Langzeitfolgen nach Gehirnerschütterung bei Sportlern
"Eine Gehirnerschütterung kann langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit des Organs haben. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die Erholung des Gehirns Monate bis Jahre dauern kann, selbst nachdem Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Gleichgewichtsprobleme verschwunden sind", sagte der Erstautor der wissenschaftlichen Untersuchung in "Neurology" (DOI:10.1212/WNL.0000000000213513), Nathan Churchill, vom St. Michael's Hospital in Toronto, wie jetzt das Deutsche Ärzteblatt berichtete.
Das Forschungsteam beobachtete Sportler und Sportlerinnen vor und nach einer Gehirnerschütterung über ein Jahr hinweg. Dabei wurden mehrere Untersuchungen per Magnetresonanzuntersuchung durchgeführt. Mit ihnen wurden Funktion und mögliche Veränderungen der Struktur des Gewebes dargestellt. Die untersuchten Athleten waren rund 20 Jahre alt. Sie hatten eine Unfall-Sportambulanz aufgesucht.
Die Daten von 25 Patienten mit einer diagnostizierten Gehirnerschütterung wurden 27 Probanden einer Kontrollgruppe gegenübergestellt. Die MR-Untersuchungen erfolgten ein bis sieben Tage nach dem Sportunfall, bei Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung sowie im Zeitraum von ein bis drei Monaten danach und schließlich ein Jahr nach der Blessur. Die Athleten hatten auch schon vor dem Sportunfall eine MR-Untersuchung gehabt, wodurch sich bei den an der Studie teilnehmenden Personen die Möglichkeit eines weiteren Vergleichs der Befunde vor und nach dem Unfall ergab. Basketball, Fußball, Rugby, Volleyball und Hockey waren die häufigsten Sportarten.
Die Konsequenzen der Unfälle waren jedenfalls langfristig: Die Wissenschafter fanden zunächst heraus, dass die MR-Untersuchungen von Sportlern mit Gehirnerschütterung immer noch Anzeichen von strukturellen und neurophysiologischen Veränderungen zeigten, selbst wenn sie wieder trainieren durften. Folgen des Unfalles waren aber auch noch nach einem Jahr feststellbar. Veränderungen wurden auch bezüglich der Leistungsfähigkeit der weißen Substanz im Gehirn registriert. Nach einem Jahr wurden allerdings keine signifikanten Unterschiede zur Zeit vor dem Zwischenfall beobachtet.
So war zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Trainings nach einer Gehirnerschütterung der Blut-Durchfluss um durchschnittlich 8,97 Milliliter pro hundert Gramm Blut pro Minute geringer als bei der Erstuntersuchung. Das steigerte sich sogar noch im Zeitraum bis zu einem Jahr nach dem Unfall. Betroffen war vor allem der sogenannte frontoinsulare Kortex des Gehirns. Diese Gehirnregion wird mit dem Denken, dem Gedächtnis, Emotionen und Sozialverhalten in Verbindung gebracht.
Summieren sich Folgen von Verletzungen?
"Das Vorhandensein signifikanter, lang anhaltender Veränderungen des Gehirns nach einer Verletzung verstärkt die Besorgnis über die Folgen wiederholter Gehirnerschütterungen und darüber, inwieweit sich diese Auswirkungen im Laufe der Zeit anhäufen", wurde der kanadische Erstautor der Studie in einem Kommentar zitiert.
Die Befunde aus dieser Arbeit deuteten darauf hin, dass die (neuro)physiologische Genesung nach einer Gehirnerschütterung länger anhält als die Genesung, was wahrnehmbare Symptome betrifft, schrieben dazu Aurore Thibaut und Geraldine Marens, Wissenschafterinnen in der Abteilung für Neurologie am Universitätsklinikum in Lüttich, in einem Kommentar zu der Studie in der Fachzeitschrift "Neurology". Man sollte jetzt genauer untersuchen, wie das auch bei anderen Menschen als jungen Sportlern abläuft. Stürze und Kopfverletzungen sind ja besonders bei alten Menschen häufig.
Zusammenfassung
- Kanadische Neurologen haben festgestellt, dass Gehirnerschütterungen bei Sportlern langfristige Folgen haben können, da der Blut-Durchfluss in bestimmten Gehirnregionen auch nach einem Jahr noch verändert ist.
- In einer Studie mit 25 Athleten und 27 Kontrollpersonen zeigten MR-Untersuchungen strukturelle und neurophysiologische Veränderungen, wobei der frontoinsulare Kortex besonders betroffen war.
- Die Ergebnisse werfen Fragen über die kumulativen Auswirkungen wiederholter Gehirnerschütterungen auf und fordern weitere Untersuchungen, insbesondere bei älteren Menschen.