Tiwag adaptiert Kaunertal-Pläne, nun ohne Ötztaler Wasser
Die Tiwag konzentriere sich "darauf, was es vorrangig für die österreichische und europäische Energiewende braucht und trennt die Erweiterung Kaunertal in zwei Projektteile", sagte Vorstandsdirektor Alexander Speckle. Mit dem Pumpspeicherkraftwerk Versetz und dem Speicher Platzertal könne erneuerbare Energie gespeichert werden und "dringend notwendige Speicherkapazitäten und Flexibilitäten für den nationalen wie internationalen Ausbau von Wind- und Sonnenenergie innerhalb des europäischen Verbundsystems" geschaffen werden.
Dafür würden vorhandene Wasserressourcen am Gepatschspeicher und im Einzugsgebiet des Platzertals genutzt. "Wasserableitungen aus dem Ötztal sind vorab nicht notwendig", hieß es. Diese hatten in dem touristisch geprägten Tal im Bezirk Imst zuletzt für Widerstand auch von ÖVP-Bürgermeistern gesorgt. Für Sonntag wäre eine Volksbefragung zu der Thematik in Sölden geplant gewesen.
Wie die "Tiroler Tageszeitung" am Dienstag berichtete, soll Landeshauptmann und Eigentümervertreter Anton Mattle (ÖVP) der Tiwag den Auftrag erteilt haben, Projektstand und Wasserableitungen zu hinterfragen. Der Bürgermeister der Ötztaler Gemeinde Umhausen und ÖVP-Klubobmann im Tiroler Landtag, Jakob Wolf, hielt die nunmehrige Entscheidung für "absolut richtig", die Ötztaler seien aber "nicht grundsätzlich gegen die Nutzung der Wasserkraft", sondern "gegen diese massive Ableitung". Er riet in einer Stellungnahme gegenüber der APA dazu, "mit den Verantwortlichen im Tal in einen ehrlichen Dialog einzutreten, um gemeinsam zu erarbeiten, wie man das Ötztaler Wasser so nutzt, dass auch die Bevölkerung überwiegend dahinter steht."
Dennoch ist die Wasserableitung nicht vom Tisch, komme sie doch im zweiten Projektteil wieder vor, der "u.a. das Unterstufenkraftwerk Prutz 2 und das Kraftwerk Imst 2 sowie die Ableitungen aus dem Ötztal beinhaltet", hieß es seitens der Tiwag. Die Pläne bleiben Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). "Die weiteren Planungsschritte für den zweiten Projektteil werden wir aber erst vornehmen, wenn die Überprüfung der Rahmenbedingungen abgeschlossen sind, die finale Entscheidung zu Imst-Haiming vorliegt und somit die gewässerökologischen Vorgaben klar sind", hielt Speckle fest.
Für die erste Projektphase strebt die Tiwag nun einen in fünf Jahren vorliegenden rechtskräftigen Bescheid an, die Bauzeit soll sich auf sechs Jahre bis 2034 erstrecken. Hinsichtlich des zweiten Projektteils wollte Speckle angesichts der UVP keinen Zeithorizont nennen. Einmal mehr verteidigte die Tiwag das Kraftwerksprojekt. Der Standort Platzertal erfülle "alle Voraussetzungen für einen modernen Speicher." Dass dafür ein Hochmoor im Platzertal geflutet werde, stellte der Energieversorger in Abrede: Das "immer wieder kolportierte Hochmoor ist im Platzertal nicht vorhanden." Vielmehr seien sieben Hektar wertvoller Feuchtböden betroffen, allerdings werde ein "Vielfaches dieser Fläche" als Ausgleich im Umfeld des Speichers vernässt bzw. neu angelegt.
Die oppositionellen Grüne sowie NGOs fühlten sich indes in ihrer Kritik bestätigt und forderten die gänzliche Absage der Kraftwerkspläne. Grünen-Klubobmann Gebi Mair sah ohne das Ötztaler Wasser "ganz neue Möglichkeiten statt des Speichers Platzertals". "Für den bestehenden Gepatschspeicher ist die Ergänzung mit einer kleineren Anlage als Pumpspeicher sinnvoll. Dann kann diese Anlage aber völlig neu dimensioniert und damit auch ein neuer Standort abseits des Platzertals gesucht werden", sagte Mair in einer Aussendung. Er ortete sehr wohl eine "Zerstörung des Hochmoors im Platzertal", von dem nun "abgerückt" werden müsse.
Die Umweltschutzorganisation Global 2000 sah im Vorgehen der Tiwag einen Versuch, "den lokalen Widerstand vor der Volksbefragung zu kalmieren." Die "ohnehin schon schlechte Wirtschaftlichkeit" des Projekts werde durch die Aufteilung in zwei Projektteile "noch weiter verschlechtert", verwies man auf "modernere und günstigere Alternativen." Zwar handle es sich im Platzertal um kein Hochmoor, dafür aber um ein hochalpines Moor, das ein einzigartiger Lebensraum für viele Arten sei und dringend erhalten werden müsse, sagte Reinhard Uhrig, Leiter der politischen Abteilung von Global 2000.
Auch der WWF meinte, dass der Kraftwerksausbau nun "endgültig keinen Sinn mehr macht". Die Tiwag sollte vielmehr die "bekannten Alternativen angehen, die ohne großflächige Naturzerstörung auskommen", wurde auf eine Studie verwiesen, die eine Aufrüstung der bestehenden Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz als Alternative benannte. Die Naturschutzorganisation warnte vor einem "möglichen Täuschungsmanöver von Politik und Tiwag", nachdem die Tiwag "immer noch die Wasserrechte am Ötztaler Wasser besitze".
FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger begrüßte das "Einlenken der Tiwag-Verantwortlichen". Die Wasserkraft als "Tirols Energiemotor" sei zwar ein "wichtiges und hohes Gut", allerdings dürfen "gewisse Projekte nicht gegen den Willen der Bevölkerung geplant werden." Abwerzger bekundete daher "Solidarität mit der Bevölkerung im Ötztal."
Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren zum ersten Mal im Jahr 2009 eingereicht worden. Die UVP war erstmals 2012 gestellt worden. Zuletzt wurde der Tiwag ein Verbesserungsauftrag erteilt. Für das Projekt plante der Energieversorger, bis zu 80 Prozent des Wassers aus der Venter und Gurgler Ache im 34 Kilometer entfernten Ötztal - einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols - auszuleiten. Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ hatte sich indes zum Kraftwerksausbau im Kaunertal bekannt. Die Tiwag betonte stets, am Kraftwerksprojekt Kaunertal führe kein Weg vorbei, um die in Tirol für 2050 anvisierte Energieautonomie zu erreichen.
Zusammenfassung
- Die Tiwag hat ihre Pläne zur Erweiterung des Kaunertal-Kraftwerks angepasst und die Wasserableitung aus dem Ötztal vorerst gestrichen.
- Das Projekt wird in zwei Teile aufgeteilt, wobei der erste Teil das Pumpspeicherkraftwerk Versetz und den Speicher Platzertal umfasst.
- Der zweite Projektteil, der die Wasserableitung aus dem Ötztal beinhaltet, bleibt weiterhin Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung.
- Umweltorganisationen und die Grünen kritisieren das Projekt weiterhin und fordern alternative Lösungen.
- Die Tiwag plant, innerhalb von fünf Jahren eine rechtskräftige Genehmigung für den ersten Projektteil zu erhalten.