Neues Wasserbaulabor in Wien im Probebetrieb
Der imposante Neubau steht in unmittelbarer Nähe des von Otto Wagner errichteten Strombauamts und direkt hinter der Nussdorfer Wehr, dem Einlaufwerk des Donaukanals. Noch sind hier die Baufirmen eifrig am Arbeiten. "Wie vermutlich bei jedem größeren Bauvorhaben hat es leider Verzögerungen gegeben", sagt Institutsleiter Helmut Habersack im Gespräch mit der APA. "Spätestens bis Jahresende sollte das Gebäude jedoch fertig werden. Doch schon jetzt arbeiten wir im Probebetrieb von Teilbereichen und bauen auch bereits Versuche auf. Im Oktober wollen wir mit Versuchen starten, sodass wir heuer schon erste Ergebnisse schaffen." Im Rahmen von EU-finanzierten Projekten steht man unter Zeitdruck. Glücklicherweise konnte das ausgeweitete Forschungsgerinne, welches gemeinsam mit dem "Main Channel" das Herzstück darstellen wird, bereits im Mai den Probebetrieb aufnehmen.
Zu den ersten Forschungsvorhaben zählen ein Projekt über mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Fischdurchgängigkeit und damit der Biodiversität des Wienflusses im Auftrag der Stadt Wien und das im Juni genehmigte, von Habersack koordinierte 5-Jahres-EU Horizon Europe Mission Projekt "DANUBE4all" mit über 40 internationalen Partnern, das in einen großen "Danube Basin Restoration Action Plan" münden soll. "Das ist ein super Auftrag, mit dem im Jänner begonnen wird." Denn eine Spezialität des neuen Wasserbaulabors mit der Möglichkeit, Durchflüsse bis zu 10 Kubikmeter pro Sekunde ohne Pumpen und Maßstäbe bis 1:1 unter Laborbedingungen zu erzielen, ist die kombinierte Nutzung für Grundlagenforschung und angewandte Forschung.
Wesentliche Erkenntnisse über den Sedimenttransport in Flüssen, über Ökohydraulik und Nachhaltige Wasserkraft, Hochwasser-, Dürre- und Bewässerungsfragen sollen hier ebenso gewonnen werden wie konkrete Ergebnisse für Wildbachverbauungen, die Schifffahrt oder den Rückbau von Flüssen. Ein Ziel betreffend Hochwasserrisikomanagement oder auch Dürremanagement ist etwa, konkrete Zahlen der Wirkung von notwendigen Überflutungsflächen zu generieren. "Alle Überflutungsflächen müssen einen bestimmten Wert für den Wasserrückhalt und die Ökologie zugewiesen bekommen. Nur so können Grenzwerte definiert und bei Bewilligungsverfahren und Bebauungsplänen berücksichtigt werden", sagt Habersack und lässt keinen Zweifel daran, dass er die weiter voranschreitende Bodenversiegelung für ein Grundübel im zunehmend gestörten Wasserhaushalt hält.
Da ist nämlich viel in Bewegung, mehr als uns lieb sein kann. Drei Effekte werden sich in den kommenden Jahren unheilvoll kombinieren, erläutert der Forscher. "Der Klimawandel bringt mit den höheren Temperaturen mehr Verdunstung. Gleichzeitig kann es über längere Zeiträume weniger Niederschläge geben, und bald wird auch die Gletscherspende fehlen. Welche Auswirkungen diese Kombination haben wird, ist die große Frage der Zukunft."
Hinter dem harmlosen Wort Gletscherspende verbirgt sich Dramatisches: Bis 2050 wird es in den Alpen wohl kaum mehr Gletscher geben. Das Schmelzwasser, das diese im Sommer bisher abgaben, wird dem heimischen Wasserhaushalt fehlen. "Für den Rhein in Deutschland und Holland bedeutet das im Worst Case im Sommer bis zu ein Viertel weniger Wasser in extremen Dürreperioden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Schifffahrt, die dort mit ca. 100 Mio. Tonnen im Jahr ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist", sagt Habersack, der auch Präsident der Internationalen Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (KHR) ist. "Bei der Donau wird der Einfluss ähnlich sein - detaillierte Studien dazu gibt es aber noch nicht."
Was es aber sehr wohl gibt, sind die noch nicht publizierten Ergebnisse eines Projekts mit der Weltbank. "Das hat ergeben, dass sich der sommerliche Durchfluss der Donau in den letzten 75 Jahren zwischen 5 und 13 Prozent reduziert hat. Zwar hat sich dieser andererseits im Herbst und Winter erhöht, im Mittelwert der letzten 40 Jahre ist aber eine Reduktion feststellbar, während langfristig kaum Änderungen erkennbar sind. Die Durchflussentwicklung wird für alle Nutzer ein Thema werden." In der Schifffahrt wird man sich um vorausschauendes Entgegensteuern von zu geringen Fahrwassertiefen kümmern müssen, in den Laufkraftwerken geht (wie gegenwärtig) die Stromproduktion zurück, wenn der Wasserstand zurückgeht.
Und auch im Bereich der Trinkwasserversorgung sieht Habersack Veränderungen: "Die Hochrechnungen Richtung 2050 zeigen regional stark unterschiedliche Entwicklungen, bei denen es zu Steigerungen des Bedarfs bei gleichzeitigem Rückgang der Verfügbarkeit etwa der Grundwasserressourcen kommen kann. Da kann es künftig im ungünstigsten Fall passieren, dass man bei Trinkwasser aufpassen und temporär und regional Maßnahmen wie Gartengießverbote setzen muss. Übrigens dienen nur vier Prozent der Grundwasserentnahmen der Landwirtschaft z.B. für Beregnung, 70 Prozent dienen dagegen der Industrie, großteils für Kühlung. Da muss man unbedingt schauen, wie man technologisch weiterkommt. Die Bereiche Wasser, Nahrung und Energie hängen extrem stark zusammen. Es wäre generell wichtig, mit der Ressource Wasser nicht sorglos umzugehen."
Die offizielle Eröffnung des neuen Wasserbaulabors ist derzeit für Juni 2023 vorgesehen. Und schon kurz darauf wartet eine einzigartige Gelegenheit für weltweites Echo: Von 21. bis 25. August 2023 wird nicht nur erstmals der Weltkongress der "International Association for Hydro-Environment Engineering and Research" (IAHR) in Wien abgehalten, sondern auch mit der "World's Large River Conference" und der "Danube Conference" zu den "Vienna Water Conferences 2023" kombiniert. "Da werden rund 1.200 internationale Expertinnen und Experten nach Wien kommen", freut sich Habersack, der auch an der Spitze des Organisationskomitees steht, "und wir werden was Ordentliches zum Herzeigen haben."
Zusammenfassung
- Auf Flüssen wie Rhein und Elbe muss der Schiffsverkehr reduziert oder eingestellt werden.
- In Kürze bekommt man im Norden Wiens ein tolles Headquarter, das Wasserbaulabor am Brigittenauer Sporn.
- "Spätestens bis Jahresende sollte das Gebäude jedoch fertig werden.
- Doch schon jetzt arbeiten wir im Probebetrieb von Teilbereichen und bauen auch bereits Versuche auf.
- Im Rahmen von EU-finanzierten Projekten steht man unter Zeitdruck.