Zentraler Kontaktmann des Wien-Attentäters vor Abschiebung
Zu den Besuchern des Predigers hatte der spätere Wien-Attentäter gezählt, dem Argjend G. die IS-Ideologie und das geistige Rüstzeug für sein terroristisches Handeln nahe brachte. Dafür wurde Argjend G. im Herbst 2022 vom Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation rechtskräftig zu 19 Monaten Haft verurteilt, in Stattgebung einer Berufung der Staatsanwaltschaft wurde die Strafe später vom Oberlandesgericht (OLG) Wien sogar auf 27 Monate erhöht. Zudem bekam der gebürtige Nordmazedonier eine vorangegangene Vorverurteilung von fünf Monaten widerrufen.
Obwohl somit am Ende insgesamt 32 Monate gerichtlich ausgesprochen wurden, hätte bzw. hat der 25-Jährige nur mehr neun Monate zu verbüßen. Denn er war unmittelbar nach dem Terror-Anschlag festgenommen worden und hatte immerhin 23 Monate in U-Haft verbracht, die ihm auf das Strafausmaß anzurechnen waren. Die Reststrafe glaubte Argjend G. im elektronisch überwachten Hausarrest und damit außerhalb der Gefängnismauern absitzen zu können - doch dem machte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BAF) nun einen Strich durch die Rechnung.
Wie gemeinsame Recherchen der APA, des "Standard" und von "Puls 24" ergaben, leitete das BFA nämlich aufenthaltsbeendende Maßnahmen in die Wege, zumal der Nordmazedonier weiter radikales Gedankengut propagieren soll und von den Behörden nach wie vor als "Gefährder" eingestuft wird. Auf den IT-Techniker war der Verfassungsschutz schon im Alter von 14 Jahren aufmerksam geworden - die Schule, die er damals besuchte, meldete, er falle mit radikalislamistischen Tendenzen auf. Als 18-Jähriger gründete Argjend G. die Bewegung "Ansar", die sich der die Ideologie des IS verpflichtet sah.
Da es sich bei dem 25-Jährigen um einen so genannten Drittstaatsangehörigen handelt, erließ das BFA eine - mittlerweile rechtskräftige - Rückkehrentscheidung, mit welcher der irreguläre Aufenthalt des Predigers festgestellt und diesem eine Rückkehrverpflichtung samt zehnjährigem Einreiseverbot auferlegt wurde. Seitens des Innenministeriums, das zum konkreten Fall aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht Stellung nehmen konnte, hieß es gegenüber der APA zum Grundsätzlichen: "Die Effektuierung von Rückkehrentscheidungen bei Straffälligen steht für das BFA besonders im Fokus. Dabei wird seitens des BFA darauf geachtet, dass alle Maßnahmen und Möglichkeiten im Hinblick auf eine möglichst frühzeitige Außerlandesbringung ergriffen werden. Die Abschiebung erfolgt bei verurteilten Straftätern möglichst unmittelbar nach Verbüßung der Strafhaft in Österreich."
Mit der Rückkehrentscheidung des BFA fiel für Argjend G. die Rechtsgrundlage für die Fußfessel weg, die Justiz widerrief daher den elektronisch überwachten Hausarrest. Der 25-Jährige musste seine offene Reststrafe antreten, seit wenigen Tagen befindet er sich in einer Zelle in der JA St. Pölten. Mit Anfang 2024 wäre seine Strafe zur Gänze verbüßt, spätestens dann wäre er abzuschieben.
Ob der IS-Mann tatsächlich den Rest des Jahres inhaftiert bleibt, ist insofern unsicher, als eine Bestimmung des Strafvollzugsgesetzes vorsieht, dass unter bestimmten Voraussetzungen vom weiteren Vollzug der Strafe abgesehen werden kann. Nämlich dann, wenn der Betroffene mindestens die Hälfte der Haftzeit, zu der er verurteilt wurde, verbüßt hat - was bei Argjend G. der Fall ist - und er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt. Ob bei Argjend G. diese Bereitschaft vorliegt, ist unklar, sein Anwalt war für die APA telefonisch vorerst nicht erreichbar. Die Zuständigkeit bzw. Entscheidung darüber, ob einem solchen Ausreise-Antrag stattgegeben wird, der die Abschiebung beschleunigen würde, liegt bei der Justiz.
Zusammenfassung
- Ein zentraler Kontaktmann des Attentäters von Wien, der am 2. November 2020 vier Passanten getötet hatte, steht vor der Abschiebung.