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Sind die Intensivstationen voll, wird die Hüft-OP zuerst verschoben

Spitäler in Oberösterreich, Kärnten und Wien müssen wieder Operationen verschieben. Zuerst sind es Hüftbehandlungen, Operationen bei Knie- und Rückenschmerzen oder auch Operationen an der Nasenscheidewand.

Acht von 29 verfügbaren Intensivbetten (27,6 Prozent) sind am Klinikum Wels-Grieskirchen derzeit mit Covid-Patienten belegt. Was im ersten Moment nach nicht viel klingt, ist aber der Anfang eines großen Problems, wie wir es schon aus früheren Phasen der Pandemie kennen. Die ersten Operationen müssen bereits wieder verschoben werden. Darunter fallen zuerst Eingriffe, die "lediglich" der Schmerzmilderung und Symptombekämpfung dienen.

Ähnliche Szenarien melden derzeit auch andere Spitäler in Oberösterreich, Kärnten und WienDie Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) hat für diesen Fall die sogenannte "10:30:50-Regel" aufgestellt: Bei der Belegung der Intensivbetten zu 10 bis 15 Prozent durch zusätzliche Belastungen wie eben Covid-Patienten, kommt es zu keinen Einschränkungen. Werden mehr Betten von Covid-Patienten beansprucht, spätestens ab der 30 Prozent-Marke, müssen wichtige Eingriffe jedoch verschoben werden.

Dafür gibt es zwei Möglichkeiten, erklärt ÖGARI-Vorstandsmitglied Johann Knotzer, der das Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Wels-Grieskirchen leitet: Entweder es wird vom Spital vorgegeben, dass "gerecht" in allen chirurgischen Bereichen ein gewisser Prozentsatz an Operationen verschoben werden muss oder es werden bestimmte Arten von Operationen vorgegeben.

Planbare Operationen werden verschoben

Das betreffe zunächst planbare, "nicht so dringende" Operationen, sagt Knotzer. Häufig genannt werden als Beispiel etwa orthopädische oder plastische Operationen, auch Eingriffe aus dem HNO-Bereich. Knotzer nennt etwa Operationen an der Nasenscheidewand als Beispiel. "Das kann für die Patienten schmerzhaft oder unangenehm sein", akut – also in lebensbedrohlichen Fällen – seien diese Operationen aber nicht.

Sind über die Hälfte der Intensivbetten durch Covid-Patienten besetzt, kommt es laut der Definition von ÖGARI zur sogenannten "Triage", wie es etwa im Oktober und November 2020 der Fall war. "Es werden nur noch Operationen durchgeführt, wenn ein gesundheitliches Leiden akut lebensbedrohlich ist", sagt Knotzer.

Nur noch lebensnotwendige Operationen

Das beinhalte zunächst aber auch Krankheiten, die unbehandelt nach Monaten tödlich enden können wie bösartige Tumore oder Blinddarmentzündungen. Alle anderen Operationen wie etwa bei chronischen Knie- oder Rückenschmerzen, Metallentfernungen oder Kieferoperationen werden dann verschoben.

Das Problem bei der jetzt drohenden Überlastung der Intensivstationen: Nicht alle Spitäler und medizinische Abteilungen haben es geschafft, die zuletzt verschobenen Operationen vollständig nachzuholen. "Wir waren gut dabei", sagt Knotzer, nun könne es aber sein, dass jemand etwa sechs Monate auf eine Hüftprothese gewartet hat und nun weitere drei Monate vertröstet wird.

Alter, Erkrankungen und Pflegebedarf entscheiden

Für den Fall, dass Ärzte schließlich zwischen Intensivpatienten selektieren müssen, hat die ARGE Ethik im März 2020 einen Leitfaden erstellt: Nur noch jene Patienten mit der höchsten Überlebenswahrscheinlichkeit bekommen dann eine maximale Intensivbehandlung. Neben dem Alter sollen Ärzte auch Begleiterkrankungen, die Einstufung von Gebrechlichkeit, die Schwere der Erkrankung sowie den Willen des Patienten und den Aufwand der Pflege in ihre Entscheidung miteinbeziehen.

Wie kann es so weit kommen?

Doch warum ist das in Österreich ein realistisches Szenario? "Beatmungsmaschinen haben wir, auch bei Arzneimitteln sind wir ein reiches Land", sagt Knotzer. Das Problem liege beim Personal. Intensivstationen brauchen speziell geschulte Intensivpfleger. Um zusätzliche Intensivbetten zu schaffen, wurden im Herbst 2020 etwa Aufwachräume verwendet. Wenn es mehr Intensivbetten gibt, werden vor allem Anästhesisten abgezogen, denn sie haben eine ähnliche Ausbildung. Sie fehlen dann wiederum bei anderen Operationen. 

"Wir könnten ein normales Leben führen"

Und Covid-Patienten seien da "besonders", sagt Knotzer: Sie liegen länger auf den Intensivstationen und es braucht wegen der Ansteckungsgefahr zusätzliche Schutzmechanismen, die wiederum Personal binden.

Besonders frustrierend: Kein einziger der Intensivpatienten im Klinikum Wels-Grieskirchen ist geimpft. "Das ist demotivierend", sagt Knotzer, "man wird irgendwann müde und stellt sich die Frage 'Warum?'". Denn eigentlich "könnten wir ein normales Leben führen", sagt Knotzer.

ribbon Zusammenfassung
  • Acht von 29 verfügbaren Intensivbetten (27,6 Prozent) sind am Klinikum Wels-Grieskirchen derzeit mit Covid-Patienten belegt. Was im ersten Moment nach nicht viel klingt, ist aber der Anfang eines großen Problems.
  • Die ersten Operationen müssen verschoben werden. Ähnliche Szenarien melden derzeit auch andere Spitäler in Oberösterreich, Kärnten und Wien.
  • Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) hat für diesen Fall die sogenannte "10:30:50-Regel" aufgestellt.
  • Bei der Belegung der Intensivbetten zu 10 bis 15 Prozent durch zusätzliche Belastungen wie eben Covid-Patienten, kommt es zu keinen Einschränkungen.
  • Werden mehr Betten von Covid-Patienten beansprucht, spätestens ab der 30 Prozent-Marke, müssen wichtige Eingriffe jedoch verschoben werden.
  • Sind über die Hälfte der Intensivbetten durch Covid-Patienten besetzt, kommt es zur sogenannten "Triage", wie es etwa im Oktober und November 2020 der Fall war. Es werden nur noch Patienten operiert, deren Zustand kut lebensbedrohlich ist.