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Kriminelle Vereinigung: Ermittlungen gegen "Letzte Generation"

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen die Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung (Paragraf 278 StGB). Rechtsanwälte kritisieren das als "lächerlich".

Nach den jüngsten Protesten der "Letzen Generation" wird gegen mehrere Mitglieder ein entsprechendes Verfahren geführt. Grundlage sind die jüngsten Proteste.

Die Klima-Aktivisten hatten sich mit einer Sand-Superkleber-Mischung auf der Südautobahn (A2) und am Wiener Ring festbetoniert. Ihnen wird schwere Beschädigung von Teilen der kritischen Infrastruktur vorgeworfen. "Die Proteste haben damit ein neues Level erreicht", so Sprecherin Judith Ziska. Es habe schweres Gerät erfordert, um die Aktivistinnen und Aktivisten von der Straße zu lösen.

Laut Definition einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 278 StGB zählt die Begehung von "nicht geringfügigen Sachbeschädigungen". 

Letzte Generation: 23 Personen im Visier der Justiz

Zu Hausdurchsuchungen - wie bei Ermittlungen auf Basis von Paragraf 278 StGB oft der Fall - sei es nicht gekommen. Gegen wie viele Personen konkret ermittelt wird, sei noch unklar, heißt es von der Behörde. "Es handelt sich aber jedenfalls um jene Personen, die sich seit 20. November an Autobahnen oder anderen Verkehrsknotenpunkten mit dieser neuen Klebe-Mischung befestigt haben", sagte Ziska. Die "Letzte Generation" sprach von 23 Personen, gegen die bisher auf Basis des Paragrafen 278 StGB ermittelt werde.

Klima-Aktivistin: "Werden weiterprotestieren"

Mitglied Afra Porsche spricht bei PULS 24 Anchor Daniel Retschitzegger über die Ermittlungen.

Vor mehr als einer Woche hatte die Staatsanwaltschaft Wien nach einer Aktion mit sogenannten "Mumienhänden" bereits Untersuchungshaft wegen schwerer Sachbeschädigung gegen die bekannte deutsche Klimaaktivistin Anja Windl beantragt. Das Landesgericht hatte den Antrag jedoch abgewiesen. Wie nun bekannt wurde, läuft auch gegen Windl ein Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.

"Der Paragraf 278 StGB wurde für die Bekämpfung organisierter Kriminalität geschaffen", sagte Rechtsanwalt Ralf Niederhammer, der die Klimaschützerinnen und -schützer zusammen mit weiteren Strafverteidigern vertritt. "Nun wird er gegen eine als 'lästig' empfundene zivilgesellschaftliche Bewegung verwendet." Er rechne darum mit einer Einstellung des Verfahrens, so Niederhammer.

Rechtsanwalt: "Lächerlich"

Noch deutlicher formulierte Rechtsanwalt Clemens Lahner seine Kritik an den Behörden. Der Vorwurf der kriminellen Vereinigung sei "lächerlich", so Lahner zur APA. "Dieser Versuch, den legitimen Protest zu kriminalisieren, anstatt endlich auf die Wissenschaft zu hören, die Ärmel hochzukrempeln und die Klimakrise anzugehen, ist ein Armutszeugnis", sagte Lahner. "Das wird nach hinten losgehen", hieß es. "Junge Menschen haben heute mehr Angst vor der Klimakatastrophe, als vor Repression durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Je aggressiver die Unterdrückung des Protests, desto stärker die Solidarität."

"Letzte Generation" will weitermachen

Die "Letzte Generation" sprach am Montag von einer "Kriminalisierung friedlicher Proteste" und wiederholte ihre Forderungen an die Politik. "Sobald die Empfehlungen des Klimarates umgesetzt werden, sind unsere Proteste nicht mehr notwendig", sagte Aktivistin Laila Fuisz. "Wir sind entschlossen, die Aktionen fortzusetzen, bis die Regierung mit der Umsetzung der Empfehlungen des Klimarates beginnt", ergänzte Sprecherin Marina Hagen-Canaval.

NGOs fordern "Einhaltung der demokratischen Grundprinzipien"

Rückendeckung bekamen die Aktivistinnen am Montag auch vom Ökobüro, dem Dachverband der österreichischen Umweltschutzorganisationen. In einer gemeinsamen Stellungnahme äußerten unter anderem NGOs wie Global 2000 oder WWF harsche Kritik an dem Verfahren. "Wir verurteilen die Kriminalisierung von friedlichem Protest aufs Schärfste und sehen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft auf Basis der vorliegenden Informationen als überschießend und unverhältnismäßig", hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme am Vormittag. Versammlungsfreiheit und die Möglichkeit zu Protest seien ein Grundrecht der Demokratie. Die Organisationen forderten die "Einhaltung der demokratischen Grundprinzipien" und den Schutz von Protestierenden ein.

Die Proteste ab 20. November hatten unter anderem auf der Südautobahn (A2), der Südosttangente (A23), dem Ring und weiteren Stadteinfahrten nach Wien für großflächiges Verkehrschaos gesorgt.

Im Mai war es bereits in Bayern zu Razzien bei Mitgliedern des deutschen Ablegers der Gruppe aufgrund eines ähnlichen Paragrafen gekommen. Das Münchner Landgericht I bestätigte die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchungen erst vor weniger als zwei Wochen und sieht den Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung gegeben.

DSN sah noch kürzlich keinerlei Extremismus

In Österreich hatte die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) gegenüber der APA noch im Oktober betont, dass man die Gruppe als ungefährlich einstufe. Die "Letzte Generation" in Österreich sei "eindeutig nicht extremistisch" und "absolut transparent", wurde damals mitgeteilt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen die Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung (Paragraf 278 StGB).
  • Rechtsanwälte kritisieren das als "lächerlich".