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Biedermeier im Leopold Museum: "Eine Epoche im Aufbruch"

09. Apr. 2025 · Lesedauer 5 min

Zu einer Entdeckungsreise in eine Epoche, die man als Wiener zu kennen glaubte, lädt das Leopold Museum ab Donnerstag. "Biedermeier. Eine Epoche im Aufbruch" heißt eine Ausstellung, die Kurator Johann Kräftner zu einer facettenreichen Rückschau gestaltet hat. Unter den rund 190 Exponaten - darunter auch Möbel, Glaswaren und Kleider - befinden sich nur wenige der bekannten Preziosen, dafür viele Überraschungen, die das bisherige Bild dieser Epoche pointiert erweitern.

Es handle sich um "die erste Ausstellung zum Biedermeier im Leopold Museum", sagte Direktor Hans-Peter Wipplinger am Mittwoch bei einem Rundgang mit Journalisten. Der Sammler und Museumsgründer Rudolf Leopold habe als Mittzwanziger zunächst Biedermeier zu sammeln begonnen, seine ersten beiden Erwerbungen (Friedrich Gauermanns "Heimkehr vor dem Gewitter" und Ferdinand Georg Waldmüllers "Unterbrochene Wallfahrt") sind in der Ausstellung zu sehen. Doch die baldige Ausweitung des Interesses des fanatisch sammelnden Augenarztes auf die Wiener Moderne sei logisch gewesen, so Wipplinger: "Die Künstler des Biedermeier wurden von den Avantgardisten der Jahrhundertwende sehr geschätzt." So sei etwa Rudolf von Alt, auf dessen aus dem Belvedere entlehntes berühmtes Stephansdom-Gemälde man gleich im ersten Raum trifft, von den Secessionisten zu ihrem Ehrenpräsidenten ernannt worden.

Politisch war die Zeit, die etwa vom Wiener Kongress 1814/15 bis zum Revolutionsjahr 1848 reichte, eine Zeit der Umbrüche, aber auch der Unterdrückung demokratischer Bestrebungen. Revolutionäres ereignete sich in Kunst und Wissenschaft. "Trotz der Repressalien gab es sehr viel Innovation und Aufbruch", versicherte Wipplinger. "Wir versuchen die Vielfalt dieser Zeitspanne zu präsentieren", fasste Kurator Kräftner, langjähriger Direktor der Liechtenstein'schen Sammlungen, die Intention der bis 27. Juli laufenden Ausstellung zusammen: "Wir zeigen: So modern ist das Biedermeier!"

Schon im ersten Raum betont Kräftner nicht nur die von Wien als Residenzhauptstadt der Habsburgermonarchie in die Städte der Kronländer hinausreichende Internationalität der Aktivitäten von Künstlern und Wissenschaftern, sondern auch die Umbrüche der um sich greifenden Industrialisierung. Zu sehen ist etwa eine Konstruktionszeichnung der 23 Meter langen Luisenbrücke in Baden bei Wien, der ersten Gusseisenbrücke der Monarchie. Aufgrund zu vieler Gussblasen war das Material jedoch porös. Die Brücke stürzte im Juni 1815 gleich bei ihrer Eröffnung ein. Er habe im Badener Rollettmuseum ein erhaltenes Trümmerstück in Händen gehalten, erzählte Kräftner: "Das schaut aus wie aufgeschäumter Koks, aber nicht wie Eisen."

In die Höhe und in die Ferne

Geschichten wie diese finden sich in der Ausstellung, zu der über 60 Leihgeber beigetragen haben, zuhauf. Die Neugier trieb die Künstler im Biedermeier in die Höhe - in Ballonen oder mit Bergschuhen. "Man will hinauf auf die Berge - um hinunterschauen zu können", sagte Kräftner und fügte angesichts zahlreicher pittoresker Bilder von eindrucksvollen Gletschern aktuelle Überlegungen hinzu: "Da muss man traurig werden und zugeben: Der Ursprung ihres heutigen Verschwindens wurde bereits damals gelegt, in der beginnenden Industrialisierung."

Die Neugier trieb die Biedermeier-Männer und -Frauen aber nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Ferne. Zu den erstaunlichsten Entdeckungen der Schau zählen die "Kosmoramen" genannten farbkräftigen Landschaftsbilder, die Hubert Sattler in Ägypten, Mexiko, New York, Istanbul oder Athen malte. 1870 schenkt er das berühmte Rundpanorama Salzburgs, das sein Vater Johann Michael Sattler gemalt hatte, der Mozartstadt - nachdem die Familie Sattler das Panorama auf Europatour gezeigt hatte. Ein Gemälde zeigt die Sattlers zusammengedrängt in der Kajüte ihres Reiseschiffs auf der Elbe. Es wirkt fast wie eine Karikatur jener die Heile Welt betonenden Familienporträts, für die das Biedermeier sonst bekannt ist.

Bürgerliche Inszenierung und expressive Nacktheit

Auch die Porträtsektion bietet Erstaunliches: Ein laut Kräftner "selten im Original gezeigtes" Bild von Peter Fendi etwa, der 1834 auftragsgemäß die 37-köpfige kaiserliche Familie in zweitägiger ausgiebiger Sitzung nicht in imperialem, sondern in bürgerlichem Ambiente festhielt - samt malerisch über den Boden verteilter spielender Kinderschar. Kräftner: "Das war natürlich eine perfekte politische Inszenierung!" Oder Ernst Christian Mosers aus dem Universalmuseum Joanneum entliehenes Bildnis seiner unverwandt den Betrachter anblickenden Mutter (1859), das in seiner stupenden Mischung aus Expressivität und Realismus nur noch von Johann Baptist Reiters "Schlummernder Frau" (1849) übertroffen wird. Die auf einem zerwühlten Bett liegende Nackte zeigt im Kontrast zu dem daneben hängenden, aus den Uffizien entlehnten, nahezu symbolistischen Amerling-Gemälde "Das Souvenir" mit einer verklärt bis entrückt wirkenden halb nackten Liegenden die enorme künstlerische Bandbreite des Biedermeier.

Möbel, Kleider, Vasen und Stoffe führen in den Alltag des Biedermeier ein, in dem man es sich zu Hause so behaglich wie möglich machen wollte - und im Design sowohl bei der Antike Anleihen nahm wie in reduzierter Schlichtheit auf das Kommende verwies. Manches ist hingegen unwiederbringlich verloren: An das 1820-23 von Joseph Kornhäusel für Erzherzog Karl errichtete Schloss Weilburg bei Baden, einst einer der bedeutendsten klassizistischen Bauten in Österreich, erinnern in der Ausstellung einige abgeschlagene Skulpturenköpfe und Bilder des einstigen Interieurs. Zu Kriegsende wurde das Gebäude in Brand gesetzt, die Ruine 1964 gesprengt.

(S E R V I C E - "Biedermeier. Eine Epoche im Aufbruch", Ausstellung im Leopold Museum, Museumsquartier, 10.4. bis 27.7., täglich außer Dienstag, 10 bis 18 Uhr, www.leopoldmuseum.org)

Zusammenfassung
  • Das Leopold Museum in Wien zeigt ab Donnerstag die Ausstellung 'Biedermeier. Eine Epoche im Aufbruch' mit rund 190 Exponaten.
  • Es handelt sich um die erste Biedermeier-Ausstellung des Museums, die von Kurator Johann Kräftner geleitet wird und bis zum 27. Juli läuft.
  • Die Ausstellung umfasst Werke von Künstlern wie Rudolf von Alt, der von den Secessionisten zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde.
  • Ein Highlight sind die 'Kosmoramen' von Hubert Sattler, die Landschaften aus der ganzen Welt zeigen.
  • Die Ausstellung beleuchtet die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche der Zeit sowie die Auswirkungen der Industrialisierung.