Umstrittene Studie zu Kollaps des Golfstromsystems
Während der IPCC einen derartigen Zusammenbruch in diesem Jahrhundert für unwahrscheinlich hält, halten die beiden Autoren fest, dass sie davon ausgehen, dass ein Zusammenbruch der AMOC unter Annahme eines derzeitigen Szenarios künftiger Treibhausgasemissionen eintreten werde.
Ein solcher Kollaps zählt zu den sogenannten Kippelemente im Klimasystem und hätte gravierende Folgen auf die Ozeanzirkulation im Nordatlantik, zu der auch das Golfstromsystem gehört, das Europa ein mildes Klima beschert. Ein Wegfall könnte da eine deutliche Abkühlung mit sich bringen. In ihrer Studie wollen die Autoren aufzeigen, dass ein Zusammenbruch der AMOC höchstwahrscheinlich zwischen 2025 und 2095 passieren wird (95-prozentiges Konfidenzintervall).
In der Fachwelt werden diese Annahmen jedoch eher nicht zur Gänze geteilt. So könnten die Auswirkungen des Klimawandels auf die Strömungssysteme auch weniger dramatisch sein, wurde etwa der Meeres- und Atmosphärenexperte Andrew Watson von der Universität Exeter auf dem Wissenschaftsportal www.sciencemediacentre.org zitiert. "Kein völliger Stillstand, sondern beispielsweise eine Veränderung der Orte der Tiefenwasserbildung" könnte wahrscheinlicher sein, da die meisten Modelle derzeit von einer Verlangsamung, aber nicht von einem Stillstand der Umwälzung in diesem Jahrhundert ausgehen.
Das deutsche Science Media Center (SMC) weist darauf hin, das in den vergangenen Dekaden keine offensichtlichen Trends beobachtet worden seien, jedoch eine große natürliche Schwankungsbreite. Klimamodelle, die eine künftige Entwicklung der Golfstromzirkulation genau vorhersagen, seien wegen des komplexen Strömungssystems und zu dünner Datenlage noch nicht möglich.
"Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC beschreibt eine Abschwächung im 21. Jahrhundert als sehr wahrscheinlich, sieht aber keinen abrupten Zusammenbruch in diesem Zeitraum. Gleichzeitig warnt der IPCC davor, dass ein solcher Kollaps durch unerwartete große Einträge von Schmelzwasser aus Grönland ausgelöst werden könnte", heißt es auf dem SMC-Onlineportal
Es sei jedoch erst seit dem Jahr 2004 eine kontinuierliche und genaue Beobachtung des Golfstroms möglich und eine Abschwächung werde dabei beobachtet, aber "um daraus aber klimarelevante Trends ableiten zu können, sind deutlich längere Messreihen notwendig".
Aus Fachkreisen gibt es jedenfalls Kritik an der Methodik der Studie. Jochem Marotzke, Direktor der Forschungsabteilung Ozean im Erdsystem, Max-Planck-Institut für Meteorologie, äußerte etwa erhebliche Zweifel daran, "ob man Messungen der Oberflächentemperatur einfach als AMOC-Stellvertreterdaten benutzen kann". Hier gehe die Arbeit völlig unzureichend auf die Ungewissheiten ein.
"Aktuell beruhen diese Daten aber noch auf indirekten Messmethoden, welche noch nicht ausreichend perfektioniert und getestet wurden, als dass gesicherte Aussagen über die Zukunft der AMOC getroffen werden könnten", hielt indes Levke Caesar vom Institut für Umweltphysik (IUP) an der Universität Bremen fest. Wichtig sei, die AMOC weiterhin direkt zu messen, idealerweise an mehreren Stellen im Atlantik.
(S E R V I C E - Studie im Internet: https://doi.org/10.1038/s41467-023-39810-w)
Zusammenfassung
- Mit einer Warnung vor einem bevorstehenden Kollaps der atlantische Umwälzbewegung haben Klimaforscher Peter Ditlevsen und Mathematikerin Susanne Ditlevsen von der Universität Kopenhagen für eine Kontroverse in der Klimawissenschaft gesorgt.
- Mit ihrer im Fachmagazin "Nature Communications" publizierten Studie setzen sie sich in Widerspruch zum Sachstandsbericht des UNO-Weltklimarats IPCC.