APA/APA/GEORG HOCHMUTH/GEORG HOCHMUTH

Wiener FPÖ und ÖVP wegen Sozialhilfe empört

Eine Wiener Migranten-Familie, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, lässt bei der FPÖ die Wogen hochgehen. Wie seit einigen Tagen bekannt erhalten Vater, Mutter und ihre sieben Kinder inklusive Mietbeihilfe 4.600 Euro monatlich. Viel zu viel, geht es nach FPÖ-Stadtchef Dominik Nepp. Auch die ÖVP nutzte die Debatte am Freitag für Kritik. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) widersprach vehement und forderte eine bundesweite "Mindestsicherung neu".

"Ich bin schon seit Jahren in der Politik, aber das was sich hier abgespielt hat, hat es noch nie gegeben", meinte Nepp, der im Rahmen einer Pressekonferenz einen Misstrauensantrag gegen Bürgermeister Michael Ludwig und Stadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) ankündigte. Er habe zahlreiche wütende Nachrichten bekommen, wie es sein könne, dass eine Familie "ohne etwas zu leisten" mehr bekomme als viele für ihren Vollzeitjob.

Wie auch Bundesparteichef Herbert Kickl will Nepp, dass die Sozialhilfe nur noch an österreichische Staatsbürger ausbezahlt wird. Würde er nach der Wien-Wahl 2025 zum Bürgermeister gewählt, werde er "in den ersten 24 Stunden nach meiner Angelobung eine Initiative dafür starten". Schuld an dieser Schieflage sei die Wiener SPÖ. Durch höhere Sozialleistungen befördere sie eine "Binnenmigration" in die Hauptstadt und unterstütze Menschen, "die nicht arbeiten wollen, weil sie fürs Nichtstun mehr bekommen".

Nepp kündigte an, ein Ansuchen auf eine Sondersitzung des Landtages und auch eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen SPÖ-Stadtrat Hacker einzubringen. Für den geplanten Misstrauensantrag bräuchte die FPÖ die Stimmen der ÖVP. "Entscheidungen für die Sonderlandtagssitzung behalten wir uns bis zuletzt vor", hieß es aus dem Büro von ÖVP-Chef Karl Mahrer auf APA-Anfrage. Er wirft der FPÖ "Themendiebstahl" vor, habe die ÖVP doch bereits vor zwei Jahren auf einen ähnlichen Fall aufmerksam gemacht.

Der Fall der Wiener Familie empörte aber nicht nur die Wiener Schwarzen, die dieselben Forderungen stellen wie die Freiheitlichen: eine Reduktion der "Binnenmigration" und eine niedrigere Sozialhilfe, wie auch in anderen Bundesländern. Der oberösterreichische Soziallandesrat und designierte Wirtschaftskammer-Generalsekretär Wolfgang Hattmansdorfer rechnete etwa vor, dass eine gleich große Familie in Oberösterreich nur rund 2.300 Euro bekäme.

Dieselben Töne kommen auch aus der Bundespartei: Integrationsministerin Susanne Raab spricht sich für eine Wartezeit von fünf Jahren aus, bevor man Anspruch auf Sozialhilfe hat. Auch sie erachtet die Wiener "Förderpolitik" als "überbordend". "Die Höhe der Wiener Sozialleistungen behindert erfolgreiche Integration", heißt es in einem der APA übermittelten Statement.

Das 2018 unter türkis-blau eingeführte System sieht eine Höchstgrenze vor. Diese liegt bei rund 1.100 Euro für eine Person, und damit deutlich unter der Armutsschwelle von 1.600 Euro. Dieses System habe aber auch zu "einem Wettbewerb der Senkung unter den Bundesländern geführt", kritisiert der grüne Abgeordnete Markus Koza im Ö1-Mittagsjournal und fordert eine "Generalsanierung". Sehr wohl vorstellen kann sich eine Kürzung der pinke Nikolaus Scherak, denn "die Mindestsicherung sollte ein Anreiz sein, arbeiten zu gehen".

Sozialminister Rauch widersprach ÖVP und FPÖ. "Die Sozialhilfe liegt derzeit praktisch immer unter der Armutsgefährdungsschwelle", betonte er in einer schriftlichen Stellungnahme und via Social Media. Zudem werde sie nur an Menschen ausbezahlt, die nicht arbeiten gehen können. "Wir brauchen eine bundesweite 'Mindestsicherung neu', die die Grundbedürfnisse der Menschen tatsächlich abdeckt", forderte er. Sie müsse gut mit anderen Sozialleistungen abgestimmt sein und auch finanzielle Anreize setzen, rasch arbeiten zu gehen - was derzeit nicht immer der Fall sei. Der FPÖ hielt er vor, "wieder einmal" den Sozialstaat demontieren zu wollen.

"Von Saus und Braus kann keine Rede sein", kommentierte die Volkshilfe den Fall bereits am Donnerstag auf X (vormals Twitter). Bei sieben Kindern, davon vier unter 14 Jahren, liege die Armutsschwelle laut Statistik Austria bei 6.603 Euro. Laut Schuldenberatung brauche ein Paar mit vier Kindern 5.858 Euro monatlich für einen bescheidenen Lebensstil. Mit 4.600 Euro Mindestsicherung liegt die Familie mit neun Kindern deutlich darunter. "Nicht die Wiener Mindestsicherung, sondern Armenshaming ist der Skandal", ergänzte Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien in einer Aussendung am Freitag.

Die hohen Transferleistungen bei Familien mit vielen Kindern würden die "Neiddebatte" befeuern, argumentierte hingegen AMS-Chef Johannes Kopf gegenüber der "Krone". Er ist für den Ersatz der Auszahlungen durch Sachleistungen wie die direkte Überweisung der Mietkosten an den Vermieter oder Einkaufsgutscheine. Es brauche ein einheitliches Sozialsystem und eine Residenzpflicht, so Kopf. In den Bundesländern fliegen Asylwerber an dem Tag, an dem sie Asyl bekommen, aus ihrer Unterkunft und erhalten dann 430 Euro, womit sie sich keine Unterkunft leisten können. "Dann fahren sie nach Wien, finden ein Bett um 300 Euro und 1.100 Euro Mindestsicherung". Wie "Heute" berichtete, wurde der Fall publik, nachdem die Syrer eine neue Wohnung in der Landstraße anmieten wollten und einen entsprechenden Einkommensnachweis vorlegen mussten.

ribbon Zusammenfassung
  • Eine Wiener Migranten-Familie erhält monatlich 4.600 Euro Sozialhilfe, was zu Empörung bei FPÖ und ÖVP führt.
  • FPÖ-Stadtchef Dominik Nepp kündigt einen Misstrauensantrag gegen Bürgermeister Michael Ludwig und Stadtrat Peter Hacker an.
  • Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) widerspricht vehement und fordert eine bundesweite 'Mindestsicherung neu'.
  • Der oberösterreichische Soziallandesrat Wolfgang Hattmansdorfer weist darauf hin, dass eine gleich große Familie in Oberösterreich nur 2.300 Euro erhalten würde.
  • Die Volkshilfe betont, dass die Armutsschwelle bei einer Familie mit sieben Kindern bei 6.603 Euro liegt und die Mindestsicherung von 4.600 Euro deutlich darunter liegt.