Wiederkehr für Wohnsitzauflage nach Asyl-Bescheid
Anlass für den Vorstoß des Wiener Stadtrats sind die laufenden Familienzusammenführungen, wie er im Interview mit der APA erläuterte. Alleine seit Jänner seien 2.500 zusätzliche Kinder und Jugendliche aufgenommen worden. "Das ist massiv gestiegen in den vergangenen Monaten und wird im nächsten Jahr auf einem sehr hohen Niveau bleiben. Wir gehen davon aus, dass wir pro Monat circa 300 zusätzliche Kinder und Jugendliche haben werden, die einen Schulplatz benötigen", erläuterte er. Das überfordere sowohl die Schulen als auch die Kinder und Jugendlichen.
In Wien ist nun geplant, Neuankömmlinge ab dem nächsten Semester anfangs in Orientierungsgruppen zu betreuen. Gedacht sind diese für Kinder, die noch nicht schulreif sind - von denen es zahlreiche gebe, wie Wiederkehr festhielt. Zum Großteil handle es sich um syrische Kinder, die etwa jahrelang in türkischen Flüchtlingslagern aufhältig waren, "und die noch nie eine Schule von innen gesehen haben". Man sehe aktuell, dass junge Männer, die nach Wien gekommen seien, nun ihre Frauen mit oft mehreren Kindern nachholen.
Es sei für die anderen Kinder, aber auch für die Schule oft nicht zumutbar, dass diese sofort eingeschult würden, befand er. Bei den Gruppen handle es sich um ein vorschulisches Angebot, um die Schulen zu entlasten. Rechtlich möglich ist laut Wiederkehr eine Rückstellung für ein halbes Jahr. Die Phase solle auch den Kindern selbst Orientierung bieten. Die Betreuung wird dezentral in Wien stattfinden, an mehreren Standorten, um dann den Übergang zur Schule zu ermöglichen, wie der Stadtrat ausführte.
"Wien kann diese Herausforderung aber nicht alleine stemmen", gab er zu bedenken. Wien übererfülle nicht nur die Quote in Sachen Grundversorgung, es würden die meisten Betroffenen nach Abschluss des Asylverfahrens auch sofort nach Wien kommen. "Und deshalb ist mein Ansatz und meine Forderung, dass es hier ähnlich wie in Deutschland eine Wohnsitzauflage gibt."
Drei Jahren nach Abschluss des Verfahrens bzw. wenn subsidiärer Schutz gewährt wird, soll man in dem Bundesland wohnen müssen, in dem das Verfahren durchgeführt wurde, fordert Wiederkehr eine entsprechende bundesgesetzliche Regelung. Der Lebensmittelpunkt solle dort liegen, auch Sozialleistungen sollten nurmehr in diesem Bundesland ausbezahlt werden. Umgeht man die Pflicht, gibt es gemäß dem Vorschlag keine Leistungen mehr.
Berufstätige Menschen sollen an die Auflage nicht gebunden sein. "Wenn man einen Job findet, dann kann man sich natürlich auch innerhalb der ersten drei Jahre frei bewegen." Die Maßnahme wäre nötig, um Wien zu entlasten und die kleinteilige und dezentrale Integration in ganz Österreich zu ermöglichen, sagte der Stadtrat.
Eher zurückhaltend steht der Koalitionspartner SPÖ dem Ansinnen gegenüber. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gab im Gespräch mit der APA zu bedenken, dass in Deutschland, das als Vorbild genannt wurde, ganz andere Voraussetzungen für eine derartige Regelung bestünden. Es gebe dort nicht die gleichen Spielregeln - und Unterschiede in der Größe der Bundesländer. Diese seien von der Einwohnerzahl zum Teil mit Österreich vergleichbar. Es gebe aber auch in Bayern keine Regel, dass man München nicht verlassen dürfe.
Zudem herrsche in Deutschland Konsens zwischen den Bundesländern, was die Betreuung und die Integration von Flüchtlingen betreffe. Es gebe auch eine enge Verknüpfung mit der Arbeitsmarktpolitik. Die Sozialhilfe sei bundesweit vorgegeben. "In Österreich sind wir meilenweit davon entfernt", beklagte Hacker. Hier spreche man von Verboten, nicht von Möglichkeiten. Solange es in Österreich keine gemeinsame Strategie gebe, seien derartige Vorschläge nur schwer umsetzbar, befand der SPÖ-Politiker. Das wichtigste sei, dass Flüchtlinge Arbeit finden.
"Auf der anderen Seite muss man die Kirche auch im Dorf lassen", hielt er fest. Man rede von 2.500 Kindern, das sei ein Prozent der Wiener Schüler. Bei "allem Respekt" vor schwierigen Aufgaben müsse man hier eben besondere Maßnahmen für diese Kinder setzen. "Wir können das auch", versicherte der SPÖ-Stadtrat. "Ich kann schon leben damit, dass er sagt, dass ist eine Anregung für bundespolitisches Nachdenken", meinte er in Richtung Wiederkehr. Es würden damit auch die Mängel in Österreich aufgezeigt. "Das soll mir Recht sein", meinte Hacker.
Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp lehnt die Forderung nach einer Wohnsitzauflage hingegen strikt ab, wie er in einer Aussendung klarstellte. Die Befürchtungen der FPÖ, dass die Grenzöffnung 2015 zu einer unkontrollierten Massenzuwanderung aus arabischen und afrikanischen Ländern geführt habe, hätten sich bestätigt, befand er. Es brauche keine Auflage für Wohnsitze, sondern "Ausreisezentren für Asylanten".
Die Wiener ÖVP ortete ein "erstes Zeichen des Aufwachens" bei den NEOS. Diesem müssten aber konsequente Maßnahmen folgen, mahnte Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer. Die Volkspartei erachtet es laut eigenen Angaben als richtig, dass diese Art der Binnenmigration unterbunden wird - fordert jedoch, dass endlich Schluss sein müsse mit dem "Sozialmagnet Wien". Es brauche die Aufhebung aller Mehrleistungen bei der Mindestsicherung, wurde in einer Aussendung verlangt.
(Das Interview führte Gerald Mackinger/APA)
Zusammenfassung
- Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) fordert eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge.
- Alleine seit Jänner seien 2.500 zusätzliche Kinder und Jugendliche aufgenommen worden.
- Das überfordere sowohl die Schulen als auch die Kinder und Jugendlichen.
- Die Betreuung wird dezentral in Wien stattfinden, an mehreren Standorten, um dann den Übergang zur Schule zu ermöglichen, wie der Stadtrat ausführte.