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Terroristen drohen: Wie sicher sind Fußballfans bei der EM?

In weniger als einem Monat beginnt in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft. Großveranstaltungen, so auch Public Viewings, sind potenzielle Ziele von Terroristen. Allen voran der ISKP droht direkt. Wie bereiten sich Österreich und Deutschland vor? Wie sicher können sich Fans fühlen?

Mit Tarnanzug und Sturmgewehr steht ein Terrorist in einem Fußballstadion. "Wo willst du?", ist zu lesen - dazu sind die EM-Spielorte Berlin, München und Dortmund angeführt. "Dann schieß das letzte Tor", wird gedroht.

Das martialische Bild ist in der neuesten Ausgabe des Online-Propaganda-Magazins des sogenannten Islamischen Staats in der Provinz Khorasan (ISKP) zu sehen. Der IS-Ableger droht also offen, Anschläge auf die Fußball-EM in Deutschland, aber auch die Olympischen Spiele in Paris, zu verüben. Zumindest will man sogenannte Schläfer ermutigen. 

Was ist der ISPK?

Journalist und Autor Emran Feroz erklärt.

Die Europameisterschaft beginnt am 14. Juni, die Stimmung in Deutschland ist angespannt. Auf die Bundespolizei kommt der größte Einsatz aller Zeiten zu. Für die Exekutive im Nachbarland wurde eine Urlaubssperre verhängt, 22.000 Polizist:innen werden täglich auf den Straßen im Einsatz sein. Jeden Dienstag tagen nun Innenministerium, Verfassungsschutz, Polizei und Bundeskriminalamt.

Aber auch in Österreich ist man sich der Bedrohungslage bewusst - so wird es ein großes Reiseaufkommen durchs Land und einige große Public Viewings geben. Auch hier wurde eine eigene Task-Force eingerichtet.

"Ernste Absichten"

Erik Hacker, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei SCENOR, hat sich zuletzt intensiv mit dem ISKP auseinandergesetzt. Man müsse die Drohung ernst nehmen, dürfe die Ressourcen und Fähigkeiten des ISKP aber auch nicht überschätzen, sagt er im Gespräch mit PULS 24.

Man wolle die europäische Bevölkerung in Angst versetzen und sich selbst als stark und attraktiv darstellen und außerdem Spenden lukrieren. Sehe man sich die vereitelten Anschläge in den letzten Jahren an, könne man aber davon ausgehen, dass es durchaus "ernste Absichten" gebe. 

Jene mutmaßlichen Dschihadisten, die Anschläge gegen Stephansdom, Prater und Kölner Dom geplant haben sollen und derzeit noch in Wien in Untersuchungshaft sitzen, sollen ISKP-Verbindungen haben. Aber auch jene Verdächtigen, die wegen eines möglichen Anschlags auf die Pride-Parade im vergangenen Jahr festgenommen worden waren, sollen ISKP-Anhänger sein.

Auch in Deutschland folgten zuletzt Festnahmen in Zusammenhang mit dem ISKP und auch hinter dem Anschlag in Moskau steckt die islamistische Terrororganisation.

Eingangsbereiche und Public Viewings 

Die skandinavischen Länder, wo Koran-Verbrennungen stattfanden, und Frankreich gehören zu den am stärksten bedrohten Ländern. Deutschland gerät als EM-Gastgeberland mit einer relativ großen Dschihadisten-Szene momentan besonders in den Fokus, so Hacker. Auch Österreich werde bedroht.

Besonders prestigeträchtige Ziele wären natürlich die Stadien selbst. Hacker erinnert aber, dass die meisten potenziellen Terroristen keine militärische Ausbildung hätten, deshalb könnten sie auf "soft targets" abzielen. Etwa die Eingangsbereiche vor den Sicherheitskontrollen, Public Viewings oder Züge

Nahost-Konflikt verschärft Situation

"Der ISKP versucht zurzeit Terroristen nach Europa einzuschleusen, auch über Fluchtwege", warnt auch die Extremismusforscherin Daniela Pisoui vom Österreichischen Institut für Internationale Politik.

Die Situation werde durch den Nahost-Konflikt derzeit noch zusätzlich verschärft, sagt sie. Es könnten nun Länder anvisiert werden, die Israel – wenn auch nur diskursiv – unterstützen. Das würde auf Österreich und Deutschland zutreffen. "Daesh und ISKP instrumentalisieren den Konflikt, insbesondere die große Anzahl von zivilen Opfern, um Attentäter in Europa zu Anschlägen zu motivieren", so Pisoiu zu PULS 24.

Wie bereitet sich Deutschland vor?

In Deutschland bereitet man sich unterdessen intensiv auf verschiedene Szenarien vor. Anschläge gehören dazu, auch Stadion-Evakuierungen, der Schutz von Politiker:innen, Drohnen-Abwehr, Cyberangriffe, zudem der Umgang mit Hooligans - und wohl auch mögliche Proteste im Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen.

Der Schutz der ukrainischen Mannschaft, die ihr Hauptlager bei Wiesbaden in Hessen aufschlägt, bekommt besondere Aufmerksamkeit.

DSN-Chef: Bedrohungen durch Islamismus "eklatant"

DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner im Interview vom September.

Die Berliner Polizei - hier finden das Finale, die meisten Österreich-Spiele und das legendäre Public Viewing vor dem Brandenburger Tor statt - präsentierte am Donnerstag ihre Sicherheitsstrategie.

11 Millionen Euro gibt alleine die Hauptstadt für Sicherheitsmaßnahmen aus. Zäune und Lkw-Sperren gehören dazu, sogar auf mögliche chemische, biologische und nukleare Angriffe sei man vorbereitet. 

Schengen außer Kraft

"Nie sind die Sicherheitsmaßnahmen intensiver als bei dieser Großveranstaltung. Nie werden sie intensiver sein", sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte kürzlich: "Die Sicherheit der Fußball-EM bei uns im Land hat höchste Priorität".

Schon zwei Wochen vor EM-Beginn will Deutschland beginnen, seine Grenzen zu kontrollieren, Schengen wird außer Kraft gesetzt. In Zügen soll der "bahnpolizeiliche Kontroll- und Streifendienst" ausgebaut werden.

"Weit über 300" ausländische Polizeikräfte sollen zusätzlich für Sicherheit sorgen. In Neuss in Nordrhein-Westfalen hat das IPCC seine Arbeit aufgenommen - dort soll die internationale Zusammenarbeit koordiniert werden. 

Österreich schickt 25 Polizist:innen ins Nachbarland, sie sollen die ÖFB-Elf und österreichische Fans vor Ort betreuen. Rund 20.000 rot-weiß-rote Fans werden pro Spiel ins Nachbarland reisen. In Österreich würden Sprengstoffhunde für einen möglichen Einsatz bereitgehalten. 

"Die EM ist eine ganz besondere Herausforderung, die auf uns zukommt", meinte jüngst auch Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Er sprach etwa die Durchreise von Fans an, aber auch die bislang zumindest 80 gemeldeten Public Viewings im Inland als potenzielles Ziel von Anschlägen.

Man sei im Austausch mit den Veranstaltern und werde Sicherheitskonzepte ausarbeiten. Auch mögliche Drohnen-Angriffe habe man am Schirm, so Karner.

Video: Terror-Gefahr in Österreich

Der österreichische Verfassungsschutz wies in letzter Zeit immer wieder daraufhin, bei der Überwachung von Messanger-Diensten auf rechtliche Grenzen zu stoßen. Auch in Deutschland mehrten sich zuletzt Zwischenrufe.

Zwischenrufe in Deutschland

Die Gewerkschaft wies etwa gegenüber Medien daraufhin, dass bei der Polizei gespart wurde. Das Bahnpersonal drohte sogar mit Streiks, weil das Sicherheitspersonal schon im Regelbetrieb nicht ausreichen würde.

Innenministerin Faeser und Berlins Polizeipräsidentin Slowik betonten aber, dass man sich gut vorbereitet fühle. Es gebe eine abstrakte Gefahr, man habe aber keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge.

Die vereitelten Anschläge in jüngster Zeit würden darauf schließen lassen, dass die Sicherheitsbehörden gut vorbereitet sind, sagt Experte Erik Hacker. Die internationale Kooperation der Behörden scheine besser zu funktionieren als in der Vergangenheit. 100-prozentige Sicherheit gebe es aber nie.

Wenn Sport läuft, läuft JOYN: Die Fußball-EM (14. Juni - 14. Juli) sehen Sie live im Fernsehen bei ORF und Servus TV sowie in den kostenlosen ORF- und Servus-TV-Livestreams auf Österreichs SuperStreamer JOYN.

Doku: Radikalisierung im Gefängnis – Droht Österreich der nächste Anschlag?

ribbon Zusammenfassung
  • In der neuesten Ausgabe eines Propaganda-Magazins des IS-Ablegers droht dieser mit Anschlägen auf die Fußball-EM in Deutschland und die Olympischen Spiele in Paris.
  • Deutschland bereitet sich unter anderem mit einem Rekordaufgebot von 22.000 Polizisten täglich und Investitionen von 11 Millionen Euro allein in Berlin auf die EM vor.
  • Über 300 ausländische Polizeikräfte und 25 österreichische Beamte unterstützen die Sicherheitsbemühungen, während Österreich potenzielle Anschlagsziele auf Public Viewings und die Durchreise von Fans überwacht.
  • Experten warnen, dass Drohungen durchaus ernst zu nehmen seien, es sich aber auch um Propaganda handelt.