puls24 Logo

Zivilprozess um Hundebox-Fall gegen Land Niederösterreich

04. Apr. 2025 · Lesedauer 4 min

Im Fall um einen nunmehr 15-Jährigen, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gequält worden sein soll, hat am Freitag in Krems der Zivilprozess um Schmerzengeld für den Buben begonnen. Seitens der Opferanwälte werden 150.000 Euro und die Haftung für künftige Schäden vom Land Niederösterreich gefordert, das die Vorwürfe aber zurückweist. Ein Vergleichsversuch der Richterin scheiterte. Fortgesetzt wird das Verfahren am 17. Juni.

Die Richterin startete am Freitag mit rückblickenden Worten auf das letztjährige Strafverfahren. Es sei "schrecklich", was die beiden Täterinnen dem Buben "angetan haben". Nun gehe es im Zivilverfahren jedoch darum, Schadenersatzansprüche gegen das Amt der Landesregierung zu prüfen. Beim folgenden Vergleichsversuch der Richterin signalisierte Opferanwalt Heinrich Nagl grundsätzliche Gesprächsbereitschaft. Martin Führer von der Rechtsanwaltskanzlei Urbanek, Lind, Schmied, Reisch, der das Land juristisch vertritt, betonte jedoch, dass er "kein Pouvoir für Vergleichsgespräche" habe.

In weiterer Folge werde das Verfahren zunächst auf den Grund des Anspruchs beschränkt, danach werde die etwaige Höhe verhandelt, kündigte die Richterin an. Gehört werden dazu mehrere Zeugen, auch ein Gutachten zur Erkennbarkeit des Gesundheitszustands des Buben soll eingeholt werden.

Die zivilrechtliche Klage hatte Opferanwalt Timo Ruisinger im November des Vorjahres beim Landesgericht Krems eingebracht. Der Gesamtstreitwert beträgt 180.000 Euro, zu 150.000 Euro Schmerzengeld kommen 30.000 Euro an Feststellungsinteresse für die zukünftigen Schäden. Rechtlich gestützt ist die Klage auf das NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz, das Land ist demnach der Träger der Kinder- und Jugendhilfe.

Kernpunkt der Klage ist das Vorgehen zweier Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen a. d. Thaya, die mit dem Fall befasst waren. Deren Handeln und Unterlassen sei dem Land als Träger der Kinder- und Jugendhilfe zuzurechnen. "Es gab eine Vielzahl an Hinweisen, dass die Kindesmutter dem Wohl des Klägers schadet und diesem dadurch körperliche und psychische Schäden zugefügt wurden", heißt es in der Klage.

Nach zwei Gefährdungsmeldungen hatte es seitens der Kinder- und Jugendhilfe am 28. Oktober und am 18. November 2022 (vier Tage, bevor der Bub ins Koma fiel) jeweils unangekündigte Hausbesuche bei Mutter und Sohn gegeben. Zunächst waren beide Sozialarbeiter an Ort und Stelle gewesen, beim zweiten Termin erschien der federführende Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen a. d. Thaya alleine. Geortet wurden von ihm zwar Auffälligkeiten, es wurde aber keine Veranlassung für eine sogenannte Gefahr-im-Verzug-Maßnahme angenommen.

Opfervertreter orteten Versagen

Aus Sicht der Opfervertreter wurde "nicht adäquat" reagiert, insbesondere wäre ein persönliches Gespräch mit dem Kind notwendig gewesen, wurde festgehalten. Den Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft sei "Versagen vorzuwerfen".

Anders sieht dies das Land Niederösterreich. Es liege "keinerlei Sorgfaltswidrigkeit" vor, "sämtliche gesetzlichen Pflichten" seien "vollumfänglich eingehalten" worden, wurde in der Klagebeantwortung festgehalten. "Die Obsorgeverpflichtung und damit das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung oblag beiden Kindeseltern", wird betont. Ein Eingriff in die Elternrechte dürfe "nur unter besonders strengen Voraussetzungen erfolgen", eine "Fremdunterbringung des Minderjährigen" sei sozusagen letztes Mittel und wäre unter den gegebenen Umständen "nicht zulässig gewesen". Ausdrücklich bestritten wurde eine Solidarhaftung des Landes mit der Kindesmutter.

Ermittlungen gegen Sozialarbeiter wurden eingestellt

Gegen die in der Klage angesprochenen Sozialarbeiter war wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt worden. Im März erfolgte aber die mittlerweile rechtskräftige Einstellung des Verfahrens. Es sei für die Beschuldigten nicht erkennbar gewesen, dass die Mutter für die gesundheitlichen Probleme des Buben verantwortlich war, "da sie sich ihrem gesamten Umfeld gegenüber als besorgte Mutter präsentierte, die aktiv an der Problemlösung arbeitet". Die beiden Sozialarbeiter haben aus Sicht der Staatsanwaltschaft Krems entsprechend der Vorschriften gehandelt. Für die "eingriffsintensivste Maßnahmen im Sinne einer Kindesabnahme" habe es "aufgrund der vorgespielten proaktiven und besorgten Haltung" der Mutter "keine erkennbare Veranlassung" gegeben.

Die ursprüngliche Causa selbst sorgte über die Landesgrenzen hinweg für Aufsehen. Die nun 34-jährige Mutter soll ihren Sohn geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben. Am 22. November 2022 hatte sich das Kind in akut lebensbedrohlichem Zustand befunden. Der damals Zwölfjährige überlebte wegen des Einschreitens einer Sozialarbeiterin, die der Familie aufgrund einer Beratung bekannt war. Als Komplizin der Kindsmutter soll eine damalige Freundin der Waldviertlerin fungiert haben.

Die 34-Jährige hatte in dem Geschworenenprozess Ende Februar 2024 wegen versuchten Mordes, Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie wegen Freiheitsentziehung 20 Jahre Haft erhalten. Ihre ehemalige Freundin fasste wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin 14 Jahre aus. In beiden Fällen wurde zudem die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen. Die Urteile sind mittlerweile rechtskräftig.

Zusammenfassung
  • Der Zivilprozess um Schmerzengeld für einen 15-jährigen Jungen, der von seiner Mutter in eine Hundebox gesperrt wurde, hat in Krems begonnen.
  • Die Kläger fordern 150.000 Euro sowie Haftung für künftige Schäden vom Land Niederösterreich, das die Vorwürfe zurückweist.
  • Ein Vergleichsversuch scheiterte, das Verfahren wird am 17. Juni fortgesetzt.
  • Die Klage basiert auf dem NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz, der Gesamtstreitwert beträgt 180.000 Euro.
  • Die Mutter des Jungen wurde wegen versuchten Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt, ihre Komplizin erhielt 14 Jahre.