APA/APA/dpa/Arne Dedert

US-Forscher fordert "Triage" für große Flüsse der Welt

Die großen Flüsse der Erde sind einer Vielzahl an Stressfaktoren ausgesetzt, neben dem Klimawandel treten bisweilen viel schneller wirkende anthropogene Einflüsse in Erscheinung. "Es braucht eine Triage, wie sie im Notfall in Hospitälern greift", sagte der US-Forscher Jim Best im Hinblick auf nachhaltiges Gewässermanagement. Der Experte spricht bei den "Vienna Water Conferences 2023", die von 21. bis 25. August mit über 1.300 erwarteten Forschern stattfinden.

Der anthropogene Klimawandel hat einen großen Einfluss auf Flüsse weltweit, so der Geowissenschafter im Gespräch mit der APA. Allerdings stellten z.B. auch großflächige Staudammprojekte, hydrologische Veränderungen, Umweltverschmutzung, die Einführung nicht heimischer Arten und Sedimentabbau menschgemachte Stressfaktoren dar, die mitunter in Zeiten von Monaten und Jahren - und schneller als der allgemeine Klimawandel - greifen können und Veränderungen der Flüsse maßgeblich mittragen.

Dammbauten, wie sie weltweit zu finden sind, "können sehr schnell auf Flussregime, Ökologie und die Lebensräume von Menschen wirken" und entsprechende Nebenwirkungen müssten damit höher priorisiert werden, so der Forscher der University of Illinois in Urbana (USA). Neueste Studien zeigten, dass nicht nur das Design von Staudämmen, sondern auch die Reihenfolge ihrer Errichtung entlang des Flusseinzugsgebietes eine große Rolle spielen.

Es brauche ein klareres Bild über die Gefahren in Relation zu ihren zeitlichen Auswirkungen und eine politisch getragene Priorisierung beim Handeln bzw. integrierte Ansätze, so Best, um eine nachhaltige Zukunft sicherzustellen. Einige Stressfaktoren wie Dammbauten seien in ihren Effekten schon gut untersucht, andere wie anthropogener Sedimentabbau, aber auch die Auswirkungen von Antibiotikarückständen in Gewässern oder Mikroplastik, das sich laut jüngsten Studien auch verstärkt in den Flusskorridoren ablagert und über hydraulische Veränderungen wieder mobilisiert werden kann, müssten bei Effekten und zeitlicher Wirkweise noch besser verstanden werden.

Grundsätzlich zeige sich aber bei einigen großen Flüssen weltweit, "dass sich das Management schon sehr vorteilhaft verändert hat und es substanzielle Fortschritte gibt". Renaturierung spiele etwa bei Rhein und Donau, stark regulierten Flüssen, wieder eine größere Rolle. Auch der Huang He (Gelber Fluss) in China ist für Best ein positives Beispiel, "wo Veränderungen bei der Landnutzung das Sedimentregime im Fluss wieder auf ein Niveau gebracht haben, wie es seit über 1.500 Jahren nicht mehr vorhanden war".

Als ein großes Projekt zur Renaturierung der Donau ist Anfang 2023 das EU-Projekt namens "DANUBE4all" gestartet. Über die nächsten fünf Jahre sei es das Ziel, "erstmals einen Donaurückbauaktionsplan unter Einbeziehung der Bevölkerung zu entwickeln", sagte Projektkoordinator Helmut Habersack von der Universität für Bodenkultur (Boku) in einem früheren Gespräch mit der APA. Neunzig Prozent auf einer Gesamtlänge von 2.600 Kilometern seien im Ungleichgewicht mit entweder Erosionserscheinungen oder Anlandungen, hieß es aktuell in einer Aussendung. Projektziel ist es, beispielsweise durch Gewässervernetzung und Uferrückbau Fischbestände zu verbessern, Störungen im Sedimenttransport zu beheben und damit einer Flussbett- und Küstenerosion entgegenzuwirken, sowie Hochwasser- und Trockenheitsrisiken zu minimieren. Auch die Schifffahrt und die Energieversorgung sollen vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen sichergestellt werden.

In Bezug auf die jüngsten Überschwemmungsereignisse in Europa fordert Jim Best gegenüber der APA ein genaueres Hinschauen: "Überschwemmungen sind die tödlichste und kostenintensivste 'Naturkatastrophe'", schrieb der Forscher 2022 in einem Artikel in "Nature Sustainability". Eine Gefahr, die weltweit das Leben von hunderten Millionen Menschen beeinflusse, zu finanziellen Einbußen von 65 Milliarden US-Dollar jährlich führe und letztlich auch zunehme, u.a. durch Klimawandel und Bevölkerungswachstum.

Im Fall des Falles gehe es aber oft nur um jene Schäden, die das Wasser anrichtet. "Hier muss man breiter denken und den massiven Sedimenttransport bei Hochwasser mit seinen langfristigen Folgen stärker berücksichtigen, in Bezug auf die Menschen, auf veränderte Landschaften und die Gestalt der Flüsse sowie die potenzielle Remobilisierung von Schadstoffen" - nämlich bevor man entsprechende Interventionen starte, so der Forscher.

"Die Frage, was wir mit den Flüssen machen und wie wir sie managen, ist eine der schwierigsten Fragen überhaupt", meint Best, auch im Hinblick darauf, dass Flüsse keine nationalen Grenzen kennen. Es brauche hier länderübergreifende Management-Systeme - "auch wenn das die größte Herausforderung bei der Sache ist".

Der 40. Weltkongress der IAHR (International Association for Hydro-environment Engineering and Research), die 5. World's Large Rivers Conference und die 30. Danube Conference finden vom 21. bis 25. August 2023 im Austria Center Vienna und auf Initiative von Boku-Forscher Helmut Habersack in Wien statt. Rund 1.300 internationale Wissenschafterinnen und Wissenschafter werden zu den drei Wasserkonferenzen erwartet.

(S E R V I C E: https://rivers.boku.ac.at/)

ribbon Zusammenfassung
  • Die großen Flüsse der Erde sind einer Vielzahl an Stressfaktoren ausgesetzt, neben dem Klimawandel treten bisweilen viel schneller wirkende anthropogene Einflüsse in Erscheinung.
  • "Es braucht eine Triage, wie sie im Notfall in Hospitälern greift", sagte der US-Forscher Jim Best im Hinblick auf nachhaltiges Gewässermanagement.
  • Renaturierung spiele etwa bei Rhein und Donau, stark regulierten Flüssen, wieder eine größere Rolle.