APA/APA/ESA/S.Corvaja/Stephane Corvaja

"Euclid"-Sonde soll auf dunkle Seite des Alls blicken

Der rätselhaften Dunklen Materie und Dunklen Energie wollen Forscher mithilfe des neuen Weltraumteleskops "Euclid" der Europäischen Weltraumagentur ESA auf die Spur kommen. Dazu wird die Sonde über sechs Jahre hinweg rund 1,5 Mio. Kilometer von der Erde entfernt die Form von Galaxien und Galaxienhaufen in über einem Drittel des Himmels messen. An der Mission, deren Start am Samstag (1. Juli) geplant ist, sind auch österreichische Firmen und Forscher beteiligt.

Bis September ist das Fenster für den Start im Prinzip offen. Seitens der ESA hofft man aber, dass es bereits am Samstag (1. Juli) um 17.12 Uhr mitteleuropäischer Zeit klappt, wie es im Rahmen eines Pressegesprächs zu der zweiten großen europäischen Raumfahrtmission in diesem Jahr nach dem Liftoff des "JUpiter ICy moons Explorer" (JUICE) im April hieß.

Nachdem ursprünglich eine russische Soyus-Rakete oder die europäische Adriane-6 das mehr als zwei Tonnen schwere, rund 4,7 Meter große und 3,5 Meter breite Gerät mit seinem Spiegelteleskop mit 1,2 Metern Durchmesser ins All hätte bringen sollen, harrt sie nun ihrem Start am US-Weltraumbahnhof in Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida an Bord einer "Falcon 9"-Raktete des US-Unternehmens SpaceX. Die ESA-Ariane-6-Rakete wird frühestens Ende dieses Jahren ihren Jungfernflug absolvieren.

Bei "Euclid" handelt es sich um eine vollständig europäische Mission, die mit Zutun der NASA abgewickelt wird. Involviert sind um die 3.500 Personen aus 21 Ländern Europas, den USA, Kanada oder Japan, heißt es seitens der ESA. Aus Österreich sind zwei Wiener Weltraumfirmen sowie die Forschungsteams von Tim Schrabback und Francine Marleau von der Universität Innsbruck beteiligt.

Ziel ist es, "quasi eine 4D-Karte" des Himmels abseits unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, zu erstellen, wie der Leiter der Abteilung Wissenschaft und Betrieb der ESA, Markus Kissler-Patig, erklärte. 36 Prozent des Himmels wird das Teleskop Schritt für Schritt ablichten. Man habe einen strikten Plan für die "große Durchmusterung", die über rund sechs Jahre hinweg ablaufen soll. Durch den Blick auf extrem weit von unserem kosmischen Standort entfernte Objekte fängt man auch Licht ein, das sich vor rund zehn Milliarden Jahren auf den Weg gemacht hat - man blickt also auch weit in die Vergangenheit.

Obwohl die beiden Hauptinstrumente im Bereich des sichtbaren Lichts - die "VISible-wavelength camera" (VIS) - und im nahen Infrarotbereich - das "Near-Infrared Spectrometer and Photometer" (NISP) - messen, fischt man eigentlich tief im Trüben des Universums: Man möchte nämlich "das Wesen von Dunkler Materie und Dunkler Energie erkunden", sagte Kissler-Patig. Denn aus dem genauen Wissen über die Verteilung der sichtbaren Materie hoffen Wissenschafter, auf die mysteriösen Kräfte schließen zu können, die die Anziehungskräfte im Universum einen großes Stück weit mitbestimmen müssen (Dunkle Materie) und die daran beteiligt sein müssen, dass sich das All immer noch ausdehnt und sich diese Entwicklung sogar mit der Zeit beschleunigt (Dunkle Energie). Salopp gesprochen will man zum Beispiel durch ungeheuer viele Daten zu Verzerrungseffekten durch große Massen (Gravitationslinseneffekt) auf Bildern von Galaxien oder Galaxienhaufen auf die Menge an Dunkler Materie und die Beschaffenheit der Dunklen Energie rückschließen.

"Der Gravitationslinseneffekt ist die einzige Methode, die es uns erlaubt, die Massenverteilung im Universum direkt zu kartieren. In diesem Kontext wird "Euclids" Datensatz alle bisherigen Programme um wenigstens den Faktor zehn übertreffen", so Schrabback. Das eröffne wiederum "enorme Chancen, um die Geheimnisse des Kosmos besser zu verstehen. Gleichzeitig stellt es uns aber vor die Herausforderung, unsere Analyseverfahren derart zu verfeinern, dass sie mit den Anforderungen dieser erhöhten Genauigkeit mithalten können". In dem Zusammenhang laufen mehrere Forschungsprojekte über heimische Fördergeber und das für die Weltraumagenden zuständige Klimaschutzministerium.

Sowohl Schrabback und Marleau waren bereits an der Vorbereitung der Mission beteiligt und werden sich mit um die Auswertung und Aufbereitung der ungeheuren Datenmengen kümmern, die das Instrument liefern wird, heißt es seitens der Uni Innsbruck. Um die 100 Gigabyte pro Tag werden es sein, wie der ESA-Systemingenieur für die Mission, Tobias Boenke, erklärte: "Das sind rund 30 bis 40 Netflix-Filme." Jeden Tag öffnet sich das Kameraauge, um einen Teil des Himmels mit teils sehr langen Belichtungszeiten aufzunehmen. Am Ende soll alles zu einer riesigen Karte zusammengefügt werden. Der kosmische Download stellt die Beteiligten vor große Herausforderungen. Aufgefangen werden die Daten an Stationen in Argentinien und Spanien, über das ESA-Kontrollzentrum im deutschen Darmstadt kommen die Informationen dann zu den Wissenschaftern.

Damit die Aufnahmen gelingen, braucht es vor allem Ungestörtheit von anderen Einflüssen. So wir das Instrument in einem Orbit nahe dem "Lagrangepunkt 2", rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde in entgegengesetzter Richtung der Sonne geparkt. Dort ist es dem Schwerkraft-Einfluss von Erde und Sonne am wenigsten ausgesetzt. Von der Sonneneinstrahlung ist es durch ein Schutzschild abgeschirmt. Bis es an seinem Bestimmungsort ankommt, wird es rund 30 Tage brauchen, erklärte ESA-Flugdirektor Andreas Rudolph. Insgesamt sei die Mission mit ihren Kosten von rund 1,4 Mrd. Euro quasi preiswert: So liefere man drei Mal so viele Daten wie das "James Webb Teleskop" bei nur ungefähr zehn Prozent des Budgets.

Durch "Euclid" könnten nun erstmals ähnlich exakte Bilder, wie man sie etwa seit dem Hubble-Teleskop gewohnt ist, für einen großen Teil des Himmels gewonnen werden. "Diese Daten werden für eine Vielzahl an Forschungsfeldern innerhalb der Astronomie und Astrophysik von unschätzbarem Wert sein", zeigte sich Marleau überzeugt.

Hardware-seitig zeichnet die Wiener Weltraumfirma Beyond Gravity (vormals Ruag Space) für die Schnittstellenelektronik für den Computer des Teleskops mit und die Isolierung von wichtigen Komponenten der Sonde verantwortlich. Insgesamt wurden laut Firmenangaben 38 Kilogramm der in Berndorf (NÖ) hergestellten mehrlagigen Thermalisolation verbaut. Die ebenfalls in der Bundeshauptstadt ansässige Firma TERMA (vormals ATOS) lieferte Unterstützungsausrüstung für die Tests der Sonde am Boden. Der Gesamtumsatz aus ESA-Mitteln in Österreich im Rahmen der Mission beläuft sich laut Angaben der Forschungsförderungsgesellschaft FFG gegenüber der APA auf rund zehn Millionen Euro.

(S E R V I C E - ESA-Informationen zur Mission: https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Euclid_overview; Arbeitsgruppe von Tim Schrabback: https://go.apa.at/lFztA7AG; Arbeitsgruppe von Francine Marleau: https://astro-staff.uibk.ac.at/~marleau/)

ribbon Zusammenfassung
  • Der rätselhaften Dunklen Materie und Dunklen Energie wollen Forscher mithilfe des neuen Weltraumteleskops "Euclid" der Europäischen Weltraumagentur ESA auf die Spur kommen.
  • Dazu wird die Sonde über sechs Jahre hinweg rund 1,5 Mio. Kilometer von der Erde entfernt die Form von Galaxien und Galaxienhaufen in über einem Drittel des Himmels messen.
  • Dort ist es dem Schwerkraft-Einfluss von Erde und Sonne am wenigsten ausgesetzt.