Rafah-Offensive in Gaza: "Was muss noch passieren?"
Mehrere Bataillone der radikalislamischen Hamas würden sich in der Stadt nahe der ägyptischen Grenze verschanzen, so die Erklärung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Freitag. Seine Truppen würden deshalb eine Bodenoffensive vorbereiten.
Am Wochenende führte die israelische Armee bereits mehrere Luftangriffe auf Rafah durch, wobei laut palästinensischen Angaben bereits über 100 Menschen ums Leben kamen. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht.
Rund 1,4 Millionen Menschen in Rafah zusammengepfercht
Hochproblematisch sind die Luftangriffe sowie die geplante Offensive, weil Millionen Palästinser:innen aufgrund der Angriffe im Norden Gazas in den Süden geflohen sind - auch auf Anordnung Israels. Rafah hatte vor dem Krieg eine Einwohnerzahl von ca. 300.000 Menschen gehabt. Mittlerweile seien es 1,4 Millionen. Diese Tatsache sorgte vor allem international für viel Kritik.
Die US-Regierung hatte sich in den vergangenen Tagen deutlich gegen ein militärisches Vorgehen in Rafah ausgesprochen. "Wir glauben, dass eine Militäroperation zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe für diese Menschen wäre", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby.
Auch UNO-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer humanitären Katastrophe und Folgen für die gesamte Region.
https://twitter.com/antonioguterres/status/1755719870040224182
"Verletzung des humanitären Völkerrechts"
Auch Volker Türk, UNO-Menschenrechtshochkommissar, übt im Ö1-"Morgenjournal" am Montag Kritik an Israels Vorgehen und spricht von einer "kollektiven Bestrafung der Palästinenser". Die "Abkopplung von humanitärer Hilfe" sei eine "Verletzung des humanitären Völkerrechts", so Türk. Er habe "schwerwiegende Bedenken", dass Israels Vorgehen "verhältnismäßig ist".
Rund 1,4 Millionen Menschen befinden sich in der Stadt in Südgaza - ohne zureichende Ernährung und humanitäre Unterstützung. Viele hätten miterlebt, dass ihre Familienangehörigen getötet wurden. "In so einer Situation noch einen Angriff zu führen, da frage ich mich schon: Was muss noch passieren?", betonte der Österreicher gegenüber dem ORF-Radio.
Er und die UNO werden gegen diese "Verletzung des humanitären Völkerrechts" persönlich vorgehen. "Diese Sündenbock-Mentalität ist etwas sehr Schlimmes." Dem US-Sender "ABC News" erklärte Netanjahu am Sonntag unterdessen, dass man für die Zivilbevölkerung sichere Korridore gewährleisten will. Ein detaillierter Plan werde ausgearbeitet. Genaueres ließ er zunächst offen.
Nach eigenen Angaben hat die israelische Armee während der Angriffe im Süden Gazas zwei Hamas-Geiseln in der Nacht auf Montag in Rafah befreit.
300.000 Menschen von Versorgung abgeschnitten
Im gesamten Gazastreifen spitzte sich die katastrophale, humanitäre Lage zuletzt zu. Hilfskonvois erhalten teils keine Einfahrtsgenehmigung, so die BBC am Samstag, weswegen Kinder tagelang nichts zu essen hätten.
Viele würden sich schon von Futtergetreide ernähren - doch auch das werde knapp. Laut UNO leiden mittlerweile 15 Prozent der Kinder unter Mangelernährung.
Mehr als die Hälfte der Konvois, die Lebensmittel sowie Trinkwasser der Vereinten Nationen liefern sollen, hätten in den Gazastreifen nicht einfahren können, so das UNO-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Rund 300.000 Menschen seien von der Versorgung abgeschnitten.
Am Montag wurde eine weitere Lebensmittellieferung im Umfang eines Monatsvorrats im Hafen blockiert worden, sagte der UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini.
Das Hilfswerk war zuletzt stark in die Kritik geraten. Von israelischer Seite gab es immer wieder Vorwürfe, es arbeite mit der Hamas zusammen. Konkret wurde einigen Mitarbeitern zur Last gelegt, an den Terrorakten der islamistischen Hamas vom 7. Oktober in Israel beteiligt gewesen zu sein.
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Zusammenfassung
- Entgegen internationaler Warnungen griff die israelische Armee am Wochenende weiter Ziele in Rafah an.
- Am Freitag ordnete Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Israels Streitkräfte an, eine Bodenoffensive vorzubereiten.
- In der Stadt im Süden von Gaza gebe es noch immer verbleibende Hamas-Verbände, begründete Netanjahu.
- Unterdes verschlechtert sich die humanitäre Lage in Nordgaza zusehends.