Lehrergewerkschaft: "Schulen sind mit Virus allein gelassen worden"
Mit einer dreiwöchigen "Sicherheitsphase" hat am Montag in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland für rund 490.000 Kinder und Jugendliche das neue Schuljahr begonnen. In dieser Zeit muss verpflichtend dreimal pro Woche ein Covid-Test absolviert und außerhalb der Klasse eine Maske getragen werden.
Thomas Bulant, Vorsitzender der Pflichtschullehrergewerkschaft, sieht die Maßnahmen kritisch. "Die Schulen sind mit dem Virus allein gelassen worden", sagt er im PULS 24 Interview. Das Corona-Management brauche Zeit, "die man eigentlich nicht hat", so Bulant. Er kritisiert den administrativen Mehraufwand, der durch die Corona-Tests auf die Lehrer und Direktoren zukommen wird.
Bereits am ersten Schultag habe es laut Bulant Probleme beim Testen gegeben, da viele Einverständniserklärungen der Eltern gefehlt haben sollen. Zudem müsse jeder Corona-Fall einzeln in den Schulen abgearbeitet werden, so die Kritik des Vorsitzenden der Pflichtschullehrergewerkschaft.
Vorerst 63 positive Antigen-Schnelltests an Wiener Schulen
Nach dem Schulbeginn in Wien sind bis Montagmittag (11.45 Uhr) 56 Schüler, drei Pädagoginnen und Pädagogen und vier Personalbedienstete mittels Antigen-Schnelltests positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Ergebnisse gelten gesundheitsbehördlich als Verdachtsfälle, die Betroffenen werden nun aussagekräftigeren PCR-Tests unterzogen.
PULS 24 berichtet vom ersten Schultag des neuen Corona-Schuljahrs im "Kollegium Kalksburg".
Faßmann will sichere Schule
Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) stellt im "Ö1-Morgenjournal" klar, dass die Schulen für den Start ins neue Jahr vorbereitet sind. Positive Corona-Fälle sehe er dabei nicht als "Malheur, sondern letztlich als Chance, zu helfen, dass diese beginnende vierte Welle gebremst wird." "Ich will eine sichere Schule haben und vor allem eine Schule, die im Präsenzunterricht stattfindet", erklärt Faßmann. Dafür werde er "ganz konsequent die 3-G-Regel zur Anwendung kommen lassen. Wir schaffen Voraussetzungen für eine offene Schule", erklärt der Minister gegenüber "Ö1".
"Ich finde es interessant, dass manche sagen, wir haben zu wenig getan. Jetzt heißt es auf einmal, wir haben zu viel getan. Wir haben Konzepte erstellt und so viele Maßnahmen ins Feld gestellt. Offenbar ist es den einen zu wenig, den anderen zu viel", sagt der Bildungsminister. Dennoch wolle er die "Debatte weg von der Schule bringen" und appelliert an die über 55-Jährigen sich impfen zu lassen. Er ruft diese Altersgruppe daher zur Solidarität auf.
Das sind die neuen Corona-Regeln an den Schulen
Diese Regeln gelten für das neue Schuljahr:
Muss mein Kind einen Corona-Test machen, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu können?
In den ersten drei Wochen auf jeden Fall. In dieser "Sicherheitsphase" müssen alle Kinder dreimal wöchentlich testen - unabhängig davon, ob sie geimpft sind. Ein Test pro Woche muss davon ein aussagekräftigerer PCR-Test sein. Im Regelfall wird am Montag ein Antigen- und ein PCR-Test gemacht - der erste für die unmittelbare Teilnahme am Unterricht, das Ergebnis des letzteren sollte dann am Dienstag vorliegen.
Am Donnerstag folgt ein weiterer Antigentest ("Nasenbohrertest"). Regional kann auch höherwertiger getestet werden - Wien hat etwa angekündigt, zweimal wöchentlich mit der PCR-Methode zu testen.
Alternativ zum Test an der Schule kann auch ein für den jeweiligen Zeitraum gültiger externer Test einer befugten Teststelle vorgezeigt werden.
Wie geht es nach der Sicherheitsphase weiter?
Da hängen die Regeln von der jeweiligen Risikostufe ab: Diese wird bundesländerweise auf Basis der Empfehlungen der Corona-Kommission festgelegt und orientiert sich an der risikoadjustierten 7-Tage-Inzidenz (einbezogen werden neben den Infektionszahlen auch die Zahl der Tests, die Aufklärungsrate, die Symptomatik und Dynamik des Infektionsgeschehens).
- Bei einer Inzidenz unter 100 (geringes Risiko) gibt es keine Testpflicht für Schüler, sie können aber freiwillig testen.
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Bei einer Inzidenz zwischen 100 und 199 (mittleres Risiko) müssen ungeimpfte Schüler dreimal wöchentlich zum Test, wobei einer ein PCR-Test sein muss. Geimpfte müssen dagegen nicht testen. Auch hier gilt: Der Test an der Schule kann auch durch einen externen Test einer befugten Stelle ersetzt werden.
Zur Einordnung: In der Kalenderwoche 34 (23.-29.8.) lag die risikoadjustierte 7-Tage-Inzidenz zwischen 60,8 im Burgenland und 146,5 in Wien, auch in Oberösterreich und Salzburg lag der Wert über 100. In Wien geht man schon jetzt davon aus, dass die Regelungen der Sicherheitsphase angesichts des Infektionsgeschehens auch danach weiter gelten werden.
Gibt es wieder einen Ninja-Pass?
Ja. In diesen werden die Tests eingetragen. Der Pass berechtigt wie schon im Sommersemester zum Eintritt etwa in die Gastronomie - Antigentests gelten dabei 48 Stunden und PCR-Tests 72 Stunden.
Ausnahme ist Wien: Dort sind für Gastro und Co ab einem Alter von zwölf Jahren Antigentests nur 24 Stunden und PCR-Tests nur 48 Stunden gültig. Für den Schulbesuch bleibt es bei der längeren Gültigkeitsdauer.
PULS 24 Chefreporterin Manuela Raidl analysiert die bisherigen Corona-Maßnahmen in den Schulen.
Wie sieht es mit der Maskenpflicht aus?
In der Sicherheitsphase müssen Schüler außerhalb der Klasse einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Danach hängt es wieder von der Risikostufe ab:
- Bei geringem Risiko (Inzidenz unter 100) braucht man keine Maske
- Bei mittlerem Risiko (Inzidenz ab 100) gilt wieder eine Maskenpflicht außerhalb der Klasse
- Ab hohem Risiko (Inzidenz ab 200) müssen Schüler ab der neunten Schulstufe auch im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz auf haben. Unterschiede je nach Impfstatus gibt es nicht.
Was gilt für Lehrer?
In der Sicherheitsphase testen auch sie unabhängig vom Impfstatus dreimal: Allerdings reichen bei geimpften Pädagogen drei Antigentests pro Woche, ungeimpfte brauchen neben zwei Antigen- auch einen PCR-Test.
Antigentests können in der Schule absolviert werden, PCR-Tests müssen extern sein.
Nach der Sicherheitsphase müssen geimpfte Pädagogen nicht mehr testen, für ungeimpfte bleibt es bei den drei Tests pro Woche (einer davon ein externer PCR-Test).
Sind schärfere Regeln möglich?
Ja. Direktoren dürfen auf eine Woche befristet und mit Zustimmung der Bildungsdirektion eine weitergehende Maskenpflicht bzw. zusätzliche Tests anordnen. Das kann etwa einzelne Räume wie einen engen Computersaal betreffen und muss nach einer Woche erneut beantragt und genehmigt werden.
Darf ich mein Kind an seinem ersten Schultag in die Schule begleiten?
Ja, das ist grundsätzlich möglich. Eltern brauchen dafür allerdings einen gültigen 3G-Nachweis und müssen im gesamten Schulgebäude einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Was ist mit Musik und Sport?
Beides findet statt: Ab mittlerer Risikolage ist Singen und Musizieren mit Blasinstrumenten aber nach Möglichkeit im Freien zu absolvieren. Sollte das nicht möglich sein, braucht es im Schulgebäude einen Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern (Musik) bzw. einen Meter (Sport). Bei hohem Risiko ist das Musizieren mit Blasinstrumenten nur noch im Freien möglich.
Wie sieht es mit Zusatzangeboten, etwa von Vereinen, oder Lesepaten aus?
Das hängt wieder vom Risikostatus ab: Diese sind bei geringem und mittlerem Risiko erlaubt, bei hohem verboten. Wie für Eltern gilt auch für andere schulexterne Personen aber: Sie brauchen einen 3G-Nachweis für das Betreten des Schulgebäudes und müssen durchgehend einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Wer muss bei einem Corona-Fall in Quarantäne?
Das kommt auf den konkreten Fall an. Laut einer Vorgabe des Gesundheitsministeriums gelten Geimpfte grundsätzlich als K2-Personen und können daher trotz Infektionsfalls in der Klasse weiter in die Schule gehen.
Die konkrete Entscheidung trifft aber die jeweilige Gesundheitsbehörde. Sollte eine größere Anzahl von Kindern in der Klasse infiziert sein, wäre dann auch eine Quarantäne für Geimpfte möglich.
Sind Schulschließungen, Distance Learning bzw. Schichtbetrieb möglich?
Grundsätzlich schon - in der neuen Covid-19-Schulverordnung sind die Bedingungen dafür aufgelistet. Diese sind recht unkonkret gefasst, im Endeffekt laufen sie darauf hinaus, dass das Infektionsgeschehen in der Gesellschaft, in der Region oder am Schulstandort nicht anders in den Griff zu bekommen ist. Erklärtes Ziel der Regierung ist es aber, dies zu vermeiden.
Bildungsminister Heinz Faßmann ist dazu am Montag zu Gast bei "Milborn" auf PULS 24.
„Milborn“ - Montag, 6. September, um 20.00 Uhr und um 21.30 Uhr auf PULS 24 sowie im Livestream in der ZAPPN App.
Zusammenfassung
- Mit einer dreiwöchigen "Sicherheitsphase" hat am Montag in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland für rund 490.000 Kinder und Jugendliche das neue Schuljahr begonnen.
- In dieser Zeit muss verpflichtend dreimal pro Woche ein Covid-Test absolviert und außerhalb der Klasse eine Maske getragen werden.
- Thomas Bulant, Vorsitzender der Pflichtschullehrergewerkschaft, sieht die Maßnahmen kritisch. "Die Schulen sind mit dem Virus allein gelassen worden", sagt er im PULS 24 Interview.
- Das Corona-Management brauche Zeit, "die man eigentlich nicht hat", so Bulant. Er kritisiert den administrativen Mehraufwand, der durch die Corona-Tests auf die Lehrer und Direktoren zukommen wird.
- "Ich will eine sichere Schule haben und vor allem eine Schule, die im Präsenzunterricht stattfindet", erklärt Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) im "Ö1-Morgenjournal".
- Bildungsminister Heinz Faßmann ist am heutigen Montag zu Gast bei "Milborn", um 20 Uhr auf PULS 24.