Unterschätztes Corona-Risiko: Jedes Kilo Übergewicht zählt wie zusätzliches Jahr
PULS 24 Infochefin Corinna Milborn sprach am Montag mit der oberösterreichischen Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr, die vor allem in der zweiten Welle viele Corona-Patienten auf dem Land betreut. Von Mitte Oktober bis Ende November hatte sie 618 Patientenkontakte in 92 Diensten. Daher habe sie sehr viele unterschiedliche Krankheitsverläufe und Symptome gesehen. Sie betonte vor allem, dass es viele mögliche Symptome gebe, die nicht alle mit den Atemwegen zu tun hätten. Und sie beklagte, dass die Patienten zu wenig über mögliche Symptome und Verhaltensweisen bei einer Infektion informiert würden.
37-Jähriger verstorben: Merkte nicht, wie schlecht es ihm ging
Im Kopf seien ihr vor allem die jungen Patienten geblieben, so Kellermayr. Sie beschrieb den Fall eines 37-Jährigen, der keine relevanten Vorerkrankungen hatte, aber leichtes Übergewicht. Als sie bei ihm eintraf, habe er gar nicht gemerkt, wie schlecht es ihm ging. "Seine Sauerstoffsättigung war bei 76 Prozent und er hat mich noch gefragt, ob er nicht selbst mit dem Auto ins Krankenhaus fahren kann", schildert die Allgemeinmedizinerin. Als Grenzwert für eine Einlieferung ins Spital nannte sie eine Sauerstoffsättigung im Blut von 90 Prozent. Sie habe dann erfahren, dass er zwei oder drei Tage später im Spital verstorben sei. Er sei nicht der einzige, beklagte Kellermayr.
Jedes Kilo wie zusätzliches Jahr
Übergewicht als Risikofaktor werde viel zu sehr unterschätzt, sagt Kellermayr. "Die drei wichtigsten Risikofaktoren sind Alter, ob die Patienten Diabetiker sind – die vielleicht schlecht eingestellt sind - und das Gewicht", sagt sie. Als Daumenregel nannte Kellermayr, dass jedes Kilo Übergewicht sich wie ein zusätzliches Jahr auswirke. " Wenn ein 50-Jähriger 30 Kilo Übergewicht hat, dann hat er das Risiko eines 80-Jährigen", sagt die Medizinerin.
Asthmaspray
Kellermayr verschreibt Asthmaspray gegen einen schweren Verlauf der Covid-Erkrankung. Sie tue das zwar rechtens jedoch auf eigenes Risiko, weil das Medikament für diesen Einsatz nicht zugelassen ist. Sie habe jedoch gesehen, dass es sich im Einsatz bewehrt. Das renommierte Magazin "Lancet" veröffentlichte eine Studie zum Einsatz des Sprays. Die Ärztin glaubt, dass die Erfolgsrate im Magazin zu hoch gegriffen ist, weil die Menge der Untersuchten zu klein sei.
Man spreche viel zu wenig über Symptome im Anfangsstadium der Krankheit. Man schicke die Menschen in Quarantäne und lasse sie ohne Informationen mit ihren Ängsten allein, kritisiert Kellermayr. Es gebe Patienten, die an Magen- und Darmbeschwerden leiden "ohne einen einzigen Huster".
Falsche Dinge gehortet
Laut Kellermayr wissen die Menschen nach einem Jahr noch immer nicht, was man wirklich benötigt. "Patienten horten Klopapier und jetzt rennen sie los um den Asthmaspray zu kaufen." Besser wäre es, einen Pulsoxymeter zur Sauerstoffmessung zu haben. Den bekomme man ab 30 Euro im Drogeriemarkt, Markenprodukte ab 50. Bei einer Ruhe-Sauerstoffsättigung unter 94 würde sie Patienten ins Spital einweisen. Bei einem Abfall unter Belastung von unter 90 ebenfalls.
Zusammenfassung
- PULS 24 Infochefin Corinna Milborn sprach am Montag mit der oberösterreichischen Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr, die vor allem in der zweiten Welle viele Corona-Patienten auf dem Land betreut.
- Übergewicht als Risikofaktor werde viel zu sehr unterschätzt, sagt Kellermayr. "Die drei wichtigsten Risikofaktoren sind Alter, ob die Patienten Diabetiker sind – die vielleicht schlecht eingestellt sind - und das Gewicht", sagt sie.
- Als Daumenregel nannte Kellermayr, dass jedes Kilo Übergewicht sich wie ein zusätzliches Jahr auswirke. " Wenn ein 50-Jähriger 30 Kilo Übergewicht hat, dann hat er das Risiko eines 80-Jährigen", sagt die Medizinerin.
- Man spreche viel zu wenig über Symptome im Anfangsstadium der Krankheit. Man schicke die Menschen in Quarantäne und lasse sie ohne Informationen mit ihren Ängsten allein, kritisiert Kellermayr.
- Es gebe Patienten, die an Magen- und Darmbeschwerden leiden "ohne einen einzigen Huster".
- Laut Kellermayr wissen die Menschen nach einem Jahr noch immer nicht, was man wirklich benötigt. Patienten horten Klopapier, besser wäre es jedoch, einen Pulsoxymeter zur Sauerstoffmessung zu haben.