Albertina zeigt "True Lies" von Xenia Hausner
"Ich gebe keine Gebrauchsanweisungen oder Leseanleitungen. Im Gegenteil. Eindeutige Lesarten sind langweilig", sagt Xenia Hausner. "Das Leben ist ein Fragezeichen. Kunst muss geheimnisvoll, unangepasst und irrational sein." Die große Retrospektive, die die Albertina der Künstlerin zu ihrem 70. Geburtstag ausrichtet (wobei nur drei Werke aus Beständen des Hauses stammen), wartet mit einigen Selbstporträts auf, im Atelier etwa, oder mit auf sich selbst gerichtete Pistole als Hommage an ein ähnliches Bild von Maria Lassnig, und verzichtet weitgehend auf jene farbkräftigen Porträts, mit denen sich die Wienerin einen Namen gemacht hat.
Das Schwergewicht liegt auf den Inszenierungen, beginnend etwa mit dem Großformat "Nacht der Skorpione" (1995), in dem sie sich selbst (mit Pinsel in der Hand) vor einem imposanten Vollmond an der Seite von drei selbstbewusst den Betrachter anblickenden Frauen zeigt. Sie zeige Frauen "in ihrer Stärke und Entschlossenheit" und bilde damit bewusst ein "Gegenmodell zum stereotypen männlichen Blick", der die Kunstgeschichte dominiere, sagte Kuratorin Elsy Lahner bei der heutigen Pressekonferenz: "Frauen stehen bei ihr für den Menschen an sich. Männer kommen nur als Quotenmänner vor." In "Look Left - Look Right" (2014) fordern drei starke junge Frauen gar den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un heraus.
Mehr als ein Quotenmann liegt im Zentrum des großen Gemäldes "Liebestod" (1996): Eine Szene am Totenbett ihres Vaters, des Malers Rudolf Hausner, hat sie später mit dem Schauspieler Peter Simonischek, ihrer Schwester Tanja und einem großen Hund nachinszeniert. Auch die Regisseurin Alexandra Liedtke, die Schauspielerin Sunnyi Melles, ihre Schwester, die Filmregisseurin Jessica Hausner und andere Prominenz haben wiedererkennbar für Bilder "gespielt", ohne klassisch "Modell zu stehen", sind in Bilder-Rätsel eingebunden, deren Entstehung der Katalog an manchen Beispielen schön nachvollziehbar macht. Installationen, die als Tableaux vivants fotografisch festgehalten und malerisch weiterentwickelt werden.
Mit "Filmstills, denen der Plot abhandengekommen ist", vergleicht der Pressetext diese Bilder, eine Neuinterpretation des Genres des Historienbilds in der Gegenwart nannte Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder diese gemalten Inszenierungen, in denen mit großer Geste und hohem Pathos jenseits eines Realismus eine affektive Auseinandersetzung mit unmittelbar zurückliegenden Ereignissen von historischer Dimension stattfinde: "Es ist eine Konstruktion, keine Rekonstruktion. Die Protagonisten sind Darsteller." Der vierteilige Zyklus "Exiles" (2017/18), aus dem Atelier der Künstlerin ins Museum gekommen, gibt dieser Interpretation eindrucksvoll recht: Szenen von Flucht und Ankunft, inszeniert an Eisenbahn-Fenstern und in einem Abteil, erweitern die Erinnerungen an die "Flüchtlingskrise" von 2015 ins Existenzielle, Allgemeingültige.
"Ich wusste nicht, dass ich so einen großen Beitrag zur Historienmalerei geleistet habe", kommentierte Xenia Hausner Schröders Ausführungen lächelnd. "Künstler sind Einfaltspinsel. Am Ende geht's ja doch nur um Grün, Blau und Rot." Jedenfalls freue sie sich, "dass es jetzt wirklich losgeht". Bis 8. August ist die Ausstellung zu sehen, Online-Führungen gibt es via Zoom in deutscher, englischer und italienischer Sprache.
Und der Titel "True Lies", der auf James Camerons Film anspielt, in dem Arnold Schwarzenegger einen Geheimagenten spielt, der seinen Beruf vor der Familie geheim halten muss? "'True lies', also 'wahre Lügen', lügen mit Bedacht. Jedes gelungene Kunstwerk lügt die Wahrheit herbei", meint Hausner. "Über die Fiktion der Kunst lernen wir die Welt besser verstehen. Darum geht es in meiner Kunst, in jeder Kunst! Ich male erfundene Geschichten, die der Betrachter mit seinem eigenen Leben zur Deckung bringen kann."
(S E R V I C E - "Xenia Hausner: True Lies", Ausstellung in der Albertina, 3.5. bis 8.8., tgl. 10-18 Uhr, Katalog: 34,90 Euro. www.albertina.at)
Zusammenfassung
- Viele dramatische Geschichten werden ab 3. Mai in der Basteihalle der Albertina erzählt.
- Manche haben - wie auch der Ausstellungstitel "True Lies" - zumindest im Titel Bezüge zu Filmen, andere - wie "Winterreise" oder "Sportstück" - weisen auf Musik oder Theater hin.
- Immer sind es jedoch Inszenierungen, die die ehemalige Bühnenbildnerin Xenia Hausner in speziell arrangierten Settings schafft.
- Darum geht es in meiner Kunst, in jeder Kunst!