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Notaufnahme: Männer werden behandelt, Frauen müssen warten

Selbst bei identischem Schmerzlevel erhalten Frauen in der Notaufnahme seltener Schmerzmittel und müssen durchschnittlich 30 Minuten länger auf eine Behandlung warten, wie eine neue Studie zeigt.

Frauen erhalten nach dem Aufsuchen der Notaufnahme seltener ein Rezept für Schmerzmittel als Männer - zumindest legt das eine Studie mit Daten aus den USA und Israel nahe. Für den geschlechtsspezifischen Unterschied spielt es demnach auch keine Rolle, ob die Behandlung durch einen Arzt oder eine Ärztin durchgeführt wird. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin "PNAS" veröffentlicht.

Unterbehandlung hat gesundheitliche Folgen

"Diese Unterbehandlung der Schmerzen weiblicher Patienten könnte schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der Frauen haben und möglicherweise zu längeren Genesungszeiten, zu Komplikationen oder chronischen Schmerzzuständen führen", erklärt Shoham Choshen-Hillel. Die Professorin der Hebrew University of Jerusalem in Israel leitete die Studie, für die mehr als 20.000 elektronische Patient:inennakten aus Israel und den USA ausgewertet wurden.

Vorurteile beeinflussen Versorgung

Choshen-Hillel und Kolleg:innen vermuten hinter den Ergebnissen ihrer Studie eine geschlechtsspezifische Verzerrung: "Es wird angenommen, dass Frauen ihre Schmerzen im Vergleich zu Männern übertrieben beschreiben", führen sie aus. Dieses Vorurteil sei unter Männern wie Frauen im medizinischen Dienst weit verbreitet.

Ein weiterer Grund könnte den Forscher:innen zufolge sein, dass Männer öfter nach Schmerzmitteln fragen als Frauen. Die Forschergruppe fordert Schulungen für Klinikpersonal, um einer Unterversorgung von Frauen mit Schmerzmitteln entgegenzuwirken.

Schmerzhafte Wahrheit

Aus den israelischen Daten ergab sich, dass 38 Prozent der Frauen, die mit Schmerzen in die Notaufnahme kamen, eine Verschreibung für ein schmerzstillendes Medikament erhielten. Bei Männern waren es bedeutend mehr, nämlich 47 Prozent. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigten sich mit leichten Variationen bei leichten, mittelstarken und starken Schmerzen, die von den Patientinnen und Patienten angegeben wurden. Alle Altersklassen waren in ähnlicher Weise von diesem Unterschied betroffen.

Längere Wartezeit in der Notaufnahme

Auch mussten Frauen durchschnittlich 30 Minuten länger in der Notaufnahme auf eine Behandlung warten als Männer, was verheerende Folgen mit sich ziehen kann. "Wir haben festgestellt, dass Krankenschwestern Schmerzwerte für Frauen seltener erfassen als für Männer", schreiben die Studienautoren und -autorinnen. (Anm.: Die Stärke von Schmerzen wird zum Beispiel auf einer Skala von 1 bis 10 angegeben.)

Frau wartet auf BehandlungAdobe Stock

Die "dramatische" und "hysterische" Frau: Weil sich alte Vorurteile halten, erhalten Frauen laut Studie keine adäquate Behandlung.

Experiment: Auch Schmerzen werden unterschätzt

Die Forschenden luden Ärzteschaft und Pflegepersonal des University of Missouri Health Care Hospitals zu einem Experiment ein. Es beteiligten sich 109 Personen, davon 96 Prozent Pflegepersonal und 85 Prozent Frauen. Sie erhielten entweder die Beschreibung eines Patienten mit starken Rückenschmerzen oder die einer Patientin mit starken Rückenschmerzen - die sich bis auf das Geschlecht nicht unterschied.

Von dem teilnehmenden Gesundheitspersonal wurde die Schmerzintensität von Patientinnen niedriger eingestuft als die von Patienten. "Die Ergebnisse der klinischen Szenariostudie legen nahe, dass Gesundheitsdienstleister die Schmerzberichte von Frauen im Vergleich zu denen von Männern unterschätzen", heißt es im Fachartikel.

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Notwendigkeit von Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für medizinisches Personal, um sicherzustellen, dass Patient:innen unabhängig vom Geschlecht eine angemessene Schmerzversorgung erhalten.

ribbon Zusammenfassung
  • Eine Studie zeigt geschlechtsspezifischen Unterschiede in der medizinischen Versorgung von Frauen und Männern.
  • Frauen warten durchschnittlich 30 Minuten länger auf eine Behandlung als Männer und erhalten seltener Schmerzmittel in der Notaufnahme.
  • Generell werden Schmerzwerte, etwa mittels Schmerzskala, von Krankenschwestern seltener erfasst, wenn es sich um eine weibliche Patientin handelt.
  • Die Studie fordert Schulungen für Klinikpersonal, um Vorurteile und die Unterversorgung von Frauen mit Schmerzmitteln zu bekämpfen.