AFP

Wer war Ismail Haniyeh und wer ist die Führung der Hamas?

Am Mittwoch soll der Hamas-Anführer Haniyeh in Teheran getötet worden sein. Welche Rolle spielte der 62-Jährige und wer ist nun die Führung der Hamas?

Der am Mittwoch in der iranischen Hauptstadt Teheran offenbar bei einem israelischen Angriff im Alter von 62 Jahren getötete Ismail Haniyeh leitete seit 2017 das Politbüro der Hamas und galt zuletzt als übergeordnete Führungsfigur.

Chef-Verhandler der Hamas

Er war Ministerpräsident der Einheitsregierung mit der Fatah. Nach dem innerpalästinensischen Zerwürfnis setzte er die Herrschaft der Hamas im Gazastreifen fort.

Schon seit Ende der 80er Jahre war Haniyeh eine wichtige Persönlichkeit in der Hamas, etwa als Büroleiter von Scheich Yassin. Er verbrachte Jahre in israelischer Haft und auch im Exil. Zuletzt lebte Haniyeh in Katar, das im neuen Nahost-Krieg seit den Hamas-Massakern in Israel vom 7. Oktober 2023 als Vermittler bei Verhandlungen mit Israel über Geiselfreilassungen, Feuerpausen und Gefangenenfreilassungen auftritt.

Nach Angriff auf Golanhöhen: Sorge vor Nahost-Eskalation

Verstreute Führung

Neben Haniyeh gibt es noch weitere Mitglieder der Hamas-Fürhungsriege, die sich nicht auch nicht direkt in Gaza aufhalten. Die Nummer zwei der Hamas, Saleh Al-Arouri, wurde im Jänner in einem Vorort von Beirut im Libanon getötet. Auch er wurde bei einem Drohnenangriff getötet, der Israel zugeschrieben wird. Er war insgesamt 20 Jahre in Israel in Haft und wurde 2010 freigelassen, mit der Bedingung, ins Exil zu gehen. Seitdem lebte er im Libanon. 

Daneben gibt es noch einige weitere führende Persönlichkeiten in der Hamas, so wie Mohammed Deif von dem aktuell nicht klar ist, ob er bei einem Angriff Israels auf Khan Younis ums Leben kam. Yahya Sinwar führt die Hamas im Gazastreifen an, er gründete deren Geheimdienst Majd. 

AFP

Die vielen Gesichter der Hamas

Die militante, islamistische Palästinenser-Organisation Hamas (Bewegung des islamischen Widerstandes) entstand als Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft kurz nach Beginn des ersten Palästinenser-Aufstands (Intifada) 1987 unter Führung des später von Israel getöteten Scheichs Ahmed Yassin.

In ihrer Charta von 1988 bezeichnet die Hamas den "Heiligen Krieg" als einzige Lösung zur Schaffung eines palästinensischen Staates vom Jordan bis zum Mittelmeer. Sie lehnt sowohl einen Gewaltverzicht als auch eine Existenzberechtigung für den Staat Israel als auch bisherige Vereinbarungen der Palästinenser mit Israel, darunter den Osloer Friedensvertrag von 1993, ab.

Die Hamas avancierte mit der Zeit zur zweitgrößten Palästinenser-Organisation nach der moderateren Fatah. Die Hamas blieb außerhalb der von der Fatah - damals unter Yasser Arafat, derzeit unter dem heutigen Palästinenser-Präsidenten Mahmoud Abbas - dominierten Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).

Polit- und Terrororganisation

Die Hamas-Organisation hat viele Gesichter. Sie begann vornehmlich als Wohlfahrtsorganisation, schuf ein soziales Netz mit Kindergärten, Schulen, Suppenküchen und Arbeitsvermittlungen. Das brachte der Bewegung hohes Ansehen in der verarmten palästinensischen Bevölkerung.

Daneben ist sie eine politische sowie eine militärische und terroristische Organisation. Oberstes Polit-Organ ist ein Shura-Rat. Dieser bestimmt die Mitglieder des Politbüros, das als Exekutive die Shura-Beschlüsse umsetzt. Der militärische Arm der Hamas, die Ezzedine-al-Qassam-Brigaden, hat immer wieder tödliche Terroranschläge auf Israelis verübt. Nicht nur Israel, sondern auch die USA und die EU stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

Seit 2006 stärkste politische Partei

Bei der Parlamentswahl 2006 errang die Hamas im Gazastreifen einen überwältigenden Sieg über die Fatah. Der Westen erkannte das Ergebnis nicht an und zwang die Hamas in eine Regierung der Nationalen Einheit mit der Fatah.

Das funktionierte aber nicht: Es kam zum Bruderkrieg zwischen Fatah und Hamas und zur Auflösung der Einheitsregierung. Die Hamas riss 2007 die Macht im Gazastreifen an sich und vertrieb die Fatah. Seither gibt die Fatah nur noch in den nicht von Israel verwalteten Teilen des zweiten Palästinenser-Gebiets, dem Westjordanland, den Ton an.

Die Hamas wiederum schoss seither zigtausende Raketen und Mörsergranaten auf Israel ab. Israel reagierte mit Luftangriffen und Bodenoffensiven. So wurden etwa bei der dreiwöchigen israelischen Operation "Gegossenes Blei" zwischen Dezember 2008 und Jänner 2009 mehr als 1.400 Palästinenser im Gazastreifen getötet und über 5.000 weitere verletzt. Im Sommer 2014 folgte die Operation Protective Edge.

Die Hamas unterhält enge Kontakte zu Syrien, Israels Erzfeind Iran und der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbollah-Organisation im Libanon. Unterstützer und Geldgeber hat bzw. hatte sie aber auch in den konservativen arabischen Golf-Monarchien, darunter Katar. In den letzten Jahren kam es allerdings im Rahmen der sogenannten Abraham Abkommen Israels mit muslimischen Staaten auch zu einer Annäherung mit Saudi-Arabien und im Fall der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrains sogar zu einem Friedensvertrag. Ägypten und Jordanien schlossen bereits 1979 bzw. 1994 Frieden mit Israel.

ribbon Zusammenfassung
  • Am Mittwoch soll der Hamas-Anführer Haniyeh in Teheran getötet worden sein.
  • Welche Rolle spielte der 62-Jährige und wer ist nun die Führung der Hamas?