Jonas Vingegaard: Der kleine, gelbe Gigant
Sieben Minuten und neunundzwanzig Sekunden. Mit diesem Vorsprung holte sich Jonas Vingegaard am Sonntag auf dominante Art und Weise den Gesamtsieg der Tour de France 2023. Für den 26-jährigen ein wahres Déjà-vu, denn Vingegaard gewann bereits 2022 die größte und wichtigste Radrundfahrt der Welt.
Aus der Fischfabrik auf den Champs-Élysées
Es ist noch nicht lange her, da waren die ganzen Erfolge des Dänen nicht viel mehr als ein Fiebertraum. In seiner Jugend sei Vingegaard - selbst heute noch mit rund 60 Kilogramm ein Leichtgewicht - von seinen Schulkollegen gemobbt worden. Das Radfahren entwickelte sich zu seiner Lieblingsbeschäftigung - wohl auch einfach, um sich vom Alltag abzulenken.
Die großen Erfolge sollten während der ganzen Nachwuchsbewerben ausbleiben - "erst" als 19-Jähriger unterzeichnete Vingegaard seinen ersten Profivertrag. In jenen Stunden, in denen er nicht auf dem Rad saß, arbeitete er in der Fischfabrik seines Teamchefs. Fisch für Fisch sollte sich Vingegaard in den folgenden Jahren steigern, bis zum endgültigen Durchbruch.
Angekommen in der Weltklasse
2019 folgte der Wechsel zu Jumbo-Visma, dem derzeit wohl stärksten Team der gesamten UCI WorldTour. Anfänglich noch als Edelhelfer vom mehrfachen Grand-Tour-Champion Primož Roglič im Einsatz, radelte sich Vingegaard mit dem Tour-de-France-Sieg 2022 endgültig in die Weltelite.
Für manche sei sein erster Tour-Sieg eine Überraschung gewesen, für das niederländische Jumbo-Team wohl eher nicht. Denn bereits wenige Monate vor dem Jumbo-Deal kam ein dänischer Arzt zu dem Ergebnis, dass Vingegaard ein um rund 15 Prozent stärkeres Herz als der durchschnittliche Radprofi in Dänemark habe.
Im Gigantenduell mit Tadej Pogačar
Vingegaard und Pogačar. Das sind die zwei größten Namen des gegenwärtigen Radsports. Tadej Pogačar holte sich 2020 und 2021 den Tour-Sieg, die vergangenen zwei Jahre zog der Kapitän von UAE Team Emirates gegen Vingegaard den Kürzeren.
Die beiden fahren derzeit in einer eigenen Liga. Das zeigten sie auch auf der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt wieder, obwohl Pogačar - unter anderem aufgrund eines Sturzes - in den letzten Etappen den Anschluss verlor. In den ersten beiden Wochen lieferten sich Vingegaard und Pogačar jedoch ein Sekundenduell, bei dem selbst Christopher Nolan neidisch werden würde.
Eine Mission, zwei Charaktere
So eng der Unterschied zwischen den beiden auf der Radstrecke ist - vom Typ her könnten sie nicht viel unterschiedlicher sein. Pogačar ist mit seiner stets guten Laune und seinem mutigen Fahrstil ein absoluter Publikumsliebling.
Vingegaard fährt kontrollierter, verfolgt den Plan seines Teams wie ein Musterschüler. In Interviews wirkt Vingegaard oft schüchtern, ein Lächeln sieht man meist nur in Anwesenheit seiner Frau Trine und seiner Tochter Frida.
Selbst bei der Siegerehrung auf dem Champs-Élysées in Paris sagte Vingegaard, er würde sich noch immer nicht in dieser prominenten Rolle wohlfühlen. Vielleicht ändert sich das ja im nächsten Jahr mit dem Tour-Hattrick, wenn der kleine Däne in die Fußstapfen der Größten treten könnte.
Zusammenfassung
- Zum zweiten Mal in Serie krönte sich Jonas Vingegaard zum Gesamtsieger der Tour de France.
- Auf den ersten Blick ein kleines Buberl, avanciert der Däne langsam zu einem der Größten in der Geschichte des Radsports.
- PULS 24 hat sich die Karriere von Vingegaard genauer angesehen.