Erdbeben: Zahl der Todesopfer stieg auf mehr als 37.500
Dennoch wurde etwa in der türkischen Provinz Hatay auch am Montag ein 13 Jahre alter Bub nach 182 Stunden lebend geborgen. Die Zahl der bestätigten Toten stieg inzwischen auf über 37.500, über 80.000 Menschen wurden verletzt. UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths, der am Montag in Aleppo eintraf, rechnet mit bis zu 50.000 Toten.
Über 80.000 Verletzte
Am frühen Morgen des 6. Februar erschütterte das erste Beben der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr MEZ die Region, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Alleine in der Türkei gebe es inzwischen 31.643 Todesopfer, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag unter Berufung auf die Katastrophenschutzbehörde Afad. Über 80.000 Menschen wurden demnach verletzt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt die Opferzahl in Syrien mindestens 5.900.
Unter den Toten in der Türkei sind auch zwei österreichische Staatsbürger. Das Außenministerium hat keine Informationen über als vermisst geltenden Österreicherinnen und Österreicher. Ein verletzter Österreicher wird derzeit in einem Krankenhaus medizinisch versorgt und von der Botschaft in Ankara bei der Vorbereitung seiner Rückreise in seine Heimat unterstützt, hieß es auf Anfrage der APA.
Noch viele Vermisste
Tausende Menschen werden noch vermisst. In der Provinz Adiyaman im Südosten der Türkei wurde am Montagmittag eine Sechsjährige nach 178 Stunden gerettet, wie das Verteidigungsministerium mitteilte - eine weitere Person nach 176 Stunden. Überlebende, die jetzt noch gefunden werden, müssen Zugang zu Flüssigkeit gehabt haben - etwa zu Regenwasser, Schnee oder anderen Quellen. Normalerweise kann ein Mensch etwa 72 Stunden ohne Wasser auskommen, danach wird die Lage lebensbedrohlich.
Unterdessen beenden internationale Hilfsorganisationen ihren Einsatz im Krisengebiet. Auch die Soldaten des Bundesheeres packten am Montag in der Türkei zusammen, der Rückflug soll aber erst am Donnerstag erfolgen. Die Helfer wurden am Sonntag zu keinem Einsatz mehr angefordert.
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Seit vergangenen Dienstag waren 82 Soldatinnen und Soldaten in der schwer betroffenen türkischen Provinz Hatay. Am Montag begannen die Soldaten der sogenannten Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) mit dem Abbau des Feldlagers. Die Rettung von Menschen werde "aufgrund der fortgeschrittenen Zeit immer unwahrscheinlicher", sagte Einsatzleiter Bernhard Lindenberg. Im Laufe des Tages werden die Soldatinnen und Soldaten nach Adana fahren und "dort mit der Rückorganisation beginnen", berichtete Oberstleutnant Pierre Kugelweis der APA. 43 Tonnen Spezialausrüstung inklusive fünf Fahrzeuge müssen für die Rückreise vorbereitet werden.
Dankbarkeit in der Bevölkerung
In Adana werden die Einsatzkräfte in einem Hotel unterkommen. Geplant ist, dass der "belastende Einsatz mit Militärpsychologen verarbeitet wird", sagte Kugelweis. Die Stimmung unter den Soldaten "ist gut, wir sind sehr stolz, dass wir neun Menschenleben retten konnten", berichtete der Oberstleutnant. "Das gibt uns sehr viel Kraft", sagte Kugelweis, ebenso die "Dankbarkeit der Bevölkerung, die ist riesig. Es ist sehr berührend, wenn durch das Beben obdachlos gewordene Menschen uns umarmen und die Hand schütteln, das entschädigt für sehr viel Belastungen", berichtete der Soldat. Er auch erinnerte daran, dass es schon Erdbebeneinsätze gegeben habe, wo niemand gerettet wurde.
Während die Evakuierungen weiter laufen, wurde der Flughafen in der südosttürkischen Provinz Hatay wieder in Betrieb genommen. Die halbstaatliche Fluggesellschaft Turkish Airlines twitterte am frühen Montagmorgen, Einwohner des Erdbebengebietes könnten Plätze in kostenlosen Flügen buchen. Der Flughafen in Hatay war bei dem Beben stark beschädigt worden. Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte das erste Beben der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr MEZ die Region erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6.
Erste Haftbefehle erlassen
Vielerorts ist in der Türkei indes die Trauer in Wut umgeschlagen. Die Menschen fragen sich etwa, weshalb so viele Gebäude einstürzen konnten. Erste Haftbefehle wurden erlassen, die Beschuldigten sollen für Baumängel verantwortlich sein, die den Einsturz der Gebäude begünstigt hätten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Strafverfolger. Experten kritisierten, dass Bauvorschriften für mehr Schutz vor Beben nicht umgesetzt werden. Die Opposition macht die Regierung für den Pfusch am Bau verantwortlich.
Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der seit 20 Jahren an der Macht ist, am Sonntag einmal mehr vor, das Land nicht auf solch ein Beben vorbereitet zu haben. Er kritisierte zudem, dass die Regierung im Jahr 2018 eine Bau-Amnestie erlassen habe, mit der illegal errichtete Gebäude gegen Strafzahlung im Nachhinein legalisiert worden seien. "Sie haben die Häuser, in denen die Menschen leben, zum Friedhof gemacht und dafür noch Geld genommen", sagte der Oppositionsführer. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte Erdogan in einem Telefonat am Sonntag die Lieferung von weiteren Zelten, Decken und Heizvorrichtungen zu.
Große Probleme in Syrien
Besonders schwierig ist die Situation im Bürgerkriegsland Syrien. Dort warnte die Hilfsorganisation SAMS eindringlich davor, in zerstörte Häuser zurückzukehren. Rund 450 Mitarbeitende der medizinischen Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen haben in den Provinzen Idlib und Aleppo, jenen Gebieten, die nicht unter Kontrolle der syrischen Regierung sind, umgehend den Noteinsatz nach dem Erdbeben gestartet. "Auch sieben Tage nach dem Erdbeben lassen sich die Folgen in ihrer ganzen Dimension noch nicht abschätzen, sagte Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen Österreich in einer Aussendung am Montag.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Konvois mit Erdbeben-Hilfe für die Rebellengebiete in Nordwest-Syrien bereit gestellt, wartet aber noch auf die Ausliefergenehmigung. Die Regierung in Damaskus habe bereits eine umfassende Genehmigung gegeben, Konvois aus Gebieten unter Regierungskontrolle in Rebellengebiete zu bringen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Sonntag in der syrischen Hauptstadt Damaskus. "Wir sind bereit, wir warten darauf, von der anderen Seite zu hören", sagte Tedros. Das Gebiet um Idlib ist unter Kontrolle von Milizen.
Die in Nordwest-Syrien tätige humanitäre Hilfsorganisation Weißhelme hatte sich am Freitag darüber beschwert, dass bis dahin praktisch keine UNO-Erdbebenhilfe in der Region angekommen sei. Nach Angaben von Tedros hat der syrische Präsident Bashar al-Assad ihm in Aussicht gestellt, wegen der Notsituation weitere Grenzübergänge zwischen dem Nordwesten und der Türkei zu öffnen.
Zusammenfassung
- Auch eine Woche nach dem katastrophalen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet steigen die Todeszahlen unaufhörlich.
- Zwar wurden auch am Montagmorgen noch Menschen aus den Trümmern gerettet, doch die Hoffnung auf Wunder wie diese schwindet zusehends.