Musik ist, dass sie uns Orte und Momente eröffnet, von denen man zuvor gar nichts wusste. Wenn ich einen Plan habe, dann ist es der, auch in zehn Jahren noch meine Leidenschaft und meine brennende Freude an der Musik behalten zu haben.
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - www.robertogonzalezmonjas.com/)
Zusammenfassung
- Der 35-jährige Roberto González-Monjas ist am Donnerstag zum neuen Chefdirigent des Salzburger Mozarteumorchesters ab der Saison 2024/25 gekürt worden.
- Der umtriebige Spanier sprach aus diesem Anlass mit der APA über die Arbeit in der Tiefe, den Blick in den Spiegel und die Pultgötterdämmerung.