APA/APA / Burgtheater/Tommy Hetzel

Brecht an der Burg: "Herr Puntila und sein Knecht Matti"

30. März 2025 · Lesedauer 3 min

Es war einmal ein Kapitalist, dessen Menschlichkeit mit dem Grad seiner Alkoholisierung zunahm. Mit der Schnapsflasche in der Hand verbrüdert er sich mit allen, in "Anfällen von Nüchternheit" zeigt er seinen wahren Kern. Gefühlsüberschwang ändert die ungerechten Verhältnisse nicht. Bert Brecht hat "Herr Puntila und sein Knecht Matti" ein Volksstück genannt, Antú Romero Nunes hat es an der Burg als spätes Weihnachtsmärchen für Erwachsene inszeniert. Premiere war am Samstag.

So gefordert war die Bühnenmalerei der Art for Art Werkstätten schon lange nicht. Bühnenbildner Matthias Koch hat mehrere große Bühnenprospekte anfertigen lassen, die mal nach unten, mal zur Seite vorbeiziehen, in ihrer Motivik zwischen Peter Sengl und Christian Ludwig Attersee angesiedelt sind und auf fantasievolle Buntheit setzen. Auch bei den Kostümen (Helen Stein und Magdalena Schön) und Pablo Chemors Bearbeitung von Paul Dessaus Musik für ein Live agierendes Streichquartett setzt diese inklusive Pause fast dreistündige Produktion auf Verspieltheit. Dieser Brecht-Abend ist kein trockenes Lehrstück und versteckt seine nüchterne Botschaft hinter beschwingter bis beschwipster Fröhlichkeit.

Schon in der Eingangsszene darf eine ganze Komparsenschar das versammelte Vieh des finnischen Großbauern Puntila mimen. Da wird gemuht, gemäht und gekräht, dass auch die Allerkleinsten ihre Freude hätten. Später wird gejodelt und getanzt (Tilman Tuppy und Felix Rech machen das allerliebst), und dass Bruno Cathomas als Puntila mal mit dem offenen Oldtimer, mal mit einer fahrbaren Hebebühne herumkurvt, ist mehr ein Beweis für die Vielfalt des Fuhrparks des Hauses als für die Scharfsinnigkeit der Inszenierung.

Cathomas genießt es, sich an Schnapsflaschen und am Glauben festzuhalten, dass eh alles in bester Ordnung sei. Der unangenehme und unbarmherzige Reiche, der Solidarität mit Sentimentalität verwechselt, blitzt nur augenblicksweise auf. Die Umschlagmomente sind verwaschen. Julia Windischbauer macht sich dagegen als Chauffeur Matti keine Illusionen über Macht, Moral und Möglichkeiten. Mit burschikoser Spitzbübigkeit versucht sie sich an Puntilas Tochter Eva heranzumachen, die Marie-Luise Stockinger mitunter in ein derbes Wienerisch verfallen lässt und durchaus gewinnbar scheint.

Sex oder Sechsundsechzig?

Denn der ihr versprochene Attaché ist kein Mann zum Heiraten, und wie biegsam Felix Rech ihn an den Herausforderungen des Lebens vorbeitänzeln lässt, ist sehenswert. Vergnügt sich die Verlobte mit dem Chauffeur am helllichten Tag in der Sauna, dann steht dabei doch sicher nicht Sex, sondern das Kartenspiel Sechsundsechzig auf dem Programm, oder? Auch Tilman Tuppy, Lola Klamroth, Annamária Láng und Justus Maier bekommen ihre feinen Spielmomente in dieser allzu kulinarischen Inszenierung.

Als es gegen Ende darum geht, nachzuweisen, dass eine Ehe zwischen Gutbesitzertochter und Chauffeur bei aller Liebe durch den Standesunterschied zum Scheitern verurteilt ist, ist Schluss mit lustig. Matti kehrt den proletarischen Macho hervor und fordert von Eva eine Unterwürfigkeit ein, die sich heute keine Frau mehr gefallen ließe. Darüber ein wenig mehr nachzudenken, hätte nicht nur dieser Szene gut getan. Rezepte gegen Machträusche aller Art wären nämlich gerade heutzutage wieder sehr gefragt.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Herr Puntila und sein Knecht Matti" von Bertolt Brecht, Volksstück nach Erzählungen und einem Stückentwurf von Hella Wuolijoki. Mit Musik von Paul Dessau und Pablo Chemor, Regie: Antú Romero Nunes, Bühne: Matthias Koch, Kostüme: Helen Stein, Magdalena Schön, Musik: Pablo Chemor. Mit Bruno Cathomas, Lola Klamroth, Annamária Láng, Justus Maier, Felix Rech, Marie-Luise Stockinger, Tilman Tuppy und Julia Windischbauer, Burgtheater. Nächste Vorstellungen: 2., 8., 20.4., www.burgtheater.at)

Zusammenfassung
  • Die Inszenierung von 'Herr Puntila und sein Knecht Matti' an der Burg wird als spätes Weihnachtsmärchen für Erwachsene beschrieben und feierte am Samstag Premiere.
  • Das Bühnenbild von Matthias Koch und die musikalische Bearbeitung von Pablo Chemor tragen zu einer fast dreistündigen, verspielten Atmosphäre bei.
  • Die Inszenierung thematisiert soziale Ungleichheit und endet mit der Erkenntnis, dass eine Ehe zwischen Gutbesitzertochter und Chauffeur an Standesunterschieden scheitern könnte.