"Harter Tag" für Opfer: Weinstein-Urteil soll "Weckruf" sein
Im März 2020 wurde der Ex-Filmmogul Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt.
Am Donnerstag wurde die historische Verurteilung von einem Berufungsgericht in New York aber überraschend aufgehoben.
Es sei ein "harter Tag" für die Opfer, sagte Schauspielerin Ashley Judd. Sie ging 2017 als erste Schauspielerin mit Missbrauchsvorwürfen gegen an die Öffentlichkeit.
Video: Vergewaltigungs-Urteil gegen Weinstein aufgehoben
Vom System verraten
Gekippt wurde die Verurteilung wegen eines Verfahrensfehlers: Die Anklage stützte sich damals im Prozess auch auf Zeugenaussagen, die nicht Teil der Anklage waren. Die Entscheidung der sieben Richter in New York fiel dabei mit 4:3 denkbar knapp aus.
"Oftmals sagen Überlebende, dass der Verrat und die moralische Verletzung, die wir innerhalb des Systems erleiden, schlimmer ist, als der sexuelle Übergriff, den wir ursprünglich erlebt haben", kommentierte Judd die Entscheidung. Trotz des Urteils bleibe sie aber kämpferisch: "Wir leben in unserer Wahrheit."
Die Schauspielerin Rose McGowan, die Weinstein Vergewaltigung vorwirft, erklärte auf Instagram ebenfalls: "Sie werden niemals kippen, wer wir sind."
"Weckruf" zum Handeln
Mit einer Kampfansage meldete sich auch die Gründerin der MeToo-Bewegung, Tarana Burke. Sie sei tief bestürzt für die betroffenen Frauen, sagte sie auf einer Pressekonferenz. Aber dies sei kein Schlag für die Bewegung, sondern ein "Weckruf" zum Handeln, betonte sie.
Die von Dutzenden Frauen erhobenen Missbrauchsvorwürfe gegen Weinstein brachten 2017 die weltweite MeToo-Bewegung ins Rollen. Weltweit sahen Betroffene darin auch ihre eigenen Erlebnisse reflektiert. Das Schlagwort "Me too" ("Ich auch") geht auf Burke zurück, damit fanden Opfer öffentlich Gehör.
Opfer und Zeuginnen würden erneut aussagen
Ob gegen Weinstein ein neues Verfahren eingeleitet wird, muss nun Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte gegenüber dem Magazin "The Daily Beast", man werde "alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Fall erneut zu verhandeln".
Sollte es dazu kommen, würde die Hauptzeugin der Anklage, Mimi Haley, in Betracht ziehen, wieder auszusagen, erklärte ihre Anwältin Gloria Allred. Auch sie betonte aber, dass "der Prozess der Aussage für Mimi zermürbend und retraumatisierend war". Man werde "weiter für die Gerechtigkeit kämpfen", so Allred laut BBC.
Video: So kam der Weinstein-Skandal ans Licht
Entscheidung des Gerichts infrage gestellt
Eine der Richterinnen, die gegen eine Aufhebung des Vergewaltigungs-Urteils war, hielt ebenfalls fest, dass "dieses Gericht mit seiner Entscheidung die stetigen Fortschritte, die Überlebende sexueller Gewalt in unserem Strafrechtssystem erkämpft haben, weiter zunichtemacht".
Douglas Wigdor, ein Anwalt, der acht von Weinsteins Anklägern vertrat, merkte an, dass Gerichte routinemäßig Beweise "für andere, nicht angeklagte Taten zulasse". Die Geschworenen seien zuvor über die Relevanz der zusätzlichen Zeugenaussagen belehrt worden.
Wie geht es mit Weinstein weiter?
Unterdes feierten Weinstein und sein Anwaltsteam das Urteil. Nach Aussage seines Anwalts Arthur Aidala sei Weinstein "sehr dankbar", berichtete die "New York Times".
Der 72-Jährige sitzt derzeit in einem Gefängnis im Norden des US-Bundesstaates New York ein. Eine Freilassung Weinsteins steht vorerst nicht an. In einem zweiten Strafprozess in Los Angeles, in dem es ebenfalls um Sexualverbrechen ging, war er 2023 zu weiteren 16 Jahren Gefängnis verurteilt worden wegen Sexualverbrechen.
Doch das Urteil in New York gibt seinem Anwaltsteam Aufwind, auch an der US-Westküste in Berufung zu gehen. Anwältin Jennifer Bonjean könnte bereits Mitte Mai vor einem Berufungsgericht in Kalifornien einen entsprechenden Antrag stellen, berichtete "Variety".
Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen.
Zusammenfassung
- Am Donnerstag wurde ein Vergewaltigungs-Urteil gegen den früheren Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein wegen Verfahrensfehlern aufgehoben.
- Die Wende sorgte in der MeToo-Bewegung für Entrüstung, unterkriegen wolle man sich davon aber nicht lassen.
- Für die Bewegung solle es kein Schlag, sondern ein "Weckruf" sein, forderte die Gründerin Tarana Burke.
- Opfer würden oft sagen, dass "der Verrat und die moralische Verletzung, die wir innerhalb des Systems erleiden, schlimmer ist als der sexuelle Übergriff", so Schauspielerin Ashley Judd.
- Ob gegen Weinstein ein neues Verfahren eingeleitet wird, muss nun Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden.