USA steht doppelte Zikaden-Invasion bevor
Die Zikaden, erkennbar an ihren roten Augen, haben lange auf ihren Einsatz gewartet: Ihre Nymphen - vergleichbar mit den Larven bei anderen Insekten - haben sich schon vor vielen Jahren eingegraben. Im Frühling kommen sie nun nachts aus dem Boden geklettert, sobald sich die Erdtemperatur auf rund 18 Grad erwärmt hat.
Nach dem Schlüpfen häuten sich die Nymphen, legen ihre Außenskelette - schwarze Chitinpanzer - ab und bevölkern die Bäume. Die männlichen Insekten der Gattung Magicicada beginnen dann, mit ohrenbetäubendem Zirpen eine Partnerin für die Fortpflanzung anzulocken.
"In Gebieten mit hoher Konzentration, wenn alle Männchen gleichzeitig zirpen, kann es bis zu 110 Dezibel laut werden, was nahe am Lärmpegel einer Flugzeugturbine ist", erklärte der Entomologe Floyd Shockley vom Smithsonian Naturkundemuseum in Washington. "Wenn ich in einem Gebiet mit hoher Zikaden-Konzentration bin, nutze ich oft Ohrstöpsel, weil das nahe an einem Level ist, bei dem Gehörschäden entstehen." Experten vergleichen schon das Zirpen einer einzelnen männlichen Zikade mit dem Lärm eines Rasenmähers oder eines Motorrads.
Dieses Jahr sei besonders bedeutend, weil es zwei riesige Schwärme etwa zur gleichen Zeit geben werde, sagt der Insektenforscher. Diese Kombination, inklusive wahrscheinlich einer kleinen geografischen Überschneidung der Schwärme, habe es zuletzt vor 221 Jahren gegeben, also 1803. "Niemand, der heute am Leben ist, wird das noch einmal erleben", betont er. Der größte Schwarm zyklisch auftretender Zikaden, die sogenannte Brut XIX (römisch 19), schlummerte 13 Jahre unter der Erde, die Brut XIII (13) sogar 17 Jahre. Damals regierte in den USA noch George W. Bush als Präsident, 2007 war auch das Jahr, in dem das erste iPhone auf den Markt kam. Warum die Zikaden sich an bestimmte Erscheinungszyklen halten, können Wissenschafter nicht sicher sagen.
Experte Shockley geht davon aus, dass in den 17 betroffenen US-Staaten von April bis Juni über eine Billion Zikaden schlüpfen dürften, also mehr als 1.000 Milliarden. "Es dürften auf jeden Fall mehr als eine Billion werden, vielleicht mehrere Billionen." Auch Forscher der Universität von Connecticut gehen für dieses Jahr von mehreren Billionen Zikaden aus. Die Insekten werden sich vor allem in Waldgebieten niederlassen, eher weniger auf landwirtschaftlichen Flächen oder in städtischen Grünanlagen. Wenn man von etwa einer Billion Zikaden ausgehe und die jeweils zwei bis drei Zentimeter langen Insekten aneinander ketten würde, ergäbe sich eine schier endlose Kette. "Sie würde mehrere Male zum Mond und zurück reichen", schätzt Shockley.
Die letzte größere Zikaden-Welle hatte es 2021 gegeben, als Brut X geschlüpft war. In diesem Jahr wird es die ersten großen Schwärme wohl gegen Ende April in südlichen US-Staaten geben, etwa in Mississippi, Alabama und Georgia, sobald sich der Boden durch frühlingshafte Temperaturen hinreichend erwärmt hat. Im Mai dürfte sich die Brut XIX, bekannt als Große Südliche Brut, dann Richtung Norden und hin zur Ostküste ausbreiten. Spätestens im Juni dürfte es auch in Illinois im Norden der USA richtig losgehen: Im Südteil des Bundesstaats wird sich die Brut XIX ausbreiten, in der Nordhälfte und den anliegenden Bundesstaaten die Schwärme der kleineren Brut XIII, die auch als Nördliche Illinois Brut bekannt ist.
Auf die Fläche von etwa einem halben Fußballfeld könnten in manchen Gebieten Experten zufolge mehr als eine Million Zikaden kommen. "In Teilen Chicagos mussten sie das letzte Mal, als die Brut XIII geschlüpft war, Straßen und Gehwege mit Schaufeln von den toten Zikaden befreien", schilderte Shockley.
Zikaden, die sich vor allem von Pflanzensäften ernähren, sind jedoch nicht mit einer biblischen Heuschreckenplage vergleichbar: Während ihres bis zu sechs Wochen kurzen Lebens nach dem Schlüpfen plündern sie keine Äcker und verwüsten keine Landschaften oder Gärten. Im Gegenteil: Wenn die erwachsenen Zikaden massenhaft sterben, werden ihre leblosen Körper den Boden düngen. "Das ist gut für die Bäume", betont Shockley.
Zikaden können sich kaum verteidigen und sind zudem keine guten Flieger, bisweilen fallen sie schlicht zu Boden - was Vögeln, Eichhörnchen und anderen Tieren reichlich Futter bietet. Viele werden gefressen, doch ihre Überlebensstrategie basiert auf dem massenhaften Auftreten. Wenn die Männchen mit ihrer lautstarken Werbung Erfolg haben und die weiblichen Tiere befruchtet sind, schlitzen letztere junge Baumzweige auf und legen ihre Eier dort hinein. Die erwachsenen Zikaden sterben bald nach ihrem ersten und letzten Akt der Fortpflanzung. Nach mehreren Wochen schlüpfen die Nymphen, die sich dann jahrelang in den Boden eingraben. Dort leben sie von einer nährstoffreichen Flüssigkeit, die sie aus Baumwurzeln saugen. In den Jahren 2037 beziehungsweise 2041 werden dann die nächsten Generationen der Brut XIX und Brut XIII schlüpfen.
Zusammenfassung
- Die USA stehen vor einer seltenen doppelten Zikaden-Invasion, bei der zwei Schwärme nach 13 und 17 Jahren aus dem Boden schlüpfen.
- Experten rechnen mit über einer Billion Zikaden, deren Zirpen in hoher Konzentration bis zu 110 Dezibel erreichen kann.
- Die letzte beobachtete doppelte Invasion ereignete sich vor 221 Jahren; ein Ereignis, das kein heute lebender Mensch wieder erleben wird.
- Die Insekten, die sich von Pflanzensäften ernähren, sind für Ökosysteme nützlich, da sie nach ihrem Tod den Boden düngen.
- In einigen Gebieten könnten auf die Fläche eines halben Fußballfeldes mehr als eine Million Zikaden kommen.