Mordversuchanklage gegen Mitbeschuldigten zurückgezogen
Die Anklagebehörde begründet diesen Schritt damit, dass gemäß §190 Ziffer 2 StPO kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten bestehe, wie Florian Kreiner, der Verteidiger des 46-Jährigen, der APA mitteilte. "Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist als logische Konsequenz aus den Beweisergebnissen der ersten Verhandlung zu sehen. Richtigerweise wäre der Vater freizusprechen gewesen. Und der Sohn wäre dem Wahrspruch der Geschworenen zufolge wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu verurteilen gewesen", meinte Kreiner am Donnerstag. Er sei "zuversichtlich, dass die Geschworenen im zweiten Rechtsgang hinsichtlich des Sohnes zum gleichen Ergebnis kommen werden."
Am Ende der ersten Verhandlung hatten die acht Geschworenen Anfang Oktober nach stundenlangen Beratungen über die Schuldfrage die Anklage verworfen. Sie befanden den Hauptangeklagten der zweifachen absichtlichen Körperverletzung für schuldig. Dem 46 Jahre alten Vater billigten sie gerechtfertigte Notwehr in einer Nötigungssituation zu. Die drei Berufsrichter - zwei Männer und eine Frau - akzeptierten diese Entscheidung allerdings nicht. Sie setzten den Wahrspruch wegen Irrtums der Geschworenen aus.
Damit wäre an sich die Verhandlung gegen die beiden vor einem neu zusammen gesetzten Schwurgericht neu durchzuführen. Nun ist allerdings der Vater, der nach der ersten Hauptverhandlung mangels dringenden Tatverdachts enthaftet wurde - sein Sohn befindet sich nach wie vor in U-Haft - nicht mehr als Beschuldigter geladen. Er hat eine Zeugenladung erhalten, "der er selbstverständlich nachkommen wird, um unter Wahrheitspflicht seine Aussage zu machen", wie sein Verteidiger bekräftigte.
Niedergestochener am OP-Tisch reanimiert
Der 22-Jährige hatte in der ersten Verhandlung eingeräumt, zugestochen zu haben. "Ich wollte nicht, dass wer stirbt", bestritt er jedoch den Tötungsvorsatz. Sein Vater stellte in Abrede, etwas Strafbares gemacht zu haben.
Die niedergestochenen Opfer überlebten, obwohl die Klinge dem Jüngeren die innere Brustkorbschlagader durchtrennt und die Lunge beschädigt hatte. Der lebensgefährlich Verletzte erlitt nach seiner Überstellung in ein Spital am OP-Tisch einen Kreislaufzusammenbruch und hatte keinen Puls mehr. Er konnte dank der raschen Reaktion eines Chirurgen reanimiert werden. Dem zweiten Syrer brachte der 22-Jährige eine zehn Zentimeter tiefe Stichwunde in der rechten vorderen Brustwand bei. Dem mitangeklagten Vater des jungen Tschetschenen war ursprünglich vorgeworfen worden, mit gezücktem Messer Zeugen der Tat in Schach gehalten und davon abgehalten haben, dem ersten Niedergestochenen zu Hilfe zu kommen.
Der 22-Jährige war zunächst am Nachmittag des 1. März am Reumannplatz von einem der beiden Syrer angeblich auf Drogen angesprochen worden. Das habe ihn provoziert und aggressiv gemacht, denn er hasse Suchtgift, behauptete er später. Es kam zu Tätlichkeiten, wobei der Tschetschene den Kürzeren zog, da ihn sein Kontrahent mit Pfefferspray besprühte und ihm einen Kopfstoß versetzte. Dann lief der Syrer davon.
Der junge Tschetschene ging nach Hause, wo er sich mit seinem Vater besprach. Am Abend begaben sich beide zum Reumannplatz. Als der Jüngere einen der beiden Syrer wiedersah, kam es zu einer Schlägerei. Weil die Syrer Unterstützung von anderen Männern erhalten hätten und ihm überlegen waren, habe er sein Messer gezückt.
Waffenverbot am Reumannplatz weiter in Kraft
In Folge gehäufter Messerstechereien in der Gegend um den Reumannplatz und den Keplerplatz war im vergangenen Frühjahr ein Waffenverbot für diesen Bereich in Kraft getreten. Dieses wurde zuletzt verlängert.
Zusammenfassung
- Die Anklage gegen den 46-jährigen Vater eines 22-jährigen Tschetschenen wurde zurückgezogen, während der Sohn sich wegen versuchten Doppelmords vor Gericht verantworten muss.
- Der 22-Jährige hatte zwei Syrer am Reumannplatz mit einem Messer attackiert, wobei einer der Männer lebensgefährlich verletzt wurde und auf dem OP-Tisch reanimiert werden musste.
- Ein Waffenverbot bleibt in der Gegend um den Reumannplatz bestehen, nachdem es dort vermehrt zu Messerstechereien gekommen war.