APA/BARBARA GINDL

Zugang zu teuren Medikamenten: Kosten wichtiger als Wirkung?

Der Zugang zu hochpreisigen Medikamenten ist österreichweit nicht einheitlich geregelt. Ein Bewertungsboard soll dies ändern, von der Opposition hagelt es Kritik an dessen Zusammensetzung. Befürchtet wird, dass die Kostenfrage eine größere Rolle als der medizinische Nutzen spielen könnte.

Ein neues Bewertungsboard soll den Zugang zu speziellen und sehr teuren Medikamenten österreichweit vereinheitlichen. Dieser ist in den einzelnen Bundesländern aktuell unterschiedlich geregelt. 

Künftig soll ein Gremium aus Vertreterinnen und Vertreten des Gesundheitsministeriums, der Länder, der Kassen, der Medikamentenaufsicht und der Patientenanwaltschaft über den Einsatz hochpreisiger Medikamente entscheiden. Es geht etwa um spezielle Krebsmedikamente oder Medikamente gegen seltene Erkrankungen.

Medizinischer Nutzen vs. Kosten

Patientenanwältin Michaela Wlattnig sieht den Ansatz, den Zugang zu Medikamenten und Therapien österreichweit zu vereinheitlichen, im "Ö1"-Morgenjournal grundsätzlich positiv. Gleichzeitig teilt sie jedoch die Sorgen der Opposition: "Es ist vorgesehen, dass das Medikament oder die Therapie nach dem medizinisch-therapeutischen Nutzen beurteilt werden soll, aber auch nach einem Kostennutzen. Das ist für mich der Hauptkritikpunkt an dieser Regelung."

Diese Vorgangsweise ist laut Wlattnig auch rechtlich nicht haltbar. Die Rechtsprechung sehe vor, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte den medizinischen Nutzen mit den Patientinnen und Patienten besprechen und in weiterer Folge über den Einsatz eines Medikamentes entscheiden.

Mehr medizinische Expertise gefordert

"Der wirtschaftliche Nutzen darf erst dann eine Rolle spielen, wenn es sich um zwei gleichwertige Therapien, Arzneispezialitäten und so weiter handelt", sagt Wlattnig gegenüber "Ö1". Auch die geplante Zusammensetzung des Boards sieht sie kritisch, es brauche eine Schärfung hin zu Medizin und Wissenschaft.

Die Österreichische Gesundheitskasse befürchtet derweil laut Ö1, dass lange Entscheidungsprozesse den Einsatz lebenswichtiger Medikamente unnötig in die Länge ziehen könnten.

Laut Wlattnig besteht diese Gefahr vor allem dann, wenn das Bewertungsboard empfiehlt, ein Medikament nicht anzuwenden. Es stelle sich die Frage, ob Patientinnen und Patienten sich dann dazu "durchkämpfen" müssen, es doch noch zu bekommen. Zudem müsse sichergestellt werden, dass Patienten auch während des Bewertungsprozesses Zugang zu den Medikamenten bekommen können. 

Empfehlungen durch das Board hätten zwar auch das Potenzial, Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, so Wlattnig. Eine Empfehlung könnte klarstellen, dass ein Medikament für alle in Österreich zur Verfügung steht. Doch insgesamt bedürfe es einer Präzisierung des aktuellen Vorschlags.

Medikamente müssten etwa auch dann zum Einsatz kommen dürfen, wenn das Board keine Empfehlung ausspricht. Letztlich liege die Entscheidung bei den behandelnden Ärzten und Ärztinnen.

Opposition fürchtet Sparen zulasten der Patienten

Die Opposition steht den Plänen des Gesundheitsministeriums kritisch gegenüber. Insbesondere, dass für die Bewertung nicht nur medizinische Kriterien, sondern auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen könnten, stößt SPÖ, FPÖ und den NEOS sauer auf.

"Es soll wissenschaftlich und medizinisch entschieden werden, wann man ein Medikament kriegt", betonte der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler im "Ö1"-Morgenjournal. Patientinnen und Patienten sollen jenes Medikament bekommen, das am besten hilft und am besten therapiert. "Das darf nicht preisabhängig sein, ob man gut behandelt wird oder nicht."

Die Freiheitlichen sprechen gar von einer "Sterbekommission" von ÖVP und Grünen. Der Stellvertretende Klubobmann der NEOS, Gerald Loacker übt im Morgenjournal Kritik an der Zusammensetzung des Boards: "Es sind von der medizinischen Seite zu wenig Fachleute vorgesehen."

Es ginge häufig um medizinisch komplexe Fragen, die vor allem die jeweiligen Fachärzte gut beurteilen könnten. "In der Mehrheit sind die Controller aus der Sozialversicherung, die Kosten sparen wollen. Und das wird zulasten der Patienten gehen", meint Loacker.

ribbon Zusammenfassung
  • Ein Bewertungsboard soll den Zugang zu teuren Medikamenten österreichweit einheitlich regeln.
  • Die Opposition kritisiert die geplante Zusammensetzung des Boards.
  • Konkret wird befürchtet, dass Kostenfragen eine größere Rolle spielen könnten, als der medizinische nutzen der Behandlungen.
  • Patientenanwältin Michaela Wlattnig kritisiert ebenso, dass neben dem medizinisch-therapeutischen Nutzen auch der Kostennutzen bewertet wird.